Uwe Voehl präsentiert in „Vampir 13“ die schon aus vorherigen Bänden bekannte Mischung bestehend aus Nachdrucken von Texten, die in den siebziger Jahren unter anderem als eigenständige „Dämonenkiller“ Taschenbücher veröffentlich worden sind und neuen, wahrscheinlich exklusiv für die Sammlung verfassten Texten. Neben Deal Davenports sehr umfangreicher Titelgeschichte wird posthum der zweite Roman des früh verstorbenen Michael Knoke erstmalig abgedruckt. Günther Nawrath hat im Vergleich zu seinen bisherigen Arbeiten eher ein durchschnittliches Titelbild hinzugesteuert.
Bei den exklusiv für diese Sammlung verfassten Geschichten eröffnet Christian Endres mit „Es ist Deine Beerdigung“ die Geschichte. Der melancholische Ich Erzähler in John Constantine Tradition kommt gerade von der würdevollen Verabschiedung inklusiv Beerdigung des besten Runenübersetzers aller Zeiten, als ihm ein weiteres übernatürliches Phänomen quasi auf der Schultern eines Jungen über den Weg läuft. Ein offenes Ende, viel Stimmungsmache und wenig eigentliche Handlung zeichnen dieses literarische Stillleben aus, das Potential für eine vielleicht nicht unbedingt genretypisch originelle Novelle in sich bürgt. Leider wird es nicht gehoben. Unter dieser Schwäche leiden viele der neu verfassten Texte dieser Sammlung.
Ein interessantes plottechnisches „Dreieck“ bilden die Geschichten von Jörg Kleudgen „Traumwehen“, Michael Siefener „Das Haus am Ende der Träume“ und Michael Knokes Novelle „Wiegenlied des Bösen“. Kleudgens und Siefeners Text werden durch spinnenartige Wesen verbunden, Knoke und Siefeners Protagonisten begegnen durch Zufälle ihren speziellen Traumhäusern.
Auf Jörg Kleudgen trifft die Bezeichnung Giger der deutschen Phantastik zu. Seine Texte sind von Stimmungen gekennzeichnet, die rudimentäre Handlung dient als Staffage. Ein Mann wird von seinen Träumen zu einem bizarren Wesen gezogen, das ihn mit mehr als einem Bann belegt. Die von Kleudgen in seinen Geschichten erschaffenen Kreaturen sind eindrucksvoll, handlungstechnisch folgt er allerdings immer wieder zu bekannten Schemata.
In Bezug auf Michael Siefeners zwar stilistisch ansprechend, aber inhaltlich sehr bekannten Mustern folgender Geschichte stellt sich für den Käufer dieser Anthologie unwillkürlich die Frage, ob es in den zahlreichen „Dämonenkiller“ bzw. „Vampir“ Taschenbuchanthologien keine weiteren Schätze zu heben gibt? Ein in eine ihm immer noch fremde Stadt gezogener Mann findet sein „Traumhaus“, das durch einen Garten und die entsprechende Mauer vom Lärm der Großstadt abgeschieden eine Idylle darstellt. Der Mietvertrag wird unter so seltsamen Umständen geschlossen, dass die Naivität des Charakters nicht mehr bemitleidet werden kann. Welches Schicksal ihm droht, ist vom Tag des Einzugs, vielleicht sogar von der ersten Begegnung mit dem eigentlichen Haus an klar. Die Pointe ist keine wirkliche Überraschung. Von einem erfahrenen Autoren wie Michael Siefener erwartet der Leser einfach mehr.
Auch Michael Knokes Novelle „Wiegenlied des Bösen“ folgt sehr bekannten Handlungsmustern. Bis zu seinem viel zu frühen Tod hat sich Michael Knoke als Kurzgeschichtenautor und Verfasser dreier, teilweise in Kleinverlagen erschienener Romane etabliert. Dabei hat er sich als talentierter, ambitionierter aber auch qualitativ schwankender Autor präsentiert. Handlungstechnisch fällt „Wiegenlied des Bösen“ eher in die zweite Schublade. Wie Michael Siefener konnte Michael Knoke aber Schreiben und im Novellenformat auch interessante, wenn auch bodenständige und wenig originelle Charaktere entwickeln.
Ein junges Paar findet durch einen Zufall ihr Traumhaus auf dem Land. Sie kann es für einen besonders günstigen Preis kaufen, wobei – wie es sich für diese Art von Geschichten gehört – die ehemalige Besitzerin vor mehreren Jahren gestorben ist, das Haus entsprechend lange leer gestanden ist und es keinen Schlüssel für einen Raum des Anwesens gibt. Kurz vor dem Einzug wird die junge Frau und kurze Zeit spätere Ehefrau schwanger. Das Haus wird renoviert, wobei die werdende Mutter mehr und mehr unter Alpträumen zu leiden beginnt, die in einem engeren Zusammenhang mit dem Haus stehen. Als sie sich auf die Suche nach dem Verkäufer machen, ist dieser verschwunden. Erst ein Medium hilft ihnen, dem Geheimnis der Vorbesitzerin unter Öffnung des bislang verschlossenen Hauses auf die Spur zu kommen, bevor sich „Rosemarys Baby“ und „Der Exorzist“ während des Showdowns und des obligatorischen wie bekannten Epilogs inhaltlich leider sehr vorhersehbar verbünden.
In Bezug auf Michael Knokes leicht zu lesende, aber inhaltlich zu wenig originelle Novelle gilt leider das Gleiche wie für Michael Siefeners Text. Die Grundidee der Vampir Reihe war einmal gewesen, alte Texte aus den oben bezeichneten Reihen zu heben und behutsam modernisiert einer neuen Lesergeneration zu präsentieren. Die Idee, diese alten Schätze mit neuen Texten in Anthologien zu präsentieren, welche die verschiedenen Strömungen des Genres über einen längeren Zeitraum repräsentieren, ist grundsätzlich nicht schlecht. Nur muss die inhaltliche und nicht die formale Qualität der neuen Texte deutlich gesteigert werden. Gut geschrieben reicht einfach nicht. Insbesondere Siefeners und Knockes Texten fehlt jegliches Überraschungselement, obwohl es den Autoren gelingt, eine manchmal unheilvolle, dann aber auch bedrohliche sowie überzeugende Atmosphäre aufzubauen. Während Knoke die potentiell unheimlichen Vorgänge noch als Angstzustände während der Schwangerschaft für den Leser nachvollziehbar wegdiskutiert, die Fundstücke in dem bislang abgeschlossenen Raum nur auf Okkultismus und nicht Übernatürliches hindeuten und keine Stimmen aus dem Nichts zu „hören“ sind, handelt Siefeners Figur nur noch naiv. Hier fehlt die Erklärung für dieses unlogische Vorgehen. Vielleicht hätte der Autor seine Idee in die Form einer Novelle gießen sollen, um dem Leser mehr Fleisch hinsichtlich des distanziert und absichtlich unscheinbar gestalteten Protagonisten anzubieten.
Die qualitativ beste neue Geschichte ist ohne Frage Malte S. Sembtens „Wanted for Hell“. Ein psychedelischer Neo- Western mit kraftvollen sprachlichen Bildern und einem subversiven Ende, das sehr gut zu den Jonah Hex Comics passen könnte. Die Idee, das die Seelen von erschossenen Verbrechern sich in den Patronenhülsen mit handschriftlich eingravierten Namen befinden könnte, dient als Katalysator einer weniger wilden als exzentrischen Verfolgungsjagd, in deren Verlauf ein ehemaliger Verbrecher und jetziger Priester die Hilfe des Mannes in Anspruch nimmt, der ihn vor vielen Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Ohne mit den Klischees des Western zu spielen erzeugt Malte S. Sembten eine Atmosphäre, die an die dreckigen amerikanischen Spätwestern der siebziger Jahre erinnert. Kein Helden, sondern nur in der Einsamkeit der unendlichen Weiten hart gewordene Männer, unter denen der Teufel buchstäblich reiche Ernte findet. Sembten respektiert die Westernelemente, auch wenn er sie nicht bis zum Ende ernst nimmt.
Christian Montillon aus den kurzlebigen „Schattenreich“ Heftromanen nachgedruckte Erzählung „Fluchbrecher“ unterstreicht, dass er zu Beginn seiner literarischen Karriere, bevor auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen begonnen hat, ohne Frage ein talentierter und pointierter Erzähler gewesen ist. Die Geschichte beginnt absichtlich klischeehaft. Ein Vampir bedroht eine junge Frau. Nur weiß die sich zu wehren und der junge Mann ist kein Vampir. Alle vier Wochen glaubt er, ein Vampir zu sein und vergisst für einen Augenblick seine nähere Vergangenheit. In Wirklichkeit ist seine Frau eine Vampirin, sie wurde im Gegensatz zu ihrem Mann bei einem nächtlichen Überfall ausgewählt. Verzweifelt versucht der Ich- Erzähler ihr mit verschiedenen Zaubern und alten Beschwörungsformeln zu helfen, bevor sie sich zu einer einzigen Möglichkeit entschließen. Auch wenn das Ende der Geschichte eher schwach ist und ein wenig mehr Würze verdient hätte, sind es die humorvoll lustigen und sehr gut geschriebenen Dialoge, die aus diesem kurzweiligen die Vampirklischee parodierenden eine interessante und empfehlenswerte Lektüre machen.
Leider sind die Nachdrucke aus den siebziger Jahren in der Minderheit. Aus der Feder des 2012 verstorbenen Kurt Luif alias Neal Davenports stammt das „Dämonenkiller“ Taschenbuch 43 „Der Fluch der Hexe“, welcher dieser Sammlung auch ihren Titel gegeben hat.
Eric Weber müsste es eigentlich gut gehen. Mitte zwanzig Sohn vermögender Eltern hat er nach deren Tod ihre Fabrik geerbt. Dass es ihm nicht mehr lange gut gehen wird, macht der Prolog schon deutlich. Das Kind Isidoras wird als Wechselbalg gegen ein bei der Geburt verstorbenes Kind getauscht. Die Mutter darf den Säugling nicht einmal mehr ansehen. In der Gegenwart beginnt eine unglaubliche Pechsträhne für Eric Weber. Beim Pferderennen verletzt sich sein Pferd, als es gerade zum Siegspurt ansetzt. Seine neue Kollektion wird von den Kunden abgelehnt. Ihn erreicht ein Drohbrief, der ihn zum Verlassen Deutschlands und am besten Europas auffordert, sonst droht ihm Gefahr. Seine Freundin hat inzwischen einen neuen Freund, von dem er nichts ahnt. In der zweiten Runde brennt nachts seine Fabrik ab und alle Indizien deuten auf Brandstiftung, was eine Zahlung der Versicherungssumme über eine Millionen DM fast mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließt. Die in Frage kommende Zeit hat Eric Weber mit einem Blackout in seinem Wagen verbracht, nachdem er eine unsichtbare Stimme kichern gehört hat. Nach dem nächsten Blackout steht er blutüberströmt in der Wohnung seiner ehemaligen Freundin, die erschlagen in ihrem Schlafzimmer liegt. Die Polizei nimmt ihn als Verdächtigen fest, zumal es keine Zeugen gibt, die eine einzige seiner Aussagen hinsichtlich seiner Aktivitäten dieses Tages bestätigen kann. Unter den potentiellen Zeugen sind auch Tilly und Axel Melhardt. Wie in der Wirklichkeit betreibt Axel Melhardt das Jazzland. In der Science Fiction Szene ist er als Fan, Fanzine- Herausgeber, Übersetzer und Mitglied des Wiener Science Fiction Stammtisches bekannt.
Eric Webers Pechsträhne scheint sich erst zu wenden, als er seine Pflichtverteidigerin kennenlernt. Eine sehr attraktive Frau, die mehr über ihn zu wissen scheint, als er selbst.
Neal Davenports „Der Fluch der Hexe“ ist selbst fast 35 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung eine unterhaltsame Lektüre. Bunt mischt der Autor das alte Ägypten mit den Imhoteps in eine Dämonengeschichte. Die Imhoteps als mächtigste Familie haben das Gleichgewicht zwischen den Dämonenfamilien aufrecht erhalten. Die Vanessa Sippe versucht das Machtmonopol der schon in Ägypten herrschenden Imhoteps zu brechen und machten Jagd auf alle Mitglieder der Vanessa Familie. Nur das Wechselbalg Eric Weber konnte bislang ihren Fängen entkommen. Durch einen Zufall haben die Vanessas von seiner wahren Identität Kenntnis genommen und versuchen ihn auszuschalten. Weber selbst muss nach Sakkara gehen, um dort an Imhoteps Grab dessen magische Fähigkeiten aufzunehmen. Die erste Hälfte des Romans besteht im Grunde aus einer klassischen vordergründigen „Fluch“ Geschichte. Eric Weber zieht das Unglück wie magisch an, wobei Neal Davenport mit fast sadistischen Vergnügen seine nicht unbedingt sympathische Figur demontiert. Erst im letzten Drittel gewinnt er an Format. Die zweite Hälfte des Buches besteht aus einer fast klassisch zu nennenden Abenteuergeschichte vor einem damals noch exotischeren Hintergrund.
Es finden sich einige unerklärliche Science Fiction Elemente und die Idee, das bisher erfahrene noch einmal auf den Kopf zu stellen wird konsequent, am Ende aber stark konstruiert umgesetzt. Wenn die normale Plotentwicklung nicht mehr hilft, verfügen insbesondere die potentiell „Guten“ über magische Kräfte, die Wunden heilen lassen können oder die Schwerkraft durch einen Levitationszauber aufheben. Gegen Ende des geradlinig und realistisch humorlos erzählten Plots wirkt manches angesichts der langen Exposition in der ersten Hälfte überhastet abgeschlossen und einige Szenen stark konstruiert, aber als abwechselungsreicher Horror Abenteuerroman inklusiv eines Hauches „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ Sadismus überzeugt diese unterhaltsam geschriebene Geschichte ohne Frage.Ernst Vlceks Horrorgeschichte leidet oder profitiert weniger vom langen Einfluss des „Exorzisten“, der bis in die achtziger Jahre reicht, sondern funktioniert als Science Fantasy Geschichte fast noch besser. Anna ist Redakteurin einer Boulevardillustrierten. Sie wird von der neuen Freundin ihres Verflossenen angerufen und um Hilfe gebeten. Dieser hat als Unterhaltungsschriftsteller Karriere macht. Im Mittelpunkt seines Werkes steht ein erdachtes Land, in das er mittels Dimensionsüberschreitung geflohen sein könnte. Seine jetzige Freundin droht angesichts dieser Ereignisse den Verstand zu verlieren. Ernst Vlcek beginnt seine kurzweilige Erzählung in einem frechen, fast ironischen Erzählstil, bevor die Atmosphäre der Geschichte immer beklemmender wird. Dabei lässt der Autor es offen, ob der Schriftsteller wirklich in diese potentielle Parallelwelt geflohen ist, die er für sich erschaffen hat. Die Figuren sind bodenständig solide gezeichnet, die Dialoge pointiert und der Spannungsaufbau entwickelt sich ansprechend. Keine herausragende Horrorkurzgeschichte Vlceks, aber eine interessante, auch heute noch lesenswerte Story, die inhaltlich eher an der Oberfläche kratzt und über sehr viel mehr Potential verfügt als Vlcek bereit ist, auf den knapp vierzig Seiten zu erzählen.
In erster Linie werden dem Leser bei den neueren Geschichten eine Reihe von Ideen bekannt vorkommen. Diese mehrmals mangelnde Originalität kann nur teilweise durch Montillons oder Sembtens Texte ausgeglichen werden. Die beiden Nachdrucke Vlceks und Davenports aus den siebziger Jahren können ohne Frage zu den Höhepunkten einer stilistisch überdurchschnittlichen Sammlung von Grusel bzw. Horrorgeschichten.
Uwe Voehl, "Vampir 13- Fluch der Hexe", 376 Seiten
Anthologie, Softcover, Zaubermond Verlag