Ron Goulart hat nicht nur neben einer großen Anzahl von Kurzgeschichten eine Reihe von meistens satirischen oder humoristischen Science Fiction Romanen verfasst, sondern auch sehr unterschiedliche Krimis und eine Handvoll Sachbücher, die sich mit populären Themen befasst haben. Dabei reicht das Spektrum über Comics oder Superhelden bis zu den Pulps. Neben dem nur noch antiquarisch erhältlichen Bildband „Cheap Thrills“, in dem Ron Goulart auf die ganze Palette der Pulpmagazine eingegangen ist, gehört „The Dime Detective“ zu diesen auch heute noch empfehlenswerten sekundärliterarischen Veröffentlichungen.
Das Buch ist 1988 veröffentlicht worden. Die E Book Renaissance einer Reihe von Pulpautoren dieser Ära hat Ron Goulart nicht mehr erfassen können. Fast tragisch endet die Geschichte auch abrupt in den fünfziger Jahren, als innerhalb weniger Jahre die klassischen Pulpmagazine eingestellt und nicht selten durch nur wenige, langlaufende Magazine im Digestformat ersetzt worden sind. Am Ende zitiert Ron Goulart einen der jungen aufstrebenden Schriftsteller, der extra nach New York gefahren ist, sich mit den meisten für ihn wichtigen Magazinherausgebern getroffen hat, bevor er sich entschloss, seinen angelernten Beruf aufzugeben und Magazinautor zu werden. Wenige Monate später waren die Herren entlassen und die meisten Magazine eingestellt worden. Und seine großartigen Verdienstmöglichkeiten hatten sich in Luft aufgelöst.
Aber er gehört zu dem kleinen Kreis von Autoren, die den Übergang von den Magazinen zu den etablierten Taschenbüchern geschafft hat. Fängt der Leser die Betrachtung aus dieser Perspektive an, dann hat es Schriftsteller wie Raymond Chandler oder Dashiell Hammett, den Ron Goulart als einen der wichtigsten Eckpfeiler der Detektivliteratur angesehen hat nach Hollywood verschlagen. Andere Autoren wie John D. MacDonald oder Erle Stanley Gardner sind sich schriftstellerisch treu geblieben, haben aber das Format gewechselt. Nicht umsonst gehört John D. MacDonald für den Autoren zu den Grenzautoren, deren Arbeiten schon von Beginn an eher dem Taschenbuchmarkt zugerechnet werden konnten und sollten.
Dass das Fernsehen dem Kino in den fünfziger Jahren stark zugesetzt hat, ist eine Tatsache. Ron Goulart argumentiert auch, dass das Fernsehen auch die Lesegewohnheiten verändert hat. Im Gegenzug muss vielleicht noch gesagt werden, dass eine immer mobiler werdende Gesellschaft eben mit den kleinformatigen Magazinen einen vergleichbaren Unterhaltungswert aber reisefertiger kaufen konnte. Oder die zahlreichen Taschenbücher, die plötzlich teilweise von neuen Verlagen gedruckt auf den Markt gekommen sind.
Ron Goulart sieht um an den Anfang zurückzukehren den Detektiv als eine klassische Extrapolation des modernen amerikanischen Antiheldens, der basierend auf den verschiedenen Wurzeln eines Edgar Allan Poes, aber auch eines Sherlock Holmes aus Großbritannien im 20. Jahrhundert den Cowboy im Grunde abgelöst hat. In seiner Einführung relativiert Goulart eine Reihe von bisherigen Extrapolationen, basierend auf der Lebensgeschichte des Pinkerton Gründers und versucht genau die Entwicklung der markanten Pulpdetektivs nachzuzeichnen, den auch der amerikanische Film Noir schließlich in den dreißiger und vierziger Jahren zu einer Art Leitbild ernannt hat. Ron Goulart macht deutlich, dass diese Art von Detektiv – interessiert vor allem am Geld und weniger Ruhm – ein Kind der amerikanischen Rezession Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre gewesen ist.
Die Einführung ist auch relativ stringent. Ron Goulart argumentiert sehr sachlich für oder gegen die bisherigen Wurzeln des Genres und relativiert an einigen Beispielen auch Argumente seiner Kollegen. Vor allem geht es ihm weniger um intellektuelle Spielereien, sondern eine progressive Betrachtung der Einflüsse.
Mit den sozialen Veränderungen vor allem im 20. Jahrhundert und einem plötzlich lesenden Proletariat – wahrscheinlich eine absichtliche Provokation, denn Kolportageromane oder Dime Novels haben auch schon im 19. Jahrhundert sehr viele Freunde gehabt - sowie dem Druck, preiswert Massentaugliche Literatur anzubieten entstanden die typischen Pulps. Magazine - beginnend mit 122 Seiten und endend schließlich unter 100 Seiten - gedruckt auf dem dicken billigen Papier mit einem plakativen Cover.
Ron Goulart baut seine Betrachtung auf zwei Säulen auf. Zum einen die Nick Carter Schule mit dem Versuch, diesen etablierten Detektivcharakter breiter und immer wieder neu aufzustellen. Für den Autoren eher eine mittelbare Inkarnation des klassischen Detektivs. Auf der anderen Seite die Veränderungen, welche das Magazine „Black Mask“ mit seinen zahlreichen Autoren etablierte. Dabei sind die Übergänge zwischen Detektivfiction, Western, Abenteuern und ein wenig Horror fließend, denn „Black Mask“ hat unter der Führung zweier unterschiedlicher, aber charismatischer Herausgeber den Markt bis zum Auftreten der „Detective Stories“ dominiert.
Der Mittelabschnitt ist damit der Interessanteste des ganzen Buches. Der Autor zitiert nicht nur fröhlich aus verschiedenen Werken, sondern versucht an Hand dieser Ausschnitte die signifikanten Berührungspunkte des Genres gegenüberzustellen.
Im weiteren Verlaufe wird Ron Goulart nicht nur eine Reihe von Themen streifen, die heute in Vergessenheit geraten sind, sondern kurz, prägnant wie informativ Schriftsteller vorstellen, dessen Romane und vor allem Kurzgeschichten auch heute noch lesenswert wären. Kleinverlage wie Artus Books haben einige dieser Geschichten wieder aufgelegt, da es fast unmöglich ist, die entsprechenden Pulpveröffentlichungen damals – 1988 – wie heute ohne ein kleines Vermögen zu erwerben.
Neben den „spicy“ Geschichten geht es um weibliche Detektive wie auch Frauen, die für die Pulps geschrieben haben und dabei qualitativ mehr als ihren Mann gestanden haben. Die Reporter als Amateurermittler kommen genauso zu Wort wie die wenigen Exkursionen in den Bereich der Humoreske. Interessant ist, dass ausgerechnet der Vater des klassischen Hardboiled Detektivs Dashiellm Hammett ja auch mit dem „dünnen Mann“ einen Charakter entwickelt hat, der für dieses Subgenre Pate gestanden hat.
Am Ende geht es noch ein wenig um die Psychopathen, die vor allem auch Fredric Brown in seinen Thrillern so gerne charakterisiert hat. Immer wieder stellt der Autor neben zahllosen Zitaten auch heute noch bekannte Autoren wie Woolrich den „vergessenen“ Schriftsteller wie John K. Butler gegenüber, der tatsächlich einen Ohrensesseldetektiv als Hommage und vielleicht auch Provokation Rex Stouts gegenüber entwickelt hat.
„The Dime Detective“ ist ein kompakter Buch, das weniger auf Vollständigkeit oder minutiöse Detailverliebtheit zu Lasten der Lesbarkeit Wert legt, sondern einen Streifzug durch die Ära präsentiert, die Ron Goulart als Sammler auch nur mittelbar kennengelernt hat. Als Schriftsteller ist er erfahren genug, um seinen Kollegen ausreichend Respekt zu zollen und selbst im metamorphischen Sinne die Arbeiter des Wortes bekommen eine faire Behandlung.
Im Mittelteil dieser sehr lesenswerten Studie finden sich einige Abdrucke von Titelbildern und Innenillustrationen, welche den Streifzug durch die relevanten zwanziger bis vierziger Jahre sehr überzeugend abschließen. Im Grunde ist aber „The Dime Detective“ auch eine Versuchung. Man kommt auf den Geschmack und möchte viele der Autoren durch ihr Werk über die kurzen Vorstellungen hinaus kennenlernen, was Vergangenheit und Gegenwart im Kopf der Leser positiv verschmelzen lässt. Ein größeres Lob kann einem Sachbuch, das vor über dreißig Jahren erschienen und trotzdem frisch/frech und kompetent geschrieben worden ist, nicht gemacht werden.
- Hardcover: 248 Seiten
- Verlag: Mysterious Pr; Auflage: First Edition (1. November 1988)
- Sprache: English
- ISBN-10: 0892961910
- ISBN-13: 978-0892961917