Empire of the B's: Im Gespräch mit Autor Torsten Dewi

Viele glaubten, dass nach dem Fernsehen die Videocassette, das Heimkino die größte Gefahr für Hollywood darstellen könnte. Aber schon Roger Corman hat gelehrt, dass es die großen Studios gewesen sind, die mit Blockbustern wie Der weiße Hai, Star Wars oder Indiana Jones plötzlich den zahllosen unabhängigen Produzenten und damit auch den Drive-In-Kinos das Material abzugraben begannen. Während Roger Corman in den fünfziger und sechziger Jahren auf einer Welle des Erfolgs geschwommen ist, die in den siebziger Jahren abebbte, versuchte sich Charles Band nach ersten Erfolgen als unabhängiger Produzent in den achtziger Jahren als Minimogul.

Die neue sekundärliterarische Arbeit Empire of the B´s beleuchtet also nicht nur die Ära von Charles Band "Empire"-Tagen, die neben zeitreisenden Polizisten eine Unzahl von "Puppen" - siehe Dolls oder Puppetmasters -, sondern auch die Gremlin-Klone The Ghoulies hervorzauberte. Mit auffälligen und aufwendig gestalteten Plakaten wurde das Publikum tatsächlich in die Kinos gelockt.

Welchen Reiz diese Ära noch heute hat, versuchen wir in einem Interview mit einem der Autoren, Torsten Dewi, zu eruieren.

Die Rezension von Empire of the B's könnt ihr hier nachlesen.

Empire of the B'sRobots & Dragons: Warum Charles Band? Was verbindet dich persönlich mit seinen Filmen?

Torsten Dewi: Das hängt ganz klar mit meiner Jugend in den 80ern zusammen, mit Comics und Superhelden, mit der Liebe zur Science Fiction und coolen Monstern. Band war der erste Produzent, der ein ganzes Universum im Stil von Marvel aufbauen wollte, was ich einfach steil fand.

Robots & Dragons: Wer ist auf die Idee gekommen, ein Buch über Charles Band im Allgemeinen und seine Empire-Zeit im Besonderen zu machen? Wie bist Du dazu gestossen?

Schriftsteller Kai Meyer war damals Autor einer Filmzeitschrift und verfasste einen großartigen Artikel über Band und seine Firma Empire. Da gab es sogar das deutsche Videocover eines nie fertiggestellten Films zu sehen („Timecrash“, im Original „Pulse Pounders“). Ich fand das total spannend und war frustriert, dass es über Band (im Gegensatz zu Roger Corman) kein Buch gab. Also schwor ich mir, eines Tages eins zu schreiben. Das war 1990. Es hat ein wenig gedauert, das gebe ich zu.

Die Beschränkung auf Empire hat schlichte Platzgründe – die Full Moon-Ära danach ist ja noch deutlich umfangreicher. Die gehen wir dann in Band 2 an, der schon in Arbeit ist.

Robots & Dragons:  Bevor wir auf den vorliegenden Band zurückgekommen. Bei Full Moon würdet ihr ja kein im Gegensatz „Empire Ära“ Neuland betreten. In den neunziger Jahren veröffentlichte das Magazine „Cinefantastique“ inklusiv Sternchenbewertung eine Übersicht über die Full-Moon-Produktionen. Kennst Du diese Ausgabe? Würde man sich auch an deren Bewertungen orientieren?

Dewi: Natürlich kenne und habe ich die Ausgabe. An deren Bewertungen orientieren wir uns nicht, weil eine Bewertung subjektiv sein muss und wir eigene haben. Vieles aus der Full Moon-Ära (die ja andauert) kann man erst retrospektiv richtig einordnen.

Robots & Dragons: Cinefantastique hat damals herbe Kritik von ihren versnobten Stammlesern einstecken müssen? Ist die Zeit jetzt reifer für eine Analyse – nicht Lachen – Charles Bands?

Dewi: Wir analysieren das Geschäftsmodell, die wiederkehrenden Elemente (Puppen, Franchises, Locations), sein ganz eigenes Verständnis von Horror, aber auch von Softsex (bei seinem Label Surrender Cinema). Allerdings eignen sich die wenigsten seiner Filme für eine genauere Analyse, weil sie letztlich doch B- und C-Futter sind, produziert für einen schnell rotierenden Markt.

Robots & Dragons: Wie geht man ein solches Projekt an? Sichtet man das vorhandene Material – Interviews in Magazinen, Artikel – und baut dann ein Buch zusammen? Verteilt man angesichts der langen Entstehungsdauer von mehreren Jahren die Aufgaben spezifisch oder wirft man alles in einen Topf und baut auf diesen Fundament ein Buch?

Dewi: Wir hatten KEINEN Plan. Mein Co-Autor Dave, der sich schnell als treibende Kraft entpuppte, schrieb einfach tonnenweise Schauspieler und Regisseure an und bat um Interviews. Ich war dafür zuständig, Artikel zu besorgen, Bildmaterial – und vor allem die Filme. Das war vor zehn Jahren noch erheblich aufwändiger als heute, wo es fast den gesamten Band-Katalog auf DVD gibt. Ich musste teilweise auf miserable Raubkopien aus Australien und Hongkong zurückgreifen. War auch ein ziemlich teurer Spaß. Ein Vorteil war, dass man so ein Buch nicht chronologisch schreiben muss. Es lässt sich in weiten Teilen aus den Reviews und Interview zusammensetzen.

Robots & Dragons: Hattet Ihr schon vorher eine Zusage von „Hemlock“ oder habt Ihr erst einmal ins Blaue interviewt und kritisiert, bevor Ihr das Material einem Verlag zur Verfügung gestellt habt?

Dewi: Der ursprüngliche Plan war, das Buch im Eigenverlag zu veröffentlichen, um keine Kompromisse eingehen zu müssen. Finanziell und logistisch waren wir dazu durchaus in der Lage – als das Buch fertig war, hatten wir allerdings Bammel vor dem Versand. Man muss sich dann ja auch um Beschwerden, Verluste, Rückerstattungen etc. kümmern. Und das weltweit. Also meinte Dave, er könne ja mal ein paar Verlage durchtelefonieren. Hemlock hat dann ziemlich schnell angebissen.

Robots & Dragons: Gab es Differenzen bei der Beurteilung des Materials? Hatte jeder der Autoren seine speziellen Vorlieben? Im Text wird ja erwähnt, dass Ihr drei andere Ansichten zu Charles Band im Allgemeinen und seinen Film im Besonderen hattet.

Dewi:  Ja, die gibt es. Nathan ist sicher der kritischste Autor. Er legt sehr hohe Maßstäbe an. Dave sieht Metaebenen und Querverweise, auf die ich nie im Leben kommen würde. Er hat auch den meisten Spaß am Low Budget-Trash. Ich selbst mag Band dann, wenn er seiner Vision, Comic-Entertainment für kleines Geld zu machen, am nächsten kommt. Es gab hin und wieder Diskussionen, aber nie wirkliche Konflikte.

Robots & Dragons: Aus heutiger Sicht bei den zahllosen, wahrscheinlich noch primitiveren Direct-to-Video-Produktionen, was könnte neue Zuschauergenerationen bewegen, eine Charles-Band-Produktion anzuschauen?

Dewi: Schwer zu sagen. Primär ist unser Band für die Generation von Fans gedacht, die mit Band aufgewachsen ist. Es ist quasi ein filmhistorisches Buch. Darüber hinaus sollten vielleicht mal die Fans reinschauen, die sich generell für Comics und Science Fiction interessieren – Band hat vieles vorweggenommen, was Marvel und DC heute im großen Maßstab durchziehen.

Robots & Dragons:  Der Text ist ja unterteilt in einen kritischen, jeden Film zumindest streifenden Teil und den zahllosen Interviews. Bei den Interviews die Frage: wie waren die Reaktionen der Menschen, die ihr gefragt habt? Anscheinend wollten einige nicht mehr über ihre ersten Jahre sprechen, während andere sehr beredt, sehr ausführlich darüber gesprochen haben.

Dewi: Das ist richtig. Manche haben gar nicht geantwortet, andere waren sichtlich froh, den ganzen Ballast loszuwerden. Einige wollten für die Interviews Geld, andere wollten nur über bestimmte, aber nicht alle Filme sprechen. Man passt sich dem an.

Robots & Dragons:  Es ist ja schwierig, diesen augenscheinlich netten Menschen auch kritische Fragen zu Filmen zu stellen, die aus Eurer Sicht nicht unbedingt gelungen sind. Und dabei kommt es nicht nur auf das mangelnde Budget an. Wie geht man mit dieser Schwierigkeit um?

Dewi: Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Du willst niemandem vor den Kopf stoßen, aber auch keine langweiligen Promo-Fragen stellen. Du machst das Buch aus Begeisterung für Mann und Werk, musst aber realistisch sehen, dass viele der Filme einfach Kappes sind. In den meisten Fällen sehen die Interviewten das aber genau so und spielen das Spiel mit.

Robots & Dragons: Auffallend ist, dass insbesondere Stuart Gordon als der qualitative Fackelträger sich rückblickend ambivalent – die ersten Kürzungen seiner Filme- , aber trotzdem positiv eloquent über Charles Band geäußert hat. Ist Stuart Gordon wirklich so gewesen oder habt Ihr den Tenor der Interviews ein wenig in die Richtung gelenkt. Immerhin ging seine Karriere spätestens mit „RoboJox“ im Grunde als Kette verpasster Möglichkeiten steil wieder bergab.

Dewi: Stuart Gordon kann sich eine gewisse Altersmilde leisten – er hat ja in den letzten Jahren durchaus anspruchsvolle Filme wie „Edmond“ und „Stuck“ gedreht. Band war für ihn der Sprung vom Theater ins Kino. Außerdem glaube ich, dass Gordon als Premiumregisseur von Band schon besser behandelt wurde als die restlichen Runterkurbler in seinem Stall.

Robots & Dragons: Auf der anderen Seite habt ihr zahlreiche Menschen gefunden, die kurzzeitig in Charles Band langen Schatten ins Filmgeschäft eingestiegen und es dann mehr oder minder frustriert wieder verlassen haben. Ist Filmemachen tatsächlich positiv gesprochen aus Euren Begegnungen eine Art Sucht, die man ablegen kann? Oder bleibt die Sehnsucht nach der großen Leinwand immer in einem?

Dewi: Die Sucht bleibt immer. Ich habe ja selber ein paar B-Movies geschrieben und würde es sofort wieder tun. Allerdings hat der Video-Boom der 80er auch viele Leute in die Branche gespült, die entweder nicht das Talent oder das Durchhaltevermögen oder das Glück hatten, dauerhaft erfolgreich zu sein. Die fallen dann wieder raus. Das halte ich für ziemlich normal.

Robots & Dragons: Wie geht man auch im Gespräch mit Charles Band mit den Vorwürfen um, das nicht immer alles kaufmännisch korrekt abgelaufen sein soll? Man kennt die Geschichten auch von Roger Corman, aber im Gegensatz zu Corman scheint Band unter anderem auch mit seinem italienischen Schloss – egal wie günstig er es gekauft hat – in der Hochphase ein wenig abgehoben gewesen zu sein?

Dewi: Das sehe ich nicht so. Das Schloss hat Band als Location in einem Dutzend seiner Filme verwendet und damit sicher gut amortisiert. Er ist ja auch teilweise in Italien aufgewachsen – hat er als erfolgreicher Produzent nicht das Recht, gut zu leben? Was macht ein Schloss in Italien verwerflicher als eine fette Villa in Los Angeles?

Was die „Unkorrektheiten“ angeht: Die werden in verschiedenen Interviews (auch in Band 2) angesprochen. Manche seiner Mitarbeiter sind davon wirklich getroffen, andere nehmen es sportlich. Ich habe mit den Jungs von UFO Entertainment gearbeitet, mit der B-Legende Harry Alan Towers – das sind letztlich alles Zocker, die großzügig verteilen, was da ist, aber bei Problem auch schnell abtauchen und Schecks platzen lassen. Da ist Band meiner Erfahrung nach nicht besser und nicht schlechter.

Robots & Dragons: Auffällig ist, dass viele Filmkritiken unabhängig von den offensichtlichen „Materialmängeln“ eher despektierlich und teilweise veralbernd erscheinen. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise für ein Projekt, das normalerweise sachlich/ distanziert über das Objekt der Begierde berichten soll. Gab es da im Team Meinungsverschiedenheiten? Wie stehst Du zu der Sache?

Dewi: Man muss Charles Band und seine Filme lieben, um so ein Buch zu schreiben. Aber das kann man nur, wenn man eine gehörige Portion Sarkasmus mitbringt. Da waren wir uns auch einig. Für jeden „Re-Animator“ hat er einen „Demonicus“ produziert. Mit den Mitteln klassischer Filmanalyse kommt man da nicht weiter. Mit Humor schon.

Robots & Dragons: Liest man das Buch, dann hat der Leser das Gefühl, als habe Charles Band die Strategien der „Drive In“ Kinos aus den fünfziger/ sechziger Jahren mit auffallend Plakaten undDürftigen Produktionen auf eine neue Stufe gestellt. Gab es Momente, wo man als Autor/Kritiker/Fan nicht mehr eine Band Produktion ansehen konnte oder wollte? Was treibt einen weiter?

Dewi: Die Drive In-Verwandtschaft sehe ich bei den frühen Produktionen bis ca. Mitte der 80er. Danach hat er sich deutlicher an Comic-Universen wie Marvel orientiert. Und natürlich gibt es Zeiten, manchmal sogar über ein Jahr oder zwei, wo man einfach die Schnauze voll hat. Von 1998 bis ca. 2003 hat Band wenig produziert, was ansehbar war. Aber wie bei Marvel lernt man, die Dinge im Kontext zu sehen, gerade weil bei der Karriere von Band die Höhen und Tiefen dazu gehören, das Projekt erst spannend machen.

Robots & Dragons:  Wenn Deine Bücher so kritisiert und angegriffen werden würden, wie ihr die Filme besprochen habt, wie würdest Du empfinden?

Dewi: Genauso, wie ich reagiere, wenn meine Drehbücher, Romane oder Artikel angegriffen werden – wird der Kritiker persönlich, werde ich es auch. Weist er auf Fehler hin, werde ich sie nach Möglichkeit korrigieren. Hat er eine andere Meinung und ist diskussionswillig, diskutiere ich gerne. Will er nur seine Meinung rausplärren, lasse ich ihn. Man kann niemals alle Menschen zufriedenstellen, wir sind selber baff, wie positiv unser Buch aufgenommen wird, vom Fandom, der Presse und den Leuten rund um Band. Der Meister selbst hat den Wälzer – zu unserer Überraschung, denn das war nie geplant – begeistert autorisiert und rührt die Werbetrommel dafür. Dabei kommt er wahrlich nicht immer gut weg.

Robots & Dragons: Spricht das für Charles Band Selbsteinschätzung?

Dewi: Das kann ich schwer beurteilen. Wie die meisten Produzenten kann er mit direkter Kritik nicht gut umgehen, aber ich denke, er findet das Buch als Gesamtwerk fair.

Robots & Dragons:  Zum „Full Moon“ Projekt. Gibt es einen Zeitrahmen? Hattet Ihr schon in den Interviews mit einigen der langjährigen Charles Band Angestellten diese Ära mit angesprochen?

Dewi: Wir haben schon haufenweise Interviews im Sack, denn ursprünglich wollten wir nur ein Buch machen. Da sind ein paar echte Perlen dabei. Im Ideafall erscheint Band 2 Ende 2015. Es ist heute viel leichter, an die Filme zu kommen – auch über Bands eigenen Streaming-Service. Darum sollte es trotz der höheren Zahl an Reviews schneller gehen als bei Band 1. Einige Kapitel, etwas die Kinderfilme von Moonbeam oder die Erotikfilme von Surrender Cinema, werden wir eher als journalistischen Überblickabhandeln, weil sich dort exzessive Einzelreviews nicht lohnen.

Robots & Dragons: Eine Abschlussfrage: vor Dir liegt ein gigantischer Korb voller DVDs mit Charles Band Produktionen aus allen Zeiten. Du darfst Dir aus fünf oder sechs Filmen Elemente raus kopieren – natürlich nur mit entsprechender Zustimmung – und für einen Popcornabend eine „perfekte“ Charles band Produktion zusammenstellen. Wie sähe diese aus?

Dewi: Mit Kumpeln: Trancers, Re-Animator, Dolls, Dr. Mordrid, Robot Wars, Dark Angel. Hätte ich Patenkinder dabei: die Josh Kirby-Reihe. Für den Herrenabend: Huntress und Meridian.

Wir bedanken uns bei Torsten Dewi für das Interview.

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