Conan- Schatten im Mondlicht

Virginie Augustin

Die Comickünstlerin Virginie Augustin nimmt sich alleine der auf den ersten Blick eher zweitklassigen Novellen Robert E. Howards zur Brust. Sie hat sie adaptiert, gezeichnet und vor allem auch mit dunklen schweren Farben in den mystisch übernatürlichen, aber auch fast kitschig bunten realistischen Strichen in den ruhigen Szenen koloriert.

 In seinem informativen Nachwort geht Herausgeber Patrice Louinet auf die Bedeutung dieser Geschichte nicht nur für Howard, sondern auch sein Magazin „Weird Tales“ ein. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise bedeutete „Weird Tales“ für einige Jahre Howards einzige kontinuierliche Einkommensquelle. Seine Conan Geschichten wurden immer populärer und Robert E. Howard begann sie nach bekannten, wenn auch markanten Mustern zu verfassen. Trotzdem dauerte es fast zwei Jahre zwischen dem Ankauf im November 1932 und der Veröffentlichung ohne Titelbild erst im April 1934. Bezahlt wurde Howard erst bei Erscheinen der Geschichte.

 Ob die wirtschaftlichen Zwänge oder die stetig wachsende Begierde, den Pulps zu erwachsen und bessere Literatur dazu geführt haben, dass vor allem die späten „Conan“ Geschichten nicht mehr den Flair der ersten Arbeiten erreichten, ist im Grunde zweitrangig. Robert E. Howard hat sich weiterhin auf ein hohes Tempo mit exotischen Schauplätzen, leicht bekleideten Frauen in Not und blutigen Kämpfen konzentriert. Obwohl alle Versatzstücke einer klassischen, vielleicht auch klischeehaften „Conan“ Handlung nicht nur einmal, sondern mehrfach vorhanden sind, fällt es schwer, die Geschichte selbst trotz Virgine Augustins ausdrucksstarker Comickunst als gänzlich zufrieden stellend anzusehen.

 Grundsätzlich ist die Handlung in wenigen Worten zusammenzufassen. Conan hat mit einigen Banditen die Grenzen eines orientalisch anmuteten Staates unsicher gemacht. Die Söldner sind in einen Hinterhalt gelaufen und wurden bis auf den Barbaren, der sich in einem Sumpf versteckt hat, niedergemetzelt. Im Sumpf kann er eine flüchtende Prinzessin vor dem Anführer seiner Feinde retten und diesen töten. Gemeinsam fliehen sie mit einem Boot und landen auf einer abgeschiedenen Insel, wo sich nicht nur alte Tempelanlagen befinden.

 Von den Versatzstücken hat der Autor im Rahmen seines Werkes in die Vollen gegriffen. Blutige Duelle zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Geschichte. Auch wenn Conan jedes Mal auf eine Art und Weise gewinnt, die seine barbarischen Instinkte mit seiner Kraft und Geschmeidigkeit vereinigen, ist er nicht immer der Sieger. Gegen die dekadente Zivilisation und eine Bestie kann er sich durchsetzen; ein Piratenehrenwort gibt es in dieser Welt nicht mehr.

Geheimnisvolle Tempel mit Schrecken von Jenseits des Grabes finden sich nicht nur in der Wüste, sondern auch auf einer abgeschiedenen Insel. Auch hier vertraut Conan zu sehr seinen Instinkten und gerät in Lebensgefahr.

Der Kampf gegen das Monster, das von der Schönheit angezogen worden ist, erinnert ein wenig zu sehr an King Kong. Auch da befand sich das Monster auf einer einsam gelegenen Insel mit alten Hinterlassenschaften, allerdings abgetrennt durch eine Mauer. Zwischen dem Ankauf der Geschichte und der Veröffentlichung entwickelte sich „King Kong und die weiße Frau“ zu einem Kassenschlager. Im letzten Drittel der Geschichte erscheinen die implizierten Ähnlichkeiten fast zu deckungsgleich, um gänzlich ein Zufall zu sein.

 Am Ende kann Conan eine Niederlage in einen Sieg umwandeln und mit dem Piratenschiff beginnt ein neues Kapitel seines Lebens, wobei er dieses Mal die blaue See unsicher macht. Es ist interessant, das der finale Konflikt mit den im Wasser schwimmenden überlebenden Piraten genau viel Raum einnimmt wie die letzten beiden Auseinandersetzungen auf der Insel. Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als wolle Howard noch einmal durchatmen, sich von seinem Protagonisten verabschieden, bevor er diesen Abschnitt im Leben des Barbaren beendet.

 Patrice Louinets Nachwort deutet neben einigen historischen Querverweisen an, dass Robert E. Howard mehr und mehr an Conans Persönlichkeit herumschraubt. Er ist ein Barbar, ein Söldner, ein Mann des Schwerts. Aber er verfügt auch über mehr Ehre als die Adligen der dekadenten Zivilisationen. Seine Kämpfe sind blutig und brutal, aber niemals unfair. Für ihn gilt das gesprochene Wort. Er würde nie eine Frau gegen ihren Willen schänden, sie kann sich ein wenig zieren, wird aber dann von Conans Männlichkeit förmlich „übermannt“. Voller Abscheu erfährt er, dass die orientalischen Gesellschaften und ihre Adligen ihre Kinder/ Töchter zwangsverheiraten und sich nicht um das Schicksal der Mädchen kümmern. Virgine Augustin fasst das in wenigen eindrucksvollen Szenen zusammen. Mit der Prinzessin Olivia bauen Howard und Augustin eine willensstarke Frau in die Handlung ein, die zweimal Conan vor dem sicheren, im Grunde selbstverschuldeten Tod retten muss. Dafür darf sie am Ende der Geschichte an seiner Seite stehen.

Olivia ist noch keine rote Sonja oder wie die Königin der schwarzen Küste eine vollblütige Frau, die ihren Mann gestanden hat. Ihr bliebt im Rahmen der Geschichte nur übrig, ihr eigenes Leben zu retten und auf die Situationen zu reagieren. Dabei behandelt sie Conan als einziges männliches Wesen der Geschichte wie eine Frau und nicht eine Sklavin oder Hure. Kein Wunder, das sie dem Barbaren trotz seiner anfänglich schmutzigen Erscheinung und seinem fast stumpfen Wesen mehr vertraut als den Höflingen.

Einige Wendungen wirken in dieser Konstellation und vor allem der für eine Comicadaption notwendigen Dichte auch konstruiert. In der zugrunde liegenden Novelle läuft die Handlung auch ausgesprochen rasant und schnell ab, aber Howard hat ein wenig mehr Zeit, Conans Charakter nuancierter und entschlossener darzustellen.

So interessant Olivia als Frau ist, so wenig findet Virgine Augustin Zugang zu Howards Conan. Seine körperlichen Eigenschaften sind vorhanden, sein Mut, seiner Kraft und vor allem seine Entschlossenheit, gegen alle natürlichen und übernatürlichen Feinde anzutreten. Aber Howards Conan ist mehr als ein Barbar. Er ist das Ende der alten Zeit und gleichzeitig auch der Beginn der neuen Zeit. Einer Zivilisation, die auf Blut gegründet worden ist. Virgine Augustins Conan bleibt dem Leser fremd. Er wirkt fast unbelehrbar und macht zweimal den gleichen Fehler im Laufe der Geschichte, in dem er trotz aller Erfahrungen das Übernatürliche ignoriert.

Auch wirkt der Plot gegen Ende genau wie in Howards Geschichte zu gedrängt. Zu viele Ideen haben zu wenig Platz und Augustin wie Howards spielen die Spannungskurve nicht zu Ende, sondern springen fast zu abrupt zur nächsten Herausforderung.

 Bedenk der Leser zusätzlich, das sich fast Zweidrittel der Geschichte auf einer Insel abspielen, die eher an Stevensons „Schatzinsel“ denn Howards wildes Reich erinnert, dann wünscht sich der Leser, das weniger mehr gewesen wäre. Bei anderen Arbeiten hat Howard die Hintergründe seiner vor vielen Äonen untergegangenen inzwischen mystischen Reiche herausgearbeitet. Hier bleibt in dieser Hinsicht vieles unausgesprochen und deswegen vielleicht weniger bedrohlich als es die über weite Strecken gute Exposition verdient hätte.

 Unabhängig von diesen Schwächen ist „Schatten im Mondlicht“ im Kern ein Sammelbecken vieler Conan Geschichten, die komprimiert und auf das Wesentlich eingedampft hier auf einer isoliert liegenden Insel sich abspielen. Die Novelle ist kein idealer Einstieg in „Conans“ barbarische Welt. Dazu setzen Virgine Augustin und Robert E. Howard zu viel voraus, aber es ist eine solide Geschichte, die dank ihrer stimmigen Zeichnungen zu einem modernen und doch dem Original Respekt zollenden Leben erwacht.

Conan der Cimmerier: Schatten im Mondlicht

  • Gebundene Ausgabe: 64 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1. (22. November 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962192077
  • ISBN-13: 978-3962192075
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