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Die Bezeichnung ‘One Trick Pony’ beschreibt jemanden, der nur wenige wirkliche Talente hat, dieses aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Schau stellt. Böse Zungen behaupten, dass der Großteil des Werkes vom Regisseur M. Night Shyamalan eines ebensolchen Musters entspricht. Das war nicht immer so: Die Kritiker waren sich nach hochkarätig besetzten und neuartigen Filmen wie dem Erstling The Sixth Sense (1999) oder Unbreakable (2000) noch allesamt einig, dass es sich bei Shyamalans Arbeit um das Werk eines Genies handeln musste. Der Effekt mit dem großen Überraschungs-Dreh am Ende hatte sich allerdings bald abgenutzt. Shyamalan konnte die Kritiker in der Folge nicht mehr so recht von sich überzeugen.
Eastrail 177-Trilogie: Ein Projekt mit Hindernissen
Nach eher schwachen Einspielergebnissen und geradezu vernichtenden Kritiken für The Happening (2008), Die Legende von Aang (2010) sowie After Earth (2013) konnte Shyamalan den Nimbus des ehemaligen Regie-Wunderkinds, das seine Chance vertan hatte, nicht mehr abschütteln. Nach Unbreakable (2000) und Split (2016) kommt nun mit Glass der letzte Teil der sogenannten Eastrail 177-Trilogie in die Kinos. Shyamalan will mit Glass den großen Bogen zwischen den Figuren seiner Superhelden-Analogie schlagen. Doch der Versuch bleibt trotz streckenweise guter Ansätze leider eher blass.
Handlung: Darum geht es in Glass
19 Jahre nach den Geschehnissen rund um David Dunn (Bruce Willis) und Elijah Price alias Mr. Glass (Samuel L. Jackson) und zwei Jahre, nachdem James McAvoy mit seinen insgesamt 23 Persönlichkeiten als ‘Die Horde’ beziehungsweise Kevin Crumb reihenweise Cheerleader entführt und verspeist hat, treffen die drei Figuren nun aufeinander. Tatsächlich setzt die Handlung nur wenige Wochen nach Split ein. Dunn ist auf der Suche nach den neuesten Opfern von Crumb und kann sie schließlich finden und befreien. Doch bei der Verhaftung wird nicht nur der persönlichkeitsgestörte Entführer eingesperrt. Auch Dunn muss sich Handschellen anlegen lassen - schließlich hat er nicht wenige Zivilisten verfolgt, ist in ihre Häuser eingedrungen und hat sie scheinbar grundlos verprügelt, auch wenn viele von ihnen später ihre Taten gestanden haben. (Wir erinnern uns: Dunn kann das Unrecht und die bösen Taten der Menschen, die er zufällig berührt, erspüren, wie in Unbreakable ausgeführt wurde).
Die beiden werden zusammen mit dem bereits inhaftierten, aber katatonischen Price untersucht. Auftritt der Psychologin Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson, American Horror Story): Sie hat sich auf Wahrnehmungsstörungen für angebliche Superhelden spezialisiert und will dem Trio helfen, sich in der Welt zurechtzufinden, ohne an besondere Kräfte glauben zu müssen. Während der Behandlung kommen Dunns Sohn (erneut verkörpert von Spencer Treat Clark, Unbreakable, Gladiator, Agents of S.H.I.E.L.D.) und Crumbs Entführungsopfer Casey Cooke (Anya Taylor-Joy, Split, The Witch) zur Klinik, um die Inhaftierten zu besuchen oder sich ihnen zu stellen.
Für die weiteren Geschehnisse müsste man eines der Grundregeln eines Shyamalan-Filmes brechen - man müsste einen Teil der großen Auflösung verraten. Im Sinne der Leserschaft verzichtet dieser Text darauf. Eins sei jedoch gesagt: Wirklich überraschend ist keine einzige der Wendungen, die Glass vorhält. Wer in den vergangenen Jahren auch nur ein paar der zahlreichen Live-Action-Superheldenfilme oder gar nur deren Parodien gesehen hat, kann die Handlung von Glass im Schlaf weitererzählen.
Best-Of aus drei Filmen: Shyamalan macht wenig Neues
Leider scheint das dem Regisseur selbst nicht so klar zu sein. Shyamalan holt zwar noch einmal die Best-Of-Darstellungen aus seinen drei Protagonisten heraus - vor allem James McAvoy hat merklich Lust, noch einmal in die Rolle der ‘Horde’ zu schlüpfen. Doch wie auch schon kritische Stimmen bei Split anmerkten, ist die Darstellung der psychischen Krankheit und ihrer Behandlung mit fragwürdigen Methoden nicht unproblematisch. Allzu oft versteigt sich McAvoy in Pointen, die teilweise auf Kosten der Tiefe seiner Figuren gehen, und bekommt dafür auch am meisten Screentime.
Zugleich spielt Bruce Willis den unverletzlichen Helden, der mittlerweile den etwas sperrigen Namen ‘The Overseer’ bekommen hat. Er wirkt dabei leider recht uninteressiert. Die deutlich geringere Anzahl an Spielminuten, die er sich auch noch mit seinem Leinwand-Sohn teilen muss, zeigen wenig Neues. Auch Samuel L. Jackson kommt für einen dritten Teil, der auch noch den Namen seiner Figur trägt, erstaunlich lange nicht im Film vor. Sobald er jedoch die Bühne betritt, gehört sie komplett ihm.
Auch das ist leider eher ein Manko des Films: Die Darsteller kommen eher episodenhaft zusammen, ein wirkliches Zusammenspiel findet kaum statt. Ein generelles Strukturproblem wird hier ebenfalls deutlich - auch wenn es beabsichtigt ist: Jede Figur ist in ihrer Funktion für die Erzählstruktur benannt (und kennt sie auch selbst). Das kann allerdings beizeiten ganz schön nerven. Selbst die sonst so großartige Sarah Paulson kommt hier eher wie eine Karikatur denn wie eine gut ausgebaute Figur daher.
Zweitsichtung empfohlen
Auch ist es empfehlenswert, die ersten beiden vorherigen Filme noch einmal nachzuholen. Bei der Neusichtung wird jedoch noch einmal schmerzlich bewusst, welcher Film der Trilogie der Stärkste war, nämlich leider eben doch der Erstling Unbreakable. Der im Vergleich gnadenlos fast verspätete Glass fügt dem universumseigenen Erzählkanon im Vergleich leider wenig Neues hinzu.
Glass macht hingegen Klammern zu, die nicht dringend hätten geschlossen werden müssen. Vielleicht ist Shyamalans Problem ja nicht, dass er ein 'One Trick Pony' ist, sondern dass ihm mittlerweile das Gefühl für das richtige Timing fehlt. Wäre der Film einige Jahre eher erschienen, würde man ihm so viel mehr verzeihen. Für einen Kinostart 2019 ist das aber leider nicht genug.
Fazit
Wer Unbreakable gemocht hat und Split soweit in Ordnung fand, der wird auch bei Glass eine einigermaßen unterhaltsame Zeit haben. Glass macht wenig wirklich falsch, aber fühlt sich zu wohl in den bekannten Gefilden und wird dabei erwartbarer, als er es sich selbst eingesteht. Neulinge werden bei Glass jedoch keine Freude haben. Und wer wirkliche Superhelden-Meta-Filme mag, wird hier wohl eher enttäuscht. Ihnen sei alternativ eine Neusichtung von Super!, Watchmen oder Kick-Ass empfohlen.