Eine Lanze brechen: Tödliche Weihnachten - Action ohne Gedächtnis, aber mit großer Klappe

Es ist schwer zu sagen, ob Drehbuchautor (inzwischen auch Regisseur) Shane Black 1987 mit seinem Drehbuch zur Action-Komödie Lethal Weapon das Action-Genre revolutionierte. Zumindest ebnete er jedoch den Weg zur modernen Buddy-Action-Komödie. Auch Blacks Karriere erhielt einen mächtigen Schub, sodass er künftig Millionensummen für seine Drehbücher erhielt, was damals noch äußerst ungewöhnlich war sowie den Neid und die Missgunst vieler seine Kollegen auf sich zog. Das Konzept der beiden ungleichen Partner, die sich zusammenraufen müssen, um einen größeren, meist übermächtigen Feind zu besiegen, wurde seitdem vielfach kopiert. Unter anderem durch das Lethal-Weapon-Franchise selbst, welches drei Fortsetzungen erhielt, allerdings ohne dass Shane Black noch viel damit zu tun hatte.

Trotzdem nutzte er diese Blaupause immer wieder und verband klassische Noir-Tropen mit verschiedenen Versatzstücken des Action-Genres, spielt damit, untermauert und unterwandert sie zugleich. Meist mit einem ironischen Augenzwinkern. Und auch wenn sich das Muster in seinen Drehbüchern und Filmen oftmals gleicht, sind die Hauptfiguren interessant und charmant. Wie sie letztendlich aufeinandertreffen und ihre Differenzen zumindest teilweise überwinden, macht den Reiz seiner Filme aus. Fulminant etwa das Zusammenkommen zwischen Robert Downey Jr. und Val Kilmer in Kiss Kiss Bang Bang: Der Dieb Harry Lockhart (Robert Downey Jr.) muss nach einem nächtlichen Raubzug vor der New Yorker Polizei fliehen, platzt in das Vorsprechen für einen Hollywood-Gangsterfilm hinein, bekommt die Hauptrolle und wird nach Los Angeles geflogen, um dort Recherche für Detektivarbeit beim homosexuellen Perry (Val Kilmer) zu betreiben.

Egoisten, Diebe und Kleinkriminelle als letzte Verteidigung gegen das Böse

Blacks Figuren sind selbst häufig Egoisten, Diebe und Kleinkriminelle, die sich häufig gar nicht so sehr von ihren Gegenspielern unterscheiden, außer dass sie nicht allzu erfolgreich bei ihren fragwürdigen Geschäften sind. Gleichzeitig stellen diese suizidalen oder kurz vor der Rente stehenden Cops (Lethal Weapon), die schlechtesten Detektive der Welt (Nice Guys), Secret-Service-Agenten und jetzt Profi-Alkoholiker (Last Boy Scout) die letzte Verteidigungslinie gegen Habgier, Mord und Korruption der Reichen und Mächtigen in Los Angeles dar. Und immer zu Weihnachten schaffen sie es gerade so, ein letztes bisschen Moral und Anstand zusammenzukratzen und sich aufzuraffen, um das Richtige zu tun und ein kleines Stück von der Welt zu retten. Auch wenn es anschließend kaum einen Unterschied zu machen scheint. Selbstverständlich nicht, ohne auf urkomische Weise reichlich Chaos und Zerstörung zum besinnlichen Fest der Liebe beizutragen. Im Falle von Tödliche Weihnachten handelt es sich um einen abgehalfterten Privatdetektiv und eine Grundschullehrerin, die ihr Gedächtnis verloren hat.

Geena Davis spielt die Lehrerin Samantha Caine, die vor Jahren in einer kleinen Stadt gelandet ist, ohne Gedächtnis, jedoch schwanger mit einer Tochter. Hier fand sie eine neue Liebe, einen Job und führt nun ein behutsames Leben in der Vorstadtidylle. Dennoch lässt sie ihre Vergangenheit nicht los. Nachdem sie es schon mit einer Reihe von Privatdetektiven versucht hat, die nach ihrer Vergangenheit forschen sollen, ist sie mittlerweile beim Bodensatz in der Form von Mitch Henessey (Samuel L. Jackson) angekommen. Dieser Privatdetektiv gibt sich hin wieder sogar als Polizist aus, um den ein oder anderen reichen Sack abzuzocken, der mit einer Prostituierten seine Frau betrügt. Dabei versucht er lediglich mehr Zeit mit seinem Sohn zu verbringen und ihm eine nettes Geschenk zu Weihnachten zu machen. Trotzdem stößt er auf Hinweise, der die beiden anscheinend auf die richtige Fährte führt. Um das Rätsel um Samanthas Vergangenheit zu lösen, machen sie sich gemeinsam auf den Weg. Allerdings fördern sie dabei mehr zutage, als sie erwartet oder erhofft haben.  

Haushoch unterlegene Sprücheklopfer

Tödliche Weihnachten war ein kommerzieller Flop, als der Film 1996 in die Kinos kam. Dabei hatte der Film einiges zu bieten, was ihn damals und sogar noch heute sehenswert macht: Geena Davis war trotz eines Oscar-Gewinns in Die Reisen des Mr. Leary und zahlreicher Blockbuster-Rollen in Die Fliege, Beetlejuice und Thelma & Louise nicht der große Kassenmagnet wie viele ihrer Kolleginnen, der sie eigentlich hätte sein sollen. Als ehemalige CIA-Profikillerin, die physisch und psychisch von Hausfrau zur Actionheldin mutiert, macht sie jedoch einen mehr als überzeugenden Wandel durch und kann sogar beim Geplänkel und Sprüche-Klopfen mit Samuel L. Jackson mithalten.

Samuel L. Jackson selbst beweist hier wieder einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit: Als Schauspieler hatte zwar schon eine lange Karriere hinter sich, ihm gelang jedoch erst mit Pulp Fiction und Stirb Langsam – Jetzt erst recht ein wirklicher Durchbruch (Und weil er so fleißig ist, finden sich in den zwei Jahren zwischen Pulp Fiction und Tödliche Weihnachten fast zehn weitere Filme in seiner Filmographie auf imdb wieder). Während er vor allem in seiner Rolle als Jules Winnfield in Pulp Fiction überlebensgroß, bedrohlich und respekteinflößend daherkam, verkehrt er dies als Mitch Henessey in Tödliche Weihnachten komplett ins Gegenteil: Er wirkt fast schon kümmerlich mit seinen schmalen Schultern, einer Fluppe im Mundwinkel und wenn möglich mit einem alkoholischen Getränk in der Hand. Trotzdem hat er immer einen coolen Spruch auf Lager, und wenn es ganz brenzlich wird, kann er sogar mit Kompetenz und dem Mut, sein eigenes Leben zu riskieren, punkten. Eine besonders furios-absurden Szene  zeigt, wie er durch eine Explosion durch ein Hotelfenster und durch die dahinter liegende Leuchtreklame in einen Baum geschleudert wird, im Schnee auf dem Boden landet, rechtzeitig zu einem in der Nähe liegenden Messer greift und mit einem gezielten Wurf den nächstliegenden Schurken ausschaltet.

Noir-Anleihen mit einer gehörigen Portion Action und Blut

Die Noir-Anleihen sind auch hier unverkennbar. Das spiegelt sich schon im Originaltitel The Long Kiss Goodnight wieder, der auf den Roman The Long Good-bye von Raymond Chandler anspielt. Die Adaption des Romans von Regie-Altmeister Robert Altman läuft in Tödliche Weihnachten in einer Szene sogar im Hintergrund auf einem Fernseher. Auch der Plot selbst verläuft nach durchaus bekannten Noir-Mustern: Ein scheinbar einfacher Fall, der zu einer wesentlich größeren Verschwörung heranwächst, mit Geena Davis im Mittelpunkt, die gleichzeitig unschuldige Hausdame, Femme Fatale und letztendlich als Heldin zusammen mit einem glücklosen Partner mit dem Herz am rechten Fleck den Tag rettet.

Schwachpunkt bleibt leider die holprige Inszenierung von damaligen Davis-Ehemann Renny Harlin. Harlin war einer dieser Action-Regisseure der 80er und 90er Jahre, der zwar mit Größen wie Bruce Willis in Stirb Langsam 2 und mit Sylvester Stallone Cliff Hanger – Nur die Starken überleben zusammen arbeiten durfte, es aber nie in den Actionolymp schaffte oder sich großartig darüber hinaus weiterentwickelte. Der idiosynkratische Schnitt und unnötigen Zeitlupen irritieren stellenweise sehr. Der Regiestil ist das, was den Film hauptsächlich schlecht altern lässt und ihm häufig in seiner Dynamik ausbremst. Tödliche Weihnachten lohnt dennoch einen zweiten oder dritten Blick wegen seinem Wortwitz, seinen absurden Plotwendungen und einem stark aufgelegten Duo im Zentrum des Geschehens, nicht zu vergessen tollen Nebendarstellern wie Brian Cox und David Morse, die alle pünktlich zu Weihnachten Besinnlichkeit mit einer ordentlichen Portion Blut vermischen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Warner Bros.

Tödliche Weihnachten (1996) Trailer Deutsch / German - Offiziell (HQ)

The Long Kiss Goodnight (1996) - Trailer

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