Robots & Dragons: Die Enttäuschungen der Redaktion 2020

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Sind wir ehrlich: Das Jahr 2020 war nicht unbedingt arm an Enttäuschungen. Blenden wir die reale Welt einmal aus, gab es auch bei unserem Lieblingshobby so einige Dinge, die uns am Ende enttäuscht zurückgelassen haben. Ob Filme, Bücher oder Serien: Wir werfen einen letzten Blick zurück auf das Jahr und sprechen darüber, was 2020 enttäuscht hat.

Florian Rinke

Netflix hat viel Geld ausgegeben, um sich die Rechte an einer Comicvorlage zu sichern und die Hauptrolle dann mit einer bekannten und sehr guten Hollywood Schauspielerin zu besetzen. Wenn man sich das Ergebnis dann anschaut, hat Charlize Theron aber scheinbar nicht viel Lust gehabt in The Old Guard mitzuspielen – was man durchaus verstehen kann. In dem Film jagt ein Klischee das Nächste, die Actionszenen sehen alle billig aus und die unterforderte Hauptdarstellerin liefert noch die beste Schauspielleistung ab. Es kann halt nur einen geben – wenn man einen Film über unsterbliche Krieger sehen will, sollte man lieber noch einmal Highlander schauen.

Matt Ruff hat viele interessante, gut erzählte und abgedrehte Romane wie Fool on the Hill oder Lovecraft Country geschrieben. In seinem neuesten Buch 88 Namen geht es um einen Online-Sherpa, der mit seinem Team reichen Kunden durch Games wie World of Warcraft oder Grand Theft Auto führt. Die Spiele habe in dem Zukunftsszenario andere Namen, aber auch Gelegenheitsspieler dürften die Vorlagen schnell erkennen. Eines der Themen des Romans sind die wahren und erfundenen Identitäten von Menschen im Netz. So dreht sich der Haupthandlungsstrang um einen geheimnisvollen Kunden, von dem der Held des Buches vermutet, es handle sich bei ihm um den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un. Alle Kapitel, welche in den verschiedenen Onlinewelten spielen, sind gut geschrieben. Ärgerlich ist die Auflösung, die vorhersehbar, abgedroschen und langweilig ist. Wenn man das Buch nach der letzten Seite zuklappt, scheint es, als hätte man eine schlechte Kopie von Ready Player One gelesen.

Ich hatte im Februar das Glück Color out of Space in einem kleinen Kino zu sehen. Regisseur Richard Stanley baut die unheimliche Atmosphäre in dem Horrorfilm, ähnlich wie in der Vorlage von H. P. Lovecraft, langsam auf. Hauptdarsteller Nicolas Cage hält seine Schauspielkunst im Zaum und fügt sich als Familienvater gut in den Cast ein. Nach und nach steigert sich die Gruselstimmung und der Film entfaltet seinen ganz eigenen Horror. Selbst die fremdartigen Farben aus dem All bannt Stanley gekonnt auf die Leinwand. Doch das scheint ihm leider nicht zu reichen und er begeht einen Fehler, den Lovecraft in seinen Geschichten stets vermieden hat: Dem Publikum wird in ekligen Splatterszenen das Grauen genau gezeigt. Das zerstört die vorher perfekt aufgebaute Gruselatmosphäre. Color out of Space hätte eine der besten Lovecraft-Verfilmungen werden können, gleitet am Ende aber ins Genre-Mittelmaß ab. Trotz der Enttäuschung bin ich auf Stanleys Version von The Dunwich Horror gespannt.

Johannes Hahn

Kann ich bitte das ganze Jahr 2020 als Enttäuschung nominieren? Was, liebe Chefredaktion? Das geht nicht? Ach Mist...

Also, wo anfangen? Zunächst wohl beim unverfänglichen, popkulturellen: Dank unseres Podcasts habe ich mich natürlich viel mit den beiden Star-Trek-Serien Picard und Discovery beschäftigt. Während Letzteres noch läuft und Potential hat (zumindest theoretisch) ist die Staffel von Picard abgeschlossen und... nun ja. Genau wie es zumindest in den beiden vergangenen Staffeln Discovery geschehen ist, zerfasert Picard auch am Ende. Da können auch erfolgreiche Autoren wie Michael Chabon nichts daran ändern. Schade ist das nicht nur für die Fans, deren Herzen (mal wieder) gebrochen wurden. Schade ist das vor allem für die Marke Star Trek und das Genre der (utopischen) Science-Fiction. Denn in Picard gibt es eine Reihe interessanter Ideen sowohl für das Trek-Universum als auch das Genre, aber keine davon wird wirklich erforscht und es wird sich eher in möglichst wendungsreicher Serien-Erzählung ergangen. Allerdings vergaßen die Schreibenden dabei so manchen Story-Strang und knüpften am Ende so eine Geschichte, die das Publikum einfach ein bisschen enttäuscht zurück lässt. Ähnliches zeichnet sich auch bei der dritten Staffel von Discovery ab, aber darüber kann und will ich noch nicht abschließend urteilen.

Auffallend ist jedoch, dass beide Serien es nur im Ansatz schaffen, eine durchgehende Handlung und eine in sich geschlossene Logik zu entwickeln. Stattdessen regiert oft genug die Rule of Cool, die sich aber auch schnell abnutzt und schließlich auch zu mehr Fragezeichen als nötig führt. Vielleicht täte es Serien generell gut, wenn sie sich verkleinern: Nur eine Handvoll Autorinnen und Autoren, keine zwanzig Produzenten und eine klare Richtung der Erzählung. Weniger Unterhaltungsindustrie, mehr Mut zur Innovation.

In Max und meinem Mehr-Spieler-Podcast fordern wir das für die Spieleindustrie schon seit langen. Wer also wissen will, was wir an unserem Lieblingshobby so enttäuschend fanden, kann gerne die letzten paar Folgen hören. Zum Glück bin ich beim Spielen dieses Jahr aber von großen Enttäuschungen verschont geblieben - ein Grund dafür mag sein, dass ich Hype und Vorbestellungen sehr skeptisch gegenüber stehe. Eine tatsächliche Enttäuschung, die dieses Jahr auch wieder deutlich gezeigt hat: Man kann keine (größeren) Videospiele mehr am Erscheinungstag kaufen. Richtig "fertig" sind sie meistens erst rund drei Monate danach.

So, Popkultur abgehakt. Was noch? Ach ja: Die Welt. Die Corona-Pandemie zeigt uns gerade, dass sich unsere Gesellschaft(en) in einer seltsamen Lage befinden: Große Herausforderungen stehen an (Pandemie, Klimawandel), aber es scheint so, als würden bestimmte Teile der Bevölkerung davon nicht wissen wollen und sich lieber laut "LALALALA" rufend die Ohren zuhalten, während um sie herum die Welt droht, in Scherben zu fallen. Ja, ich bin dieses Jahr sehr enttäuscht von einigen Mitmenschen, die nicht begreifen *wollen*, dass es bei bestimmten Problemen einfach nicht um sie selbst geht und schlicht ein wenig Empathie und Rücksicht schon helfen würden. Es ist unbegreiflich, dass einige Leute anscheinend bewusst den Schaden und die (emotionale) Verletzung anderer in Kauf nehmen, nur um weiter ihre persönliche Bequemlichkeit pflegen zu können. Das macht mich traurig. Es ist ein Trost, dass es nur ein verhältnismäßig kleiner Teil ist, der sich maximalst unsolidarisch verhält, aber dafür reißt dieser Teil einfach alles ein, was andere - wir alle - mühsam zusammen aufgebaut haben. Können wir 2021 damit bitte aufhören? Können wir 2021 bitte einfach erkennen, dass wir als Menschen schlicht mehr Erfolg haben, wenn wir unsere Bequemlichkeit und unsere Egos zurückstellen und zusammenarbeiten? Damit es uns *allen* besser geht? Und wir so vielleicht noch ein paar Jahrzehnte mehr auf dieser Erde haben?

Anne Jerratsch

Kollege Johannes' Worte in unser aller Ohren, sowohl, was Picard und Discovery, als auch der Rückblick auf 2020 angeht. Da ich aber nicht einfach "Word!" schreiben darf, habe ich ein wenig in meinen Listen gekramt. Als eine der halben Enttäuschungen nominiere ich dieses Jahr generell die vorzeitige Absetzungspolitik von Netflix, wie es beispielsweise bei vielversprechenden Serien wie I am not okay with this gehandhabt wurde. Jedenfalls ist bis zum vorzeitigen Ende die Geschichte rund um die 17-jährige Sidney, die den Tod ihres Vaters verarbeiten muss, durchaus mitreißend. Einige mysteriöse Ereignisse lassen Sydney (Sopha Lillis) darauf schließen, dass sie über telekinetische Kräfte oder eine ähnliche Superkraft verfügt. Und dann - weiß man leider auch nicht mehr. Also mein Appell: Gönnt den Cliffhanger-Serien doch bitte wenigstens einen Abschluss! Ohne Auflösung wird auch eine geplante Zweitsichtung zu einem frustrierenden Erlebnis sondergleichen. Muss das wirklich sein? Wäre hier nicht noch wenigstens ein Extrageldtopf vorhanden?

Nicht besonders gut weggekommen ist bei mir dieses Jahr die neue Staffel von The Umbrella Academy, deren Umsetzung sich mittlerweile wohl auch deutlich von den Comics unterscheidet. Bei aller Liebe für die ebenso superkräftebesitzenden Hargreaves-Geschwister, allen voran Misfits-Nathan (Robert Sheehan) und Wunderkind Vanya (Elliott Page), will die Handlung für mich nicht richtig in Fahrt kommen. Die Bedrohung des eventuellen Weltuntergangs bei gleichzeitiger Zeitreisemöglichkeit ist wenig greifbar und die Optik der Serie ist zwar ziemlich hochwertig, die Dialoge hingegen schwächeln sehr. Ähnliche Superhelden-Bootcamps kennen wir bereits von den X-Men und Konsorten. Wieso ich ausgerechnet für die Hargreaves Gefühle investieren soll, ist mir auch nach zwei Staffeln noch immer nicht ganz klar.

Recht ähnlich ging es mir auch bei der Highschool-Mystery-Serie The Society. So gut die Prämisse klingen mag - eine Kleinstadt wird abgeriegelt, alle Erwachsenen sind spurlos verschwunden und kein Kontakt zur Außenwelt ist möglich - so schnell fällt das Konstrukt wieder in sich zusammen. Als eine Art pubertäre Version vom Herr der Fliegen sollen die Jugendlichen hier zusammenarbeiten, was vorrangig in den Aufgaben Vorräte anlegen und Machtstrukturen aufbauen und sich gegenseitig in den Rücken fallen kulminiert. Die wenig überraschende Moral scheint zu lauten: Wer zusammenarbeitet, hat mehr Erfolg als die Einzelkämpfer! Liebe und Frieden und so! Da haben wir ja alle wieder richtig was gelernt. Leider hat Netflix auch hier die Fortsetzung vorzeitig wegen des Coronavirus beendet, was die schreiberischen Schwachstellen noch ein wenig mehr herausstreicht. Schade drum!

Katrin Hemmerling

Neue Serie! Nick Frost! Simon Pegg! Gib, gib, gib, gib gib! ... und zwei Folgen später habe ich Truth Seekers wieder ausgeschaltet, weil der Funke einfach nicht überspringen wollte. Zwar ist Simon Pegg mit der Perücke echt amüsant anzusehen, aber entweder war ich vorab zu gehyped oder aber die Serie benötigt mehr als zwei Folgen, um einen in ihren Bann zu ziehen. Schade. Ich hatte mich eigentlich darauf gefreut, ein Wochenende mit Simon und Nick zu verbringen, darauf gehofft, endlich mal wieder den Humor der Cornetto-Trilogie zu erleben - war wohl sein Satz mit X. Nun denn. Hoffen wir, dass ich vielleicht doch im neuen Jahr Lobeshymnen auf die Serie singe, falls ich ihr den kommenden Wochen eine weitere Chance gebe.

Darf ich Star Trek: Discovery eine Enttäuschung nennen, wenn ich von der neuen Staffel noch keine Folge gesehen habe? Staffel 2 hat mich ziemlich abgeschreckt, sodass ich mich bis jetzt nicht aufraffen konnte, die restlichen Folgen von Staffel 2 zu gucken, um mit Staffel 3 zu starten. Wenn ich Neles Kritiken lese, scheine ich auch nicht großartige etwas zu verpassen. Und wenn wir gerade dabei sind: Von Star Trek: Picard hatte ich mir auch mehr erhofft. Als die Serie Anfang des Jahres startete, war ich willens, auf jede Folge hinzufiebern - aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mehr auf die neuen Folgen von Babylon Berlin hingefiebert habe, als auf Sir Patrick. Schade, Schokolade!

Naja. Abschließend war es in diesem Jahr eine Enttäuschung, dass die durchgedrehte Welt dafür gesorgt hat, dass die Kinos geschlossen bleiben mussten. Es gab in diesem Jahr einige Filme, auf die ich mich gefreut hatte - stattdessen hatten wir in der Redaktion alle Hände voll zu tun, um bei den ganzen Startterminverschiebungen irgendwie auf dem Laufenden zu bleiben. Als Sahnehäubchen mussten Dreharbeiten von laufenden Projekten unterbrochen werden, sodass sich auch ein paar Starttermine von Serien, die ich mag, wohl nach hinten rücken. Und überhaupt: Ich war in diesem Jahr auf keinem einzigen Live-Konzert und konnte im Juli traditionell auf dem Amphi-Festival um den Tanzbrunnen tanzen! Vielleicht bin ich deswegen auch in den Schrank gegangen, um schlimme Wörter zu sagen. Vielleicht habe ich der Pandemie gesagt, dass sie unkeusche Handlungen an sich selbst vornehmen soll. Denn ehrlich gesagt, war das meine größte Enttäuschung: Meinem Alltags-Eskapismus - Konzerte, Kino, Festivals und auch Conventions - für dieses Jahr Lebewohl zu sagen. In der Hoffnung, dass diejenigen, die in diesen Branchen tätig sind, die Pandemie auch wirtschaftlich überleben ...

Hannes Könitzer

Ich schwimme in diesem Jahr anscheinend etwas gegen den Redaktionstrom, denn während Stefan und Florian Tenet als eines ihrer Highlights aufgelistet haben, landet der Film bei mir auf der Liste der Enttäuschungen. Christopher Nolans neuester Film mag optisch definitiv überzeugen können, inhaltlich hat die ganze Sache für mich leider nicht funktioniert. Ich mag durchaus Filme, bei denen man mitdenken muss, bei Tenet will alles aber irgendwie einfach nicht so richtig Sinn ergeben. Dazu kommt, dass mir das Sounddesign und die Musik unglaublich auf die Nerven gegangen sind. Das ständige Gebrumme hat dazu geführt, dass ich ab der Mitte über jede ruhige Minute dankbar war.

Auch Anne hat mit Birds of Prey einen Film in ihrer Topliste, mit dem ich mich wenig anfreunden konnte. Ich mag Harley Quinn als Figur aber Birds of Prey will als Film für mich überhaupt nicht funktionieren. Das beginnt bereits bei der Grundidee, Harley überhaupt gemeinsam mit den Birds in einen Film zu stecken. Dazu ist auch die Umsetzung nicht sonderlich gelungen. Harley wirkt jetzt wie ein billiger Abklatsch von Deadpool, die Birds of Prey bleiben durch die Bank blass, aus Cassandra Cain wurde die Klischee-Teenager-Rebellin gemacht und die Action ist ebenfalls total banal. Für Harley Quinn hoffe ich, dass sie in The Suicide Squad nun wieder zu alter Stärke zurückfindet.

Zuletzt darf in dieser Liste natürlich auch Artemis Fowl nicht fehlen. Schon als der erste Trailer zu Verfilmung der bekannten Jugendbuchreihe erschien, konnte man ahnen, dass hier eine Katastrophe auf die Fans der Vorlage warten würde. Und Disney liefert anschließend wie versprochen ab. Buchfans sollten unbedingt einen Bogen um diese Adaption machen, denn bereits nach Sekunden wird klar, dass die Macher hier absolut kein Interesse an der tatsächlichen Buchfigur hatten. Aber selbst ohne Kenntnisse der Vorlage ist Artemis Fowl einfach kein guter Film. Hier will einfach nichts zusammenpassen, wenn man einmal von ein paar netten Effekten absieht. Wie schon bei Percy Jackson fährt Disney erneut die Verfilmung einer beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe an die Wand.

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