People of Earth - Kritik zu Star Trek: Discovery 3.03

SPOILER

Die dritte Staffel von Star Trek: Discovery geht mit Episode 3.03 “People of Earth” stark weiter. Das Drehbuch stammt vom Autorenduo Bo Yeon Kim und Erika Lippoldt, und man merkt der Folge die routinierte Führung mit Trek-Verstand von Regisseur Jonathan Frakes an.

Wir wissen nichts

Statt mehrere Folgen lang Burnhams Reise durch mehrere Welten auf der Suche nach Überresten der Föderation und der Discovery zu zeigen, hat man sich für ein schnelles Rückblick-Voice-Over entschieden. Angesichts der knappen Zeit und der geteilten Begeisterung für den Charakter Burnham vermutlich eine gute Entscheidung.

So bekommen alle, die in den ersten beiden Folgen vielleicht nicht ganz so gut zugehört haben, nochmal einen kurzen Abriss: Es ist Sternzeit 865211.3 oder auch das Jahr 3188. Handlungserzählenden Voice-Overs verzeihe ich fast alles, wenn sie mit “Sternzeit 47110815” zu Blicken in den Weltraum eingeleitet werden.

Burnham war das Jahr mit Book als Kurier unterwegs und hat dabei versucht, soviel Informationen wie möglich zu sammeln. 700 Jahre nach den Geschehnissen in Discovery Staffel 2 wurde das Dilithium-Vorkommen knapp. Es wurden alternative Antriebe erforscht, aber nichts konnte so recht überzeugen. Wiederum grob 100-150 Jahre später kam es zum The Burn, bei dem alle aktiven Warpkerne explodiert und dabei Millionen gestorben sind. Niemand weiß so recht, wie das geschehen konnte. Die Föderation ist zerfallen. Und auch hier weiß niemand so recht, wo sich die verbliebene Führung/restliche Sternenflotte und Föderationsmitglieder aufhalten. Immerhin wurde es angesprochen - mal gucken, ob wir am Ende der Staffel Antworten haben.

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You can love someone and still let them go

Die lang erwartete Wiedervereinigung auf der Discovery steckt voller Emotionen - nach großer Wiedersehensfreude (selten eine bessere Umarmung im TV gesehen als von Saru) bekommen auch die problematischeren Gefühle und Folgen der letzten Jahre zumindest ein wenig Raum in der Handlung.

Schon im ersten Gespräch antwortet Saru auf Burnhams Frage, wie es allen so ginge, dass es manchen leichter fällt als anderen, sich an die Situation zu gewöhnen, auch wenn alle dankbar füreinander seien. Mit Tilly wird es nochmal klarer: Zum einen sehen wir sie am Erinnerungsplatz mit den Badges zuletzt gestorbener Kameraden; die Trauer und der Versuch, die Zeitreise zu begreifen geht aber weiter. Sie konnte sich von niemanden verabschieden, alles was sie kannte und die sie jenseits der Discovery liebte, sind schon viele hundert Jahre tot, ganze Leben hat sie nicht mitbekommen. Was hält einen noch, was treibt einen an, weiterzumachen?

Auch Burnham hat sich verändert. Seit Start auf der Discovery ohnehin, aber auch in dem einen Jahr allein. So richtig voll im Sternenflottenmilitärmodus war sie ja ohnehin nie, und das wilde Kurier-Dasein scheint ihr wohl gefallen zu haben. Zumindest braucht sie wieder Zeit, um sich anzupassen - dafür ist ihr Gemüt aber gleich viel angenehmer und leichter. Um das zu erreichen musste sie allerdings eben auch sich an den Gedanken gewöhnen, die Discovery, die Crew, alles, was es von ihrem alten Leben noch gab, nie wieder zu sehen. Innerlich hat sie sich bereits verabschiedet. Mal sehen, ob sie zum Ende der Staffel nicht doch wieder die Discovery verlässt und mit Book durch die Galaxis fliegt.

Adira Crusher von der Space Force

Der Besuch der Erde bleibt ein kurzer. Immerhin sind sie schlau genug, nicht direkt ins unmittelbare Erdumfeld zu springen, sondern etwas entfernter und sich am Saturn entlang anzuschleichen. Neinnein, keine Zeitreisenden mit musealer Supertechnik - wir waren nur sehr, sehr lange auf geheimer Mission und wissen von nichts. Hilft nur minimal: Die Erde hat sich nach dem Burn komplett abgekapselt, die Föderation vom Planeten gebeten und sich verbarrikadiert. Die United Earth Defense Force fackelt nicht lange. Immerhin gibt es eine Warnung und Spontanbesuch, bevor gefeuert wird. Wieso ist die Default-Einstellung eigentlich nicht, dass Leute, die sich unangekündigt zu einem beamen, grundsätzlich erstmal betäubt werden?

Neben Captain Ndoye und einigen namenlosen Kräften der UEDF kommt so auch Adira mit an Bord und geht gleich mal Tilly und Stamets gepflegt auf den Keks. Allerdings beeindruckt sier* insbesondere Stamets auch mit schneller Auffassungsgabe und großen Wissen. Stamets vermutet entsprechend richtig, dass Adira hinter der Sabotage steckt, die die Erdkräfte nicht wieder zurück beamen lässt.

Es stellt sich raus: Adira ist Admiral Tal, der die Botschaft mit der Aufforderung schickte, dass alle, die sich mit der Föderation verbunden fühlen, zur Erde kommen mögen. Es handelt sich um einen Trill-Symbionten, der sich mit Adira einen menschlichen Wirt genommen hat. Theoretisch steckt der Trill-Symbiont voller Wissen all seiner vorherigen Wirte und ohnehin langen Lebens und könnte damit ein entscheidender Schlüssel bei der Lösung der Burn-Frage und dem Verbleiben der Föderation sein. Allerdings kann Adira als Mensch noch nicht auf dieses Wissen zugreifen. Vermutlich wird Adira es über den Verlauf der Staffel weiterhin versuchen und dabei Tilly und Stamets mit Teen-Superhirn-Gebaren nerven.

*Blu del Barrios Geschlechtsidentität ist nichtbinär, also weder weiblich noch männlich. Im Englischen bevorzugt del Barrio die Pronomen they/them und gibt im Interview an, das dies auch für Adira gelte. Im Deutschen gibt es noch kein allgemeingültig bevorzugtes Pronomen für Nichtbinäre, die man schlecht direkt selbst fragen kann. Am verbreitetsten derzeit ist sier/siers, was ich bis auf weiteres nutze, wenn es sich nicht gerade anbietet, den Namen zu verwenden. In der Folge wird über Adria noch als “she” gesprochen, die Geschlechtsidentität soll allerdings in den nächsten Folgen noch thematisiert werden.

We are Starfleet

Immerhin stellt Burnham Georgiou direkt die Frage, was sie überhaupt noch an Bord mache - auch wenn wir darauf keine wirkliche Antwort erhalten. So bleibt die Vermutung: Weil sie praktisch für die Schreiber ist. Diplomatie dauert zu lange. Ein beherzter Tritt, und der Bösewicht wird in guter Scooby-Doo-Manier demaskiert. Natürlich ist auch hier nur ein Mensch darunter.

Diese Tatsache scheint für Captain Ndoye erstaunlich viel zu verändern. Egal welcher Spezies Wen angehört, so bleiben er und seine Crew ja doch die “Space-Piraten”, die die Erde bedrohen und ausrauben. Diese Rahmenhandlung wird ganz wie im guten, alten Trek geregelt: Wir sind die Sternenflotte und helfen euch, miteinander zu reden. Reden hilft. Hört euch doch mal zu. War alles nur großes Mißverständnis, und ihr könnt euch gegenseitig helfen. Jetzt gebt euch die Hand und gut ist. Föderation 2.0 im Kleinen neu gestartet.

Saru ist vorbildlicher Sternenflotten-Captain, für Georgiou zu vorbildlich - ein klein wenig könnte sie damit sogar recht haben, aber Saru hat sich schon enorm entwickelt und kann das sicherlich weiterhin tun. Mit Burnham als Number One hat er eine starke weitere Meinung beratend an seiner Seite (sofern das Vertrauen hält). Natürlich ist es keine Frage, dass ihm diese Position gebührt. Ich bin eher verwundert über seine Verwunderung, dass Michael das gar nicht diskutieren mag. Burnham kam mir jetzt nie so vor, als wollte sie unbedingt Captain sein (jenseits dessen, dass sie ihr eigenes Ding machen will, aber das geht als Captain ja nun auch nur begrenzt).

Passend zu den anfangs erwähnten Anpassungsproblemen der Crew endet die Folge mit einer recht kitschig Szene inklusive Baumumarmung. Lt. Nilsson, Owosekun, Tilly, Rhys und Detmer dürfen sich auf Landgang davon überzeugen, dass manche Dinge Bestand haben - so eben auch ihr Studierbaum an ihrer einstigen Sternenflotten-Ausbildungsstätte. Und die Golden Gate Bridge. Nach anfänglicher Skepsis, ob es diesen pathetischen Abschluss wirklich gebraucht hätte, bin ich doch geneigt zu sagen: ja. Es rundet die Folge ab und lenkt noch einmal die Aufmerksamkeit auf die Crew und das große Ganze. Außerdem passt es zum Stil üblicher Trek-Erzählung. It is our privilege to make this future bright.

Fazit

Star Trek: Discovery scheint sich im Trek-Universum wirklich endlich wohler zu fühlen und liefert mit “Bewohner der Erde” eine vollgepackte Episode, die sowohl eine zufriedenstellende Rahmenhandlung als auch die weitere Beleuchtung der Crew und ihrer Aufarbeitung des bisher Geschehenen bietet. Nicht nur Burnham ist “leichter”, auch alle drei Folgen der Staffel sind in sich schlüssiger und mit der richtigen Menge Humor aufgelockert, als man es bislang von Discovery gewohnt ist.

Am Ende sei noch angemerkt: In nur einer Minute mit Booker/Burnham wird mehr zwischenmenschliche Chemie transportiert als Michael jemals mit Ash Tyler hatte. Owosekun und Detmer gefällt das.

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