Der Apex Verlag hat seine Reihe mit Fantasy- Klassikern durch eine Neuausgabe E.R. Eddisons „Der Wurm Ouroboros“ eröffnen lassen. Der Übersetzer Helmut W. Pesch hat ein Nachwort hinzugefügt, in dem er ausführlich nicht nur auf das eigentliche Werk, sondern vor allem auch dessen Bedeutung für die Entwicklung des Genres und die Einflussnahme auf Autoren wie Tolkien oder auch Fletcher Pratt hervorhebt.
Der Roman erschien ungekürzt in den achtziger Jahren als Taschenbuch im Heyne Verlag das erste Mal. In England erschien das Werk das erste Mal 1922 und geriert relativ schnell trotz guter Kritiken in Vergessenheit. Erst der Erfolg von Tolkiens „Herr der Ringe“ nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte für eine erneute Auflage als eine Art Volksausgabe im Ballantine Verlag. Eric Rücker Eddison debütierte mit diesem Epos. Dreizehn Jahre später nach einem historischen Wikingerroman „Styrbion, the Strong“ kehrte Eddison eine Fortsetzung mit „Mistress of Mistresses“, die ebenfalls in den achtziger Jahren im Heyne Verlag erst erschienen ist, in diese Welt zurück. Sechs Jahre später arbeitete Eddison folgte mit „A Fish Dinner in Memison“ eine direkte Fortsetzung. Eine weitere Arbeit konnte Eddison aufgrund seines frühen Todes nicht mehr abschließen; seine Ehefrau stellte aus den Aufzeichnungen eine mögliche Version zusammen.
„Der Wurm Ouroboros“ erscheint im Apex Verlag zum dritten Mal. Die deutsche Erstausgabe übersetzte Jürgen Blasius; erst Helmut W. Pesch sorgte im Bastei Verlag 1993 dafür, dass das Epos auch in Deutschland standesgemäß historisch eingeordnet werden konnte.
Der Titel ist für die Handlung des Romans symbolisch. Im Gegensatz zu Tolkiens „Herr der Ringe“ erweist sich Eddison als ein zynischer, aber deutlich moderner denkender Vorgänger Michael Moorocks. Es gibt zwar keine ewigen Helden in seinem Epos, aber einen nicht zu durchbrechenden Kreislauf. Sinnbildlich handelt es sich um das Fantasy Epos, das die Botschaft unterstreicht, dass der Krieg der Vater allen Fortschritts sein muss und Frieden Stillstand bedeutet.
Im Mittelpunkt steht der natürlich heldenhafte Kampf der „Dämonen“ gegen die Hexen, wobei es sich um eine verräterische und kriegerische Rasse unter einem grausamen König namens Gorice, den 12. Handelt. Unter der Anführerschaft einer kleinen Gruppen von Helden unter Lord Juss und seinen Brüdern versuchen sie, ihre freie Nation zu schützen und die Agressoren von ihren Grenzen fernzuhalten.
Die einzelnen Schlachten sowohl zu Land als auch zu Wasser sind ausführlich beschrieben worden. Ohne es expliziert zu nennen orientiert sich Eddison an den griechischen Heldensagen wie der Iliad und zeigt in rascher Abfolge vor immer exotischer und fremdlicher wirkenden Hintergründen ein Heldenepos, in dem leider zeitlich ein wenig eingestaubt auch die Emotionen eine Rolle spielen. Eddison bemüht sich wie Tolkien, die Hintergründe ausführlich zu beschreiben, um nicht nur dem Kampfgeschehen die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken, sondern vor allem auch im Gegensatz zu zahlreichen Pulpgeschichten der Burroughs Tradition sich durch Gehalt abzuheben.
Dabei muss deutlich differenziert werden. Das Ende impliziert den Gedanken, dass nur der Krieg die Menschen oder Wesen fordert und vielleicht Fortschritt in Gang hält. Dazu kommen die ausführlichen Beschreibungen der Auseinandersetzungen mit einem klassischen, fast klischeehaften Verlauf. Die Dämonen gewinnen gegen die Hexen egal ob auf den von Nebel umgebenen Bergen, auf der hohen See oder in den Sümpfen, weil sie anscheinend entschlossener sind, die eigene Heimat auch aggressiv nach vorne zu verteidigen und zu sichern, als die Hexen, die zwar einen grausamen und herrschsüchtigen König haben, aber generell nicht das Herz am rechten Fleck. Es ist legitim, sich gegen derartig eindimensional und pragmatisch gezeichnete „Schurken“ auch aktiv zu verteidigen. In diesem Punkt unterscheidet sich Eddisons Epos eben nicht von den zahllosen Epigonen. Dabei geht der Autor noch einen Schritt weiter und impliziert, dass diese Kämpfe eher wie die Sandkastenspiele der Kindheit wirken und das Spiel niemals enden darf.
Eddisons Werk entstand in den zwanziger Jahren, als sich vor allem Europa noch nicht vom Ersten Weltkrieg und den endlosen Grabenkämpfen erholt hat. Ohne politisch zu werden könnte man meinen, dass Eddison die kruden Gedanken vor allem der britischen Obrigkeit und dem preußischen Königshaus in eine Fantasywelt gepackt hat. Tausende von Toten werden in Kauf genommen, solange es den Feldherren „gut“ geht und sie weiter im Hintergrund taktisch planen können. Erst wenn es einen von den Adligen – ironisch sind es ja nach Eddison Dämonen – erwischt, trauert die Welt für einen Moment. Während die einfachen Soldaten gesichtslos sind, versucht der Autor den Anführern ein gewisse Individualität zu verleihen, die allerdings auch schnell wieder relativiert wird, wenn der nächste „Held“ an dessen Stelle tritt.
Rein handlungstechnisch ist „Der Wurm Ouroboros“ wie auch Tolkiens „Herr der Ringe“ ein eher einfach gestricktes Garn, das vor allem auch inhaltlich mindestens hinter fragenswert, wenn nicht sogar kriegsverherrlichend ist. Tolkien beschränkt sich dabei auf einen klassischen Sieg des Guten gegen die Bösen und zeigt, dass die Opfer auch während des langen Weges gerechtfertigt sind. Eddison geht abschließend auch hinsichtlich des unvollständigen Rahmens einen anderen Weg und provoziert seine Leser.
Der Hintergrund mit den angesprochenen exotischen Plätzen, aber vor allem auch den durchgehend übertrieben gezeichneten Protagonisten – dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Helden oder schöne umgehend begehrenswerte aber eindimensionaler Frauen sowie die grausigen und verkommenen Schurken handelt – ist ein früher Höhepunkt der Fantasyliteratur. Alles ist größer, bizarrer, seltsamer, exotischer als man es vermutet. Der grundlegende Tonfall auf der charakterlichen Ebene schwankt zwischen Nietzsche und einem homoerotischen Heldenepos, wie es wie angesprochen die alten Griechen verfasst haben. Ohne expliziert zu beschreiben können Eddisons Helden zu Hause wunderschöne Frauen eher verehren als wirklich lieben; auf dem Weg in die Schlacht zählt aber nur der Waffenbruder an der eigenen Seite und die Dialoge wirken eher wie verschwörerisch verführerische Liebesschwüre als normale Dialoge zwischen Männern, die dem gleichen Geschlecht gegenüber normalerweise eine viktorianische Distanz halten.
Interessant ist, dass in den ruhigen Passagen die Frauen durchaus eine gewisse Dominanz, fast eine Überlegenheit abseits des Schlachtfelds – der einzige Ort, wo bei Eddison Männer wirklich zu Männern werden – entwickeln. Sie sind schön, begehrenswert, haben für die damalige Zeit durchaus einen eigenen Willen und eine gewisse Ambivalenz zur sozialen Etikette entwickelt, welche die Männer eher einschüchtert und einsperrt als die erwartungsfrohen Frauen. Während Tolkien im Grunde auf weibliche Charaktere verzichtet, baut sie Eddison vor allem auch in den folgenden Büchern mehr und mehr in die fortlaufende Handlung ein.
Lange Zeit galt der Roman aufgrund Eddisons besonderen Erzählstil als nicht übersetzbar. Im Grunde hat Helmut W. Pesch als lebenslanger Fantasyfan und Herausgeber unter anderem im Bastei Verlag mit seiner neuen Übersetzung unterstrichen, dass das Werk zwar übersetzbar ist, aber es im Grunde nur von einem Fan, einem Anhänger ins Deutsche übertragen werden kann. Zu minutiös muss mit Eddisons Stil umgegangen und entsprechende Formularen gesucht werden. Um seinen Plot auf einen anderen Planeten, aber zumindest eine andere Zeit zu übertragen hat Eddison einen archaisch erscheinenden, aber nicht tot wirkenden Stil quasi entwickelt, welcher die Leser allerdings auch mit Mühe und Herausforderungen in diese Welt zieht und sie auf eine bizarre Art und Weise verzaubert. Laut gelesen könnten manche Passagen vor allem in der heutigen zynischen Zeit wie eine Parodie auf das Genre erscheinen, aber Eddison versucht mit seiner Sprache, seinen Beschreibungen und vor allem der an einen Fiebertraum erinnernden Intensität die Leser in „diese“ Welt zu ziehen.
Inhaltlich ohne Frage mindestens konträr, wenn nicht provokativ lohnt sich die Lektüre vor allem, um einen der genretypischen Querdenker kennenzulernen oder nach vielen Jahren wieder zu entdecken, der Tolkien, C.S. Lewis und gleichzeitig auch Michael Moorcock auf unterschiedliche Art und Weise berührt, aber auch inspiriert hat.