"Kalt wie Stahl" - im Original vielleicht noch treffender "Hard as Nails" tituliert - ist der dritte und letzte Band von Dan Simmons Joe Kurtz Trilogie. Obwohl Dan Simmons ein überdurchschnittlicher und versierter Autor ist, litt schon der zweite Band der Serie unter Ermüdungserscheinungen und einem zu wenig befriedigenden Ende. Alleine mit Gewalt lassen sich nicht alle Fälle lösen. Erstaunlicherweise und leider auch enttäuschend ist das Ende des vorliegenden Romans nicht nur das Schwächste der ganzen Trilogie, Dan Simmons würgt den Fall mit einer letzten Gewalteruption förmlich ab. Diese "Deus Ex Machina" Lösung ist in zweifacher Hinsicht enttäuschend. Erstens ist es der Abschluss dieser Trilogie, vielmehr folgt es auf den gelungenen Beginn des Romans, in dem Kurtz zusammen mit seinem Bewährungshelfer schwer verwundet werden. Getreu seiner "Unverwundbarkeit" kritisiert Kurtz das amerikanische Gesundheitssystem, in dem er sich nicht dem Arzt anvertraut, sondern das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlässt, sich mit Schmerzmitteln vollpumpt und schließlich nach den Tätern Ausschau hält. Schon die ersten beiden Romane der Serie haben bewiesen, dass Kurtz mehr als einen Feind hat.
Hier liegt vielleicht eines der Probleme des vorliegenden Romans. Kurtz hat sich derartig viele Feinde gemacht, dass der Leser genau wie der Protagonist schon bald einen Überblick hinsichtlich der Motive verliert.
Zumindest impliziert Dan Simmons, das nicht unbedingt Kurtz das alleinige Opfer sein könnte. Aber dieser rote Faden wird genauso schnell fallen gelassen wie die Tatsache ignoriert, dass die beiden Attentäter Profis sind. Dass sie ihre Opfer schwer verletzt zurück lassen, obwohl die Möglichkeit bestanden hat, die Tat zu vollenden, ist der erste Kompromis, den Dan Simmons eingeht.
Bei Kurtz folgenden Ermittlungen folgt der Autor zu sehr dem Schema F. Kurtz ist ein aggressiver, aber hoch intelligenter Mann, der Antworten zu provozieren sucht. Einige dieser Reaktionen wirken aufgesetzt, bei anderen scheinen Aktion und Reaktion übertrieben. Dan Simmons bemüht sich, in der ersten Hälfte des Romans fast überambitioniert falsche Spuren zu legen. Dabei verliert er einen der wichtigsten Aspekte des "Hardboiled" Krimis aus den Augen: Realismus. Insbesondere im Auftaktroman mit dem aus dem Gefängnis entlassenen Kurtz, der auf eigene Faust ermittelt, gelang es Dan Simmons, einen überzeugenden Hintergrund zu erschaffen, der nur von wenigen "überdimensional" gestalteten Protagonisten belebt worden ist. In erster Linie die finale, aber überzeugende Konfrontation rückten den Thriller näher an Frank Millers "Sin City" Geschichten heran. Diese Grenze überschritt der zweite Band der Trilogie deutlich mehr. Ein Mensch kann nur bis zu einem gewissen Grad einstecken. Ansonsten wirkt die Stallone/ Schwarzenegger Formel unrealistisch und übertrieben. In "Kalt wie Stahl" geht diesen unnötigen Schritt weiter. Zu viele Feinde zu eindimensional gezeichnet. Dazwischen findet sich ein Auftragskiller auf der Suche nach seinem Opfer. Diese Idee ist für die Trilogie nicht neu. Auch die Anlehnung an das Mafia Milieu ist keine Innovation. Das Problem ist nur, dass Dan Simmons zu viel in den Plot zu packen sucht und stellenweise auch den Überblick verliert. Die einzelnen Figuren vermischen sich unfreiwillig und ihre Motive/ Hintergründe bleiben so oberflächlich beschrieben, dass sie unwichtig werden.
Auch Dan Simmons kümmert sich zu wenig um den eigentlichen Plot, denn mit der letzten, natürlich sehr gewalttätigen Konfrontation wird die ganze Handlung abrupt beendet. Vor allem, weil die Grundidee des Plots nicht neu ist. Zwei verfeindete Mafiafamilien versuchen Kurtz anzuheuern, damit er herausfindet, wer ihre besten Leute umbringt. Das sich diese „Jagd“ mit den eigenen Motiven verbindet, ist selbst verständlich. Aber wie oft in Filmen wie „Sanjuro“ oder „Für eine Handvoll Dollar“ hat der Leser diese Grundprämisse gelesen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass es anscheinend niemand anders gibt, der Kurtz Qualität erreicht. Das erscheint unwahrscheinlich.
Auch die Zeichnung der Figuren wirkt zu ambivalent. Zum einen muss der Leser akzeptieren, dass Kurtz übermenschliches einstecken kann. Zu oft ist er im Rahmen dieser Serie verwundet worden. Zugegeben, in keinem Roman mehr und hinterhältiger als im vorliegenden dritten Band, aber ein wenig Realismus hätte besser getan. Auch stellt sich erstaunlicherweise an keiner Stelle die Frage, ob Kurtz – von dem kurzen Krankenhausaufenthalt zu Beginn abgesehen – an diesen Verletzungen sterben könnte. Dan Simmons geht in seinen Beschreibungen routiniert an den Rand der Glaubwürdigkeit, aber niemals einen Schritt darüber hinaus. Auf der anderen Seite versucht Simmons seiner Figur etwas mehr Menschlichkeit zu geben. Er nimmt wieder Kontakt zu seiner Tochter auf. Weit entfernt, eine Vaterfigur zu sein oder gar zu werden, gibt es in einigen wenigen ruhigen Passagen kurze Gespräche mit seiner Tochter. Hier liegt vielleicht die größte Schwäche oder je nach Perspektive auch größte Stärke des Buches. Kurtz hat nichts zu verlieren und so geht er in allen drei Fällen vor. Auf der anderen Seite hat zum Beispiel Andrew Vacchs in seiner langlaufenden „Burke“ Serie mehrfach bewiesen, dass selbst der härteste Rächer eine Art privates Gegengewicht braucht. Daher befriedigen Vacchs Romane deutlich mehr. Da hilft es auch nicht, dass der Autor aus Joe Kurtz das Kind einer Hure und eines Diebes macht. Das ist vielleicht sogar zu viel Klischee, um letztendlich glaubwürdig zu erscheinen.
Auf der anderen Seite taucht eine ehemalige Freundin von Kurtz auf, die als Polizistin mit ihrem Partner dem verwundeten Ermittler das Leben schwer macht. In dieser Hinsicht gehört zu den stärksten Ideen der ganzen Serie, dass Kurtz ja keine Waffen tragen darf und deswegen sich immer wieder etwas einfallen lassen muss, um nicht aufzufallen. Hinsichtlich der Antagonisten macht es sich Dan Simmons zu einfach. Insbesondere die Attentäter selbst werden zu eindimensional und zu schematisch beschrieben. Das gipfelt in der mehrfach angesprochenen zu simpel angelegten finalen Konfrontation, in welcher – damit der Plot abgeschlossen werden kann – die Feinde in Form eines exzentrischen, zu comichaften professionellen Attentäters Fehler machen müssen.
Trotz dieser zahlreichen Schwächen – insbesondere im Vergleich zum ersten Roman der Trilogie – spricht „Kalt wie Stahl“ Fans der Serie an. Dan Simmons geht auf Nummer sicher und präsentiert neben pointierten Dialogen harte Actionszenen mit einem Hang zur Machoübertreibung. Plottechnisch hätte der Stoff origineller sein können. Immer am Rande des Klischees zieht der Autor bis auf das Ende rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge. Es empfiehlt sich natürlich, die Serie mit dem Auftaktroman zu beginnen, da zu viele Kleinigkeiten bezugnehmend ohne weitere Erklärungen in diesen Abschlussband eingefügt worden sind. Aber „Kalt wie Stahl“ zeigt auch nachdrücklich, das Dan Simmons mit dieser Trilogie das Optimum aus einem nicht sehr variablen Stoff herausgeholt hat und die Ermüdungszeichnen unübersehbar sind.
Auflage: | Deutsche Erstausgabe |
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Buchseiten: | 448 Seiten |
Ausführung: | Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik |
Format: | 20 x 12,5 cm |
ISBN: | 978-3-86552-230-6 |
Originaltitel: | Hard as Nails |
Übersetzung von: | Manfred Sanders |