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Es wurde bereits an anderer Stelle erläutert, was Scott Snyders jüngste Werke auszeichnet und weshalb er mittlerweile eindeutig zu den ganz Großen der Branche gehört. Besagte Ausführungen waren allerdings eher allgemeiner Natur, weshalb in diesem Beitrag noch einmal etwas detaillierter auf seine vielleicht wichtigste inhaltliche Entscheidung in Bezug auf "The Caped Crusader" eingegangen werden kann: seinen Umgang mit den Fledermaus-Antagonisten!
Wer sich nur oberflächlich mit dem The-New-52-Run des Ausnahmeautors beschäftigt hat, könnte jetzt einwenden, dass es nicht wahnsinnig innovativ sei, große Batman-Storys zu erzählen, in denen der Joker Gotham bedroht. Wer sich jedoch die Mühe macht und etwas genauer hinsieht, wird erkennen, dass insbesondere sein Umgang mit einem der ikonischsten Comic-Bösewichte überhaupt beinahe einmalig war.
Dass der “Clown Prince of Crime“ im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht bekam, man ihn aber dennoch ganz eindeutig als Erzfeind des Dunklen Ritters identifizieren konnte, hat daher auch nichts mit Effekthascherei zu tun oder einem Wow-Moment um jeden Preis. Vielmehr hat Snyder es geschafft, der Figur eine neue Seite abzugewinnen, indem er deren unterschiedliche Facetten in einer einzigen Geschichte zu verschiedenen Zeitpunkten hat durchblitzen lassen. Außerdem bestimmte dieser Joker zwar selbstredend die zwei großen Arcs Der Tod der Familie (Death of the Family) und Todesspiel (Endgame), war in der Rückschau betrachtet allerdings im Prinzip dauerpräsent, und sei es nur in Form der Folgen seiner Taten.
Man könnte beinahe so weit gehen, zu sagen, dass Snyder in diesen großen Batman-Storylines aus den Anta- die Protagonisten gemacht hat. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass "The World's Greatest Detective" hier keine wichtige Rolle zukommt - ganz im Gegenteil -, jedoch glänzt er eben primär in den Momenten, in denen seine Kontrahenten etwas mehr glänzen, und das ist schon bemerkenswert.
Natürlich zeichneten auch andere Autoren schon mehrfach für Comics verantwortlich, die die Gegenspieler der Fledermaus sehr gut aussehen ließen (Batman: Hush (Jeph Loeb), Mad Love (Paul Dini/Bruce Timm) oder The Killing Joke (Alan Moore)), aber nur Scott Snyder widmete sich am Stück so vielen Arkham-Stammgästen.
So dreht sich in All-Star Batman 1: Mein schlimmster Feind beispielsweise alles um Two-Face…
Inhalt
Bruce Waynes Alter Ego und der Schurke mit Münze auf einem Höllentrip durch die USA und natürlich ist vollkommen klar, wer dabei die Richtung vorgibt, oder etwa doch nicht?
Während der Dunkle Ritter glaubt, er könne diesmal seinen langjährigen Freund Harvey Dent von dessen dunkler Seite befreien, arbeitet ebendieser in die genau entgegengesetzte Richtung und ruft die Öffentlichkeit dazu auf, ihm bei der Realisierung eines Masterplans zu helfen.
Tatsächlich muss man sich mehrfach fragen, wer angesichts der zahlreichen Wechsel auf dem Fahrersitz im Laufe dieses Abenteuers eigentlich bestimmt, wohin diese Reise geht beziehungsweise ob diese überhaupt ein ansteuerungswürdiges Ziel hat.
Eines ist allerdings klar: dass ungewiss ist, ob die beiden letztlich überleben, da die beiden (nicht zufällig) mehr als einmal in Anatoli Knyazev alias KGBeast oder The Beast einem der berüchtigtsten Kopfgeldjäger des Planeten begegnen.
Zwei Seiten
Wer ist eigentlich die Nummer 2 unter den Batman-Widersachern? Auf diese Frage, die von Fans schon häufig diskutiert wurde und wohl auch in Zukunft noch sehr häufig diskutiert werden wird, gibt es wohl nicht die eine richtige Antwort. Es existieren schlicht zu viele zu gute Bewerber, die berechtigterweise Anspruch auf die Position hinter dem Joker erheben dürfen.
Snyder hat offenbar großen Spaß daran, besagte Debatten immer wieder neu zu entfachen. Dass der Titel dieses Paperbacks Mein schlimmster Find (My Own Worst Enemy) lautet, ist definitiv kein Zufall. Er geht nämlich im Prinzip noch einen Schritt weiter und will Gründe dafür liefern, warum man beispielsweise Two-Face auch für die bedeutendste Unterweltgröße Gothams halten kann.
Er verfährt dabei mit ihm ähnlich wie zuvor schon mit dem On-Off-Freund von Harley Quinn. Der Kritikerliebling arbeitet all das heraus, was die Figur seit jeher auszeichnet und schafft es dennoch abermals, ihr eine ganze neue Seite abzugewinnen, und Seite kann man hier sogar ganz wörtlich nehmen. Die innere Zerrissenheit des Mannes, der vor allem in Batman - The Animated Series dafür bekannt war, ausschließlich schwarz-weiße Anzüge zu tragen, gipfelt darin, dass sich seine Persönlichkeiten diesmal so intensiv bekämpfen wie vielleicht noch nie zuvor. Deshalb handelt Mein schlimmster Feind eben nicht nur von dem Duell Batman versus Two-Face, sondern auch von dem Harvey Dents mit seinen Dämonen. Und über allem steht die Frage: Wer triumphiert am Ende über wen?
Zwei Freunde
All das würde an sich völlig ausreichen, um den Leser bestens zu unterhalten, Scott Snyder wäre jedoch nicht Scott Snyder, wenn er nicht noch einen Schritt weiter gehen würde. Ja, der KGBeast-Strang sorgt noch für etwas Action der Extraklasse, aber - wie gesagt - geht es ihm eindeutig primär darum, dem Rezipienten genau zu erklären, warum der Münzwerfer zu dem geworden ist, den er auf diesen 180 Seiten erlebt, und da ist es eigentlich nur logisch, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.
Man erfährt, wie sich zwei Jungen, die es bis dato nicht gerade leicht im Leben hatten, kennengelernt haben, wie sie zu Freunden wurden, einen Pakt schlossen und erfährt vor allem, dass eventuell schon damals die Chance bestanden hätte, all das Schlimme, was sich viele Jahre später ereignete, zu verhindern. Dass diese Kinder zunächst erst gar nicht den Namen des anderen kannten, ist eventuell sogar der genialste Schachzug des Autors.
Denn schließlich kann man bis heute nicht wirklich sagen, wer Bruce Wayne und Harvey Dent wirklich sind. Jeder hat eine weitere Identität, die sich selbstredend voneinander unterscheiden, allerdings doch nicht so sehr, als dass man nicht dennoch behaupten könnte, dass es sich bei diesen beiden um die zwei Seiten einer Medaille (oder eben Münze) handelt, von denen mindestens eine Kratzer hat.
Fazit
All-Star Batman 1: Mein schlimmster Feind mag den Vorteil haben, dass das, was man in diesem die ersten fünf Einzelheftausgaben enthaltenden Trade erzählt, keinen Beitrag zum Fortgang des Rebirth-Hauptgeschehens leisten muss. Trotzdem muss man solche Freiheiten erst einmal so nutzen, wie es Scott Snyder getan hat.
Selten war man so beeindruckt von Two-Face, der eindeutig im Zentrum der Geschichte steht, diese jedoch nur aufgrund seiner außergewöhnlichen Verbindung zu dem Mann hinter der Maske tragen kann. Erwähnenswert sind zudem die vielen Zeitsprünge, die dazu führen, dass man gelegentlich selbst kurz den Überblick verliert, es einem also ähnlich ergeht wie den Hauptakteuren - Orientierung liefern dann stets die gelegentlich am Bildrand vermerkten zurückgelegten Kilometer (inkusive Ortsangabe).
Bleibenden Eindruck hinterlassen ebenfalls die Zeichnungen von John Romita Jr., der vor allem unter Beweis stellt, wie vielseitig begabt er ist. Die ständigen Schauplatzwechsel, die zahlreichen Figuren, die ausdrucksstarken Gesichter, die häufig im Fokus stehen, all das meistert er spielend. Und deshalb muss man abschließend konstatieren, dass diese die Story bestimmende Dualität auch nicht vor den Kreativ-Verantwortlichen haltmacht, die ein starkes Team bilden.