It came from the 80s

Francesco Borseti

In Anlehnung an die inzwischen zahlreichen Interviewbände Tom Weavers ist der Italiener Francesco Borseti auf die achtziger Jahre und ihren Übergang vom Exploitationkino zur schnellen Vermarktung auf VHS Videocassette aufmerksam geworden. Für die insgesamt achtundzwanzig Filme hat er nicht mit 124 Cult Filmmakers gesprochen, sondern insgesamt 124 Interviews mit an der Produktion beteiligten Personen beginnend nicht selten mit den Drehbuchautoren über Produzenten, Kameraleute, Schauspieler und schließlich auch den Regisseuren. Der Autor macht in seinem kurzen Vorwort klar, dass „It came from the 80s“ keine kritische Studie dieser Filme sein soll.  Wenn die Befragten nicht selbst die Reaktionen von Fachmagazinen erwähnen, dann findet keine kritische Reflektion statt. Diese Vorgehensweise ist angesichts der Qualität einiger der hier vorgestellten Streifen auch verständlich. Alle Interviews fanden über einen Zeitraum von mehreren Jahren in klassischer Frage und Antwort Manier statt. Die Antworten sind dann von Francesco Borseti zusammengefasst und als Text veröffentlicht worden. Dadurch erscheinen sie viel lesbarer. Wiederholungen konnten teilweise eliminiert werden. Auf der anderen Seite stehen jetzt aber auch konträre Antworten unkommentiert gegenüber. Da der Autor nicht immer bei einem Thema bleiben konnte und der Versuchung unterlegen ist, auch auf andere Filme auszuweichen, wirken die einzelnen Interviewpassagen ein wenig ausufernd und nicht fokussiert genug.  Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, bei einzelnen Filmen – die ersten beiden vorgestellten Filme „Blood Frenzy“ und „Blue Monkey“ sind die besten Beispiele – die Interviews zu einem kontinuierlichen Artikel zusammenzufassen und die einzelnen Antworten besser gegenüberzustellen. So gibt es keine Erläuterungen, welches Budget „Blood Frenzy“ nun wirklich gehabt hat, während „Blue Monkey“ irgendwo zwischen unter einer Millionen US Dollar und 3 Millionen kanadischen Dollar gekostet hat. Vor allem „Blood Frenzy“ ist auch in anderer Hinsicht eine gute Einleitung zu den stärksten Passagen dieses Buches.

In den fünfziger und sechziger Jahren dominierten sie nicht selten die Drive In. Die heute lieb gewonnenen B- Filme. In den siebziger Jahren begann auch durch die Internationalisierung der Konkurrenzkampf. Ganz bewusst konzentriert sich der Italiener auf den amerikanischen Markt, in dem das Heimkino sich sehr viel schneller durchsetzte als zum Beispiel in Europa. Spätestens mit dem Niedergang von Roger Cormans „New World“ – es ist eines der wenigen Bücher über B- Filme, in dem Cormans Namen nicht auf jeder Seite erwähnt wird – und dem kurzzeitigen Aufstieg von Charles Band und seinen diversen Produktionsfirmen veränderte sich der Markt. „Blood Frenzy“ ist in mehrfacher Hinsicht ein Novum. Da der Produzent vorher Pornos gedreht hat, kam er in die Mühlen der kalifornischen Justiz, die das Inszenieren von Pornos ebenfalls als eine Art Zuhälterei gesehen haben. Der lange Kampf gegen die Bürokraten nimmt fast mehr Raum als die eigentliche Produktion des Films ein und macht den vorliegenden Band zu einem in mehrfacher Hinsicht interessantem Zeitdokument.

Wie unterschiedlich die Produktionsbedingungen der Filme gewesen sind, zeigt sich an dem Kontrast zwischen dem nicht zuletzt dank der Steuermodelle großzügiger finanzierten „Blue Monkey“, dessen Produktion aber immer noch sehr chaotisch erschienen ist und den mit heißer Nadel gestrickten Budgets für „Blood Frenzy“ oder „Cavegirl“.  In dieser Reihe könnten sich Filme wie „Ghost Town“ mischen, in denen Charles Band seinen Leuten freie Hand gelassen hat. Es ist natürlich schwierig, jede der Antworten ernst zu nehmen, aber viele der Schauspieler, Drehbuchautoren und teilweise Regisseure zeichnet eine humorvolle Ader aus. Sie blicken ja nicht zuletzt wie viele Leser auf ihre eigene Jugend und nicht zu vergessen den Beginn von teilweise eindrucksvollen Karrieren zurück. Es fehlt der Ton des Bedauerns. Nur wenige schämen sich hinsichtlich der Filme, die sie abgeliefert haben. Aber immer spielt auch der Gedanke eine wichtige Rolle, der Faszination des Mediums Film in einer Zeit erlegen zu sein, in der nicht die Trickeffekte auf Knopfdruck aus dem Computer gekommen sind.  Die Interviewten bemühen sich, authentische Eindrücke von den Sets zu vermitteln. Wer das Buch von vorne bis hinten durchliest, wird feststellen, dass ein Wing Hauser bei „The Carpenter“ sich genauso exzentrisch zurück gezogen zwischen den Takes verhalten hat wie Anthony Perkins bei Harry Alan Towers „Edge of Sanity“.  Die Zielpersonen der Interviews sind vor allem die Menschen, die es in Hollywood nicht einmal in die mittlere Etage geschafft haben, auf der sich gut leben lässt. Dadurch wirken vor allem einige der längeren Antworten fast schon wie Lebensläufe mit einer kurzen Vorstellung sowie einem abschließenden Lebensfazit, in dem sie über ihre inzwischen bürgerlichen Berufe berichten. Grundsätzlich nichts verkehrtes, da sie viel über die einzelnen Filme zu berichten haben. Aber da diese langen zusammengefassten Antworten nicht selten am Beginn einer Filmvorstellung stehen, wird der Leser anschließend auch wieder aus dieser Illusion herausgerissen.

 Es sind persönliche Antworten.  Nicht selten aus der ausschließlich subjektiven Perspektive erzählt. Fakten zu den Produktionen verschwimmen nicht selten durch die vergangene Zeit, während viele inzwischen verstorbene anscheinend liebe Menschen respektvoll zumindest erwähnt werden. Viele der Produktionen wirken durch diese Antworten auch wie Schicksalsgemeinschaften, in denen junge Menschen ihre Hoffnung auf eine glorreiche Hollywoodkarriere auf die eine oder andere Art verewigt haben.

Auf der anderen Seite fordert Borseti seine Leser auf, vor den Interviews die entsprechenden Filme wahrscheinlich für die meisten Leser noch mal und nur eine Minderheit zum ersten Mal anzusehen. Diese Vorgehensweise ist nachvollziehbar, da die Interviews nach nur einer sehr kurzen inhaltlichen Zusammenfassung, aber den entsprechend vollständigen Credits gleich ins Eingemachte gehen. Bei „Cavegirl“ berichten alle Befragten nur direkt oder indirekt von den Dreharbeiten und niemand geht auf die Produktionsgeschichte ein. Bei „Edge of Sanity“ vermischen sich die wahren und unwahren Angaben, bis der Leser der Interviews durch die aufeinander treffenden Meinungen nicht mehr herausfinden kann, was stimmt und was von den Beteiligten dazu erfunden worden ist. Das betrifft vor allem Schauspieler und Arbeiter hinter der Kamera, die sich entweder nicht mehr wehren können oder nicht befragt worden sind. Dadurch entsteht ein aus Kontrasten bestehendes uneinheitliches Bild, das zumindest bei dieser Harry Allan Towers Produktion auch dem Chaos auf der Leinwand entspricht. Ob sich wirklich jemand die angesprochenen Filme noch einmal anschauen möchte, bevor er in diese verbale cineastische Geschichte des Wandels einsteigt, bleibt ihm überlassen. Es sind weniger Exkurse wie bei „Ghost Town“  in Richtung der schließlich umgeschriebenen wie unbekannten Produktion „Subspecies“, die den Reiz dieses Beitrages ausmachen, sondern die Interviews stellen eine Ergänzung zu dem zumindest in Hinblick auf die Charles Band Produktionen empfehlenswerten Band „Empire of the Bs“ dar, in dem die unglaublich vielen Filmen im Mittelpunkt stehen, welche die Bands über einen Zeitraum von zwanzig Jahren beginnend in den siebziger und endend in den frühen neunziger auf den meistens Videomarkt geworfen haben. Beide Bücher covern das gleiche Subgenre mit einem Schwerpunkt auf Fantasy, Science Fiction und Horrorproduktionen, sowie vor allem die gleiche Zeit und ergänzen sich aufgrund ihrer so natürlichen wie unterschiedlichen Ansätze perfekt. Vor allem ist es auch ein historisches, von der Chronologie unabhängiges Dokument eines sich verändernden Marktes.  Da wäre der Übergang vom Kino zur ausschließlichen Heimverwertung. Während Corman eher zögerlich auf diesen Übergang reagierte und seine alten Filme auswertete, schloss Charles Band mit Paramount einen Produktionsdeal, der für einen kontinuierlichen Nachschub an Filmen mit einem Budget von bis zu einer Millionen Dollar egal in welcher Währung sorgte. Exemplarisch lässt sich diese Veränderung auch an den teilweise improvisierten Produktionsbedingungen bei Charles Band „Slave Girl from Beyond Infinity“ im Kontrast zu Cormans „Time Walker“ beobachten. Die zweite große Veränderung ist mit dem Erfolg von „Star Wars“ verbunden gewesen. Die Zuschauer wollten bessere Tricks und überzeugendere Masken sehen. Noch weit entfernt von den Computertricks der Gegenwart ist „It came from the 80s“ auch das Dokument der Maskenbilder und Tricktechniker, die wie bei „Transformations“ auf das Maskenlager in Charles Bands italienischen Studios als „Budget“ zurückgreifen durften. Die Wehmut nach der alten Zeit, in der als Team mit viel Phantasie und immer zu wenig Geld Kunstwesen erschaffen worden sind, zieht sich wie ein roter Faden durch zahlreiche, zum Teil überraschend ausführliche und detaillierte Antworten.  

Hinzu kommt, dass wie erwähnt einige der Antworten vor allem in der Zusammenfassung ganzen Lebensläufen gleichen und deswegen weit weit über den Tellerrand der B oder C Produktionen hinaus von Relevanz sind. Es ist immer wieder überraschend, welche Achterbahnfahrten die einzelnen Befragten hinter sich gebracht haben. Und doch denken sie an nicht immer die bescheidenen Anfänge, aber zumindest diese immer noch bei Fans beliebten Filme zurück.  Die Einschätzungen der eigenen „Gemeinschaftsleistungen“ bei der Produktion der Filme sind dabei nicht nur realistisch und sehr offen,   nicht selten schwingt auch das Staunen über die Kritiken mit, die sie an anderer Stelle erhalten haben.  Es fehlen aber die Hinweise auf die neuste Generation der Veröffentlichungen teilweise als Blue Rays mit einzigartiger, den primitiven Produktionsmethoden widersprechender Qualität.

Es wird nur wenige Fans geben, welche den vorliegenden Interviewmarathon in der alphabetischen Reihenfolge von vorne bis hinten lesen wird. Die meisten Leser werden mit den Filmen beginnen, die sie entweder lieben oder hassen. Bei einigen Filmen wie „Hunk“ oder „The Oracle“ sind zu wenige Gesprächspartner vorhanden, um einen zufriedenstellenden Eindruck zu erhalten, so dass es bei diesen Filmen sinnvoll gewesen wäre, die Antworten um Eigenrecherche zu ergänzen.

 Bei diesen B oder teilweise auch C Streifen wird es keine demographische Mitte geben. Je nach Bekanntheitsgrad  kann man sich dann in die eine oder andere budgettechnische Richtung vorarbeiten. Viele der Filme sind nur schwer auf DVD oder Blue Ray zu erhalten. Die Entwicklung schreitet zwar rasend schnell voran, hat aber noch nicht alle Streifen erfasst, so dass in Kombination mit den Interviews die alten VHS Cassetten von beträchtlichem Nutzen sein könnten.   Das krude „Mannschaftsfoto“ der „Parasite“ Schauspieler ist ein direkter Hinweis auf die Filme, die hier vor allem verbal verewigt worden sind. Wenn man diese Kinounterhaltung mag, dann erfährt man sehr viel als Ergänzung zu den gängigen sekundärliterarischen Arbeiten. Wer mit billigen Streifen überhaupt nichts anfangen kann, wird den Pioniergeist dieser Gespräche unter Gleichen auch nicht nach empfinden können und sollte das nächste Art Haus Buch wählen.   Reichhaltig aber leider nicht jeden Film betreffend bebildert vermisst der Leser fast körperlich allerdings Reproduktionen der Poster, mit denen Charles Band viele der hier vorgestellten Filme lange vor dem ersten Drehbuchentwurf gewinnbringend verkauft hat. Mit diesen Postern – am besten in einem Mittelteil und in Farbe – wäre diese Hommage an die wilden Filmzeiten der achtziger Jahre besser abgerundet gewesen. 

 

McFarlands

Print ISBN: 978-1-4766-6604-4
Ebook ISBN: 978-1-4766-2563-8
43 photos & illustrations, index
300pp. softcover (7 x 10) 2016

Kategorie: