
Ursprünglich wahrscheinlich ausführlicher angedacht und mit dem umfangreichen, als Doppeltaschenbuch das erste Jahr des Krieges behandelten Band „Unter den Schwingen des Raubvogels“ auch ambitioniert begonnen, konnte oder wollte Michael Martin diese bislang eher rudimentär behandelte Episode der „Star Trek“ Geschichte mit nur einem den Krieg hektisch abschließenden Taschenbuch nicht so ausführlich behandeln, wie es viele Fans sich erwünscht haben.
„Unter den Schwingen des Raubvogels“ knüpft allerdings handlungstechnisch an „Kobayashi Maru“ ein. Später hat die Star Fleet aus dieser Herausforderung einen Test gemacht, den nur James T. Kirk bestanden hat, weil er die Prämissen änderte. Captain Archer muss mit der Schuld leben, sein Schiff beim Angriff auf den unbewaffneten Frachter durch die Romulaner zurück gezogen zu haben, da keine Aussicht auf Erfolg bestanden hat. Archer leidet unter der aus seiner Sicht ohne Frage logischen, aber emotional als Feigheit auszulegenden Entscheidung und verschiedene Mannschaftsmitglieder wollen sich versetzen lassen, weil sie nicht auf einem Schiff der Feiglinge dienen wollen. Angesichts der Tatsache, dass erstens die ENTERPRISE eines der wenigen zur Verfügung stehenden mehr als WARP schnellen Raumschiffe ist und zweitens die Positionen nicht gleich adäquat neu besetzt werden können, wirkt das Verhalten der Crew auf einer emotionalen Ebene nicht verständlich, von der logischen Prämisse her eher konstruiert. Ohne Frage nützt es dem Autoren, dadurch Captain Archer bis auf den anfänglichen Verhandlungen mit den Klingonen und später die Führung eines ganzen Flottenverbandes ohne Admiralsrang eher im Hintergrund zu halten und den Handlungsverlauf auf verschiedene schultern zu legen. Als Figur nicht so präsent und vor allem nicht unbedingt aktiv ist es nicht der einzige Kompromiss, der im Vergleich zur Fernsehserie die fragile Balance an Bord der ENTERPRISE stört.
So wird beim eigentlichen Ausbruch des Krieges T´Pau nach Hause geschickt, um die pazifistische Position der Vulkanier zu unterminieren. Während T´Pau auf einer offiziellen Mission unterwegs ist, arbeitet Trip weiterhin als verkleideter Romulaner im Untergrund. Beide Missionen dienen in erster Linie dazu, wichtige Nebenfiguren zu positionieren und das Interesse der Leser auf diese Spannungsbögen zu lenken. Angesichts der langwierigen Ausbildung von echten Schläferagenten kann man vielleicht Archer Argumentation hinsichtlich T´Paus Herkunft und vor allem ihrer bisherigen Laufbahn verstehen, während Trip als Agent pünktlich an allen Fronten eher verschenkt ist. Vor allem nimmt diese Vorgehensweise dem Roman deutlich als Glaubwürdigkeit, da eine bislang unbekannte Nebenfigur deutlich mehr sich in Gefahr begeben könnte. Niemand wird ernsthaft glauben, dass elementare Figuren des „Enterprise“ Universums wirklich ums Leben kommen können. Trips Reise ist auch entsprechend ambivalent gehalten. Einige wenige Höhepunkte wie das Infiltrieren der Werft stehen langen Passagen mit wenig gehaltvollen oder gar die Handlung vorantreibenden Szenen gegenüber. T´Pau ist als Protagonisten an Bord der ENTERPRISE deutlich aktiver. Es wirkt konstruiert, wenn ihr auf dem Vulkan wichtige Informationen in die Hände fallen.
Dem Krieg ein allerdings auch polarisierendes Gesicht gibt Gannet Brooks, die Reportin der Newstime, welche insbesondere die aus ihrer Sicht wenig effektiven Manöver der STAR Fleet kritisiert und immer wieder von den Brennpunkten des sich stetig aufs Sonnensystem zubewegenden berichtet. Ergänzt wird diese subjektive, aber intime und deswegen auch zu den emotional interessanten Szenen des Doppelbandes gehörende Perspektive durch die Marsbewohner, welche sich nicht unbedingt mit dem arroganten Verhalten der Erde identifizieren können. Daneben beschreibt Michael Martin an einigen anderen Stellen das Verhalten außerirdischer Völker und bemüht sich durch die unterschiedlichen Perspektiven beginnend bei den aggressiven Romulanern über die Menschen bis zu dem eher ambivalent zu nennenden Pazifismus der Vulkanier dem Kriegsgeschehen eine breite und deswegen auch überzeugende Basis zu geben. Sehr routiniert und mittels Orts- und Datumsbezeichnungen ausgezeichnet voneinander abgegrenzt bauen diese zahlreichen Szenen eine breite Basis für den eigentlichen Kampfverlauf auf.
Das eigentliche Kriegsgeschehen ist durch verschiedene Eckpunkte gekennzeichnet. Vielleicht wirken die Romulaner insbesondere im Vergleich zu ihren Auftritten in den Fernsehenserien als kriegerische, aber im Gegensatz zu den Klingonen ein wenig zivilisiertere Rasse zu übertrieben gezeichnet. Sie verfügen insbesondere hinsichtlich der Fernlenkung fremder Kriegsschiffe über zu viele Wunderwaffen, die es ihnen ermöglicht, nicht nur fremde Vulkantechnologie zu kapern und auf einer unscheinbaren Werft auszuschlachten/ kopieren, sondern können quasi gegen den Willen der Besatzungen sogar deren Lebenserhaltungssysteme ausschalten oder deren Waffen für die eigenen Zwecke missbrauchen. Diese den Vulkaniern bekannte Allzweckwaffe wirkt zu erdrückend und aus dem Kontext, während die taktischen Ideen, durch die Frühwarnnetze einfach mit nicht WARP fähigen kleineren Raumschiffen zu schlüpfen interessant vorbereitet und vor allem auch entsprechend umgesetzt worden sind. Den Angriff auf die Heimatwelt der Andorianer ist eine der besten Szenen des Buches. Auch die Attacke der vereinigten Flotten auf die Romulaner ist gut geschrieben. Michael Martin bemüht sich, taktisch dreidimensional zu denken, auch wenn er die Intensität eines Jack Campbells nicht erreicht. Für die Leser ergibt sich allerdings in beiden relevanten Sequenzen nicht das chaotische Bild eines vielschichtigen Angriffs- und Abwehrverhaltens, sondern fast die distanzierte Beschreibung der Kampfsituationen, die emotional zu wenig untermauert vor den Augen des faszinierten, aber nicht schockierten Lesers abläuft. Mit ein wenig mehr Dramatik, dem Auge für die Details und vor allem einer tempotechnischen Varianz hätten diese guten Szenen noch besser herausragen können.
Nicht ganz schlüssig sind die abschließenden Verhaltensweisen aller Kriegsparteien. Während die Menschheit zumindest gegen eine der Wunderwaffen quasi im stillen Kämmerchen eine Abwehrmaßnahme findet, wirken die Ränkespiele auf dem Vulkan inklusiv der hinter den Kulissen ablaufenden Waffenlieferungen – wie T´Pau auf den Gedanken kommt, der Vulkan könnte die Romulaner tatsächlich unterstützen, wird zu wenig herausgearbeitet – zu schematisch. Das zwei wichtige Verbündete angesichts der eigenen Verluste die Koalition plötzlich verlassen wollen, erscheint eher melodramatisch als verständlich. Der Krieg der Romulaner wendet sich ja gegen alle Mitglieder der Allianz und angesichts der Tatsache, dass erstens die Heimatwelt der Androjanier direkt angegriffen und nur dank des Eingreifens der Menschen und ihrer Selbstopferung gerettet worden ist, sowie zweitens keine Friedensverhandlungen abgehalten werden, wirkt diese Aktion überzogen. Die Menschheit soll weiter in die Enge getrieben werden und der Roman endet auch auf einer verzweifelten, nihilistischen Note. Michael Martin beschreibt aber in „Der romulanische Krieg“ keine Gegenwartshandlung, sondern füllt pflichtschuldig die Lücken in der „Star Trek“ Geschichte aus. Der Leser weiß, dass die Romulaner nicht gewinnen werden und auch nicht gewinnen können. Es gibt zwar Anspielungen auf Figuren aus dem Spiegeluniversum wie Captain Sobeck oder Admiral Black, aber niemand glaubt wirklich einen Moment, dass Michael Martin die Romulaner siegen lässt.
Zusammengefasst entwickelt der Autor positiv und über weite Strecken ausgesprochen konsequent den Ausgangspunkt und die ersten Schachzüge des romulanischen Krieges in einer für die „Star Trek“ Romane ansprechend überraschenden Breite mit vielen solide charakterisierten Nebenfiguren. Das Geschehen wird durch die Erweiterung des Fokus deutlich epischer erzählt und wahrscheinlich hätte eine Miniromanserie nur ausgereicht, um diesen wichtigen, aber bislang eher rudimentär historisch behandelten Abschnitt der „Star Trek“ Geschichte ins, wenn auch nicht immer das rechte Licht zu rücken. Für ein abschließendes Urteil ist es angesichts der sehr offenen und frustrierenden Endes zu früh, aber als Beginn ist „Unter den Schwingen des Raubvogels“ eine interessante, teilweise sehr spannende und trotz der angesprochenen Einschränkungen hinsichtlich der Charakterführung zufriedenstellende Lektüre, in der allerdings die Action vor den aus der Fernsehserie bekannten und manchmal ein wenig eindimensional beschriebenen Figuren steht,