Retrokiste zu Contact: Alles wissen, nichts sagen

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Contact

Anfang Juli 1997, vor ziemlich genau 23 Jahren, kam mit Contact ein Film in die Kinos, der optisch und vor allem inhaltlich neue Maßstäbe setzen sollte. Neben seinem massiven Staraufgebot (Jodie Foster, John Hurt, James Woods und Matthew McConaughey) ist der Film als Leinwandadaption von Sagans gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1985 in einer mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Robert Zemeckis und dem Astronomen Carl Sagan entstanden. Zemeckis zeigt eindrucksvoll: Die Frage nach Leben im All kann man auch erzählen, ohne dass die Menschheit direkt in Verteidigungsstellung gehen muss.

An awful waste of space

Ellie Arroway (Jodie Foster) hat ihr Leben der Wissenschaft verschrieben. Angestachelt von ihrem früh verstorbenen Vater (David Morse) sucht sie bereits als Kind mittels einer Funkanlage nach fremden Signalen aus dem All. Als Erwachsene arbeitet Arroway in einem Observatorium am SETI-Projekt mit, bis ihr jedoch wegen ausbleibender Ergebnisse die Mittel gestrichen werden sollen. Arroway treibt vor allem der unbedingte Glaube an die Wissenschaft ans Teleskop. Sie will damit auch das Gefühl des Alleinseins überwinden, das sie schon seit Kindertagen mit sich schleppt: “Wenn wir die Einzigen im Universum wären, wäre das eine unverschämte Platzverschwendung”, lautet ihre Überzeugung.

Ähnlich sieht das auch der mysteriöse Großindustrielle S.R. Hadden (John Hurt), der ihrem Team eine kräftige Finanzspritze ermöglicht, um ihre Forschung voranzutreiben. Nun kann Arroway in New Mexico mit riesigen Radioteleskopen, den sogenannten Very Large Arrays, weiterarbeiten. Neu mit an Bord: Der Ex-Priester und Schriftsteller Palmer Joss (Matthew McConaughey), der sich von der Religion abgewandt hat und bald nicht nur beruflich für die Forscherin interessiert. Und dann geht alles ganz schnell: Das Team empfängt ein Signal, mit dem die Menschheit offenbar Baupläne zugesandt bekommt, um in Kontakt mit Außerirdischen zu treten. Arroway darf schließlich als Botschafterin für die Erde fungieren und wandelt bald nicht nur zwischen Raum und Zeit, sondern auch zwischen Wissenschaft und Glauben ...

Unwissenheit ist der einzige Feind

Die ewig währende Debatte zwischen Religion und Wissenschaft heizte Contact erneut an. Denn während die Sehgewohnheiten der meisten Kinozuschauer auf die Bekämpfung durchweg bösartiger Aliens getrimmt waren, wie es beispielsweise in der Alien-Reihe oder auch noch in Independence Day (1996) der Fall war, stellte Robert Zemeckis in Contact vor allem die Auswirkungen einer solchen Nachricht auf die Menschheit in Presse und Politik in den Vordergrund. Damit reiht sich der Regisseur eher in die Tradition von Steven Spielbergs Close Encounters - Unheimliche Begegnung der dritten Art aus dem Jahr 1977 ein.

Arroway selbst darf als willensstarke und - zumindest für die damalige Zeit - relativ klischeebefreite Frauenfigur ihrer (natürlich ausschließlich männlichen) Chefetage Widerworte geben. Auch wenn sie sich leider direkt dafür entschuldigt - und sich ohne impliziertes Interesse an einer Beziehung den schnieken Schriftsteller ins Bett holt. Zudem gibt es kein klassisches romantisches Happy End für die beiden, denn Ellies Arbeit ist wichtiger.
Ihre Figurenentwicklung ist zudem interessant, weil sie so sehr der Wissenschaft vertraut, dass sie im Zweifel bereit ist, ihre Wahrnehmung zugunsten der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen zu überprüfen - wo sonst findet man schon mal die Benennung von Ockhams Rasiermesser in einem Blockbuster-Scifi-Film?

Wahrnehmung vs. Wissenschaft = ?

In Contact werden zudem gesellschaftliche Knackpunkte behandelt, über die man noch heute wunderbar streiten kann. Zum Beispiel: Welchen Stellenwert hat die Wissenschaft wirklich in der Gesellschaft? Solange sie eindeutige, logische Erklärungen und schnelle Ergebnisse liefert, scheint alles in Ordnung. Stößt sie jedoch an ihre Grenzen, werden Menschen schnell ungeduldig und unwillig, Mittel werden gekürzt, Theorien kritisiert und durch Verschwörungstheorien ersetzt.

Auch Ellie muss dies erleben, als sie ohne Beweise, aber im Brustton der Überzeugung von ihren Erlebnissen in einem Wurmloch berichtet - so ihr denn nicht die Worte ausgehen. (“They should have sent a poet.”) Oder war alles nur eine Täuschung? Hier gibt es für Buch-Kenner jedoch einen Wermutstropfen: Sagan hat seiner Botschaft noch einen Weiterdreh spendiert, der fast bis zum Gottesbeweis führt - im Film aber ärgerlicherweise ausgelassen wurde. Vielleicht war dies darin begründet, nicht noch einen dramaturgischen Bogen mehr schlagen zu müssen, vielleicht war es aber auch der Laufzeit des Films geschuldet. Schade ist es dennoch, dass Sagans Botschaft hier nur sehr rudimentär transportiert ist.

Zwischendurch gibt es immer wieder kurze, aber eindringliche Einsprengsel, die zeigen, wie die Menschheit mit der neugewonnenen Erkenntnis, dass dort draußen eben doch noch mehr Leben zu sein scheint, umgeht: Einige gründen eine Suizidsekte, andere küren die neue Miss Universum (deren Konkurrenz nun ungleich größer sein dürfte), und sogar eine handvoll Neonazis sind zu sehen. Einer der Momente dem düstersten Humor dürfte die Szene sein, die die Übertragung der Sportpalastrede Hitlers zeigt. Wenn dies tatsächlich das erste ist, was außerirdische Lebewesen von der Menschheit mitbekommen, kann man ihnen tatsächlich nicht verdenken, dass sie sich noch tunlichst von uns fernhalten.

Auch die Darstellung der Berichterstattung in den Medien selbst ist einen zweiten Blick wert: So sind zahlreiche Journalisten und Fernsehpersönlichkeiten zu sehen (unter ihnen Jay Leno und Larry King). Das Magazin Gizmodo hat die Rolle der Medien im Film besonders eindrucksvoll herausgearbeitet. Denn die Aliens selbst geraten in der Mitte des Films fast ins Hintertreffen, viel wichtiger ist Zemeckis hier eine gepfefferte Kritik an der Omnipräsenz von Kameras und Monitoren, und der damit verbundenen Bildersucht.

Außerdem wurden Reden vom damaligen Präsident Bill Clinton so zurechtgeschnitten, dass sie inhaltlich exakt zum Drehbuch passten. Nach der Veröffentlichung des Films gab es Beschwerden aus dem Weißen Haus, dass man die Zusammenstellungen der Clinton’schen Auftritte als inhaltlich verfälschend und “unangebracht” kritisierte. Das Drehbuch war jedoch vorher bereits von derselben Stelle abgesegnet worden, und Reden des Präsidentena sind ohnehin schon immer gemeinfrei. Man stelle sich vor, eine solche Diskussion mit dem aktuellen Präsidenten führen zu müssen.

Süßliche Sinnsuche mit Vorbildcharakter

Man kann Contact seine bisweilen leicht verkitschte Version von Akte-X- Mulders “Die Antwort ist irgendwo da draußen” durchaus als Plattitüde vorwerfen. Dass die bessere Antwort auf den Umgang mit neuen Bekanntschaften nicht Krieg, sondern Liebe sein sollte, ist auch beileibe keine neue Erkenntnis. Leider bleiben auch einige Figuren weitestgehend flach, allen voran ein massiv unterforderter John Hurt, und auch Matthew McConaugheys Figur des Priesters hätte deutlich mehr Tiefe vertragen können. Zwar werden seine Forschung und sein Kampf mit dem eigenen Glauben grob angerissen, bekommen aber nicht genug Platz eingeräumt, um tatsächlich wirken zu können.

Die bildgewaltige Darstellung und der wissenschaftliche Unterbau hingegen, den Contact fast mühelos liefert, kann sich auch heute noch sehen lassen. Und für die Darstellung des Wurmlochs musste nicht mal jemand ein Stück Papier mit einem Stift zerstechen. Nicht umsonst hat sich Christopher Nolan für sein Epos Interstellar (2014) massiv an der Optik und der verhandelten Themen der anderen Dimensionen bedient. Auch Denis Villeneuve hat sich einige Scheiben von Contact für seinen thematisch ähnlich angesiedelten Film Arrival (2016) abgeschnitten und entwickelt das Thema der Kontaktaufnahme durch andere Spezies in Richtung Linguistik weiter.

Fazit: Unterschätzter Wegbereiter

Contact dürfte also, noch lange vor Interstellar und Arrival, ein Wegbereiter für eine neue Art Science-Fiction gewesen sein: Eine, in der die Menschheit offensichtlich zwar technisch in der Lage ist, Reisen in andere Welten zu unternehmen, sich aber vor allem intellektuell noch nicht weit genug entwickelt hat, um tatsächlich in Austausch zu treten. Dies wird jedoch immer verknüpft mit der Hoffnung, dass die Menschen es in absehbarer Zeit sein werden.

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