Choke Hold

Choke Hold, Christa Faust, Titelbild, Rezension
Christa Faust

Auch wenn “Choke Hold” mindestens zwei Jahre nach dem ersten 2008 publizierten Angel Dare Roman “Money Shot“ spielt, ist es wichtig, den ersten Teil der Serie zuerst gelesen  zu haben. Das hat weniger mit dem groben Handlungsverlauf zu tun. In der Mitte von „Choke Hold“ Fasst Angel Dare die Ereignisse des ersten Romans sehr gut stellvertretend für die neuen Leser zusammen, bevor der Bogen zum fatalistischen Ende von „Money Shot“ zurück geschlagen wird.  Das offene Finale impliziert, dass Christa Faust irgendwann einen weiteren Roman um Angel Dare, desillusioniert und weiter auf der Flucht schreiben wird. 

Zumindest in einem Punkt zeigt sie auf, dass einer der Hauptschurken der Serie nicht tot ist, was das Ende von „Money Shot“ vermuten ließ.

Im Grunde setzt die Handlung der Fortsetzung trotz der zeitlichen „Verzögerung“ unmittelbar ein. Angel Dare arbeitet unter einem falschen Namen in einem herunter gekommenen Diner, nachdem sie das Zeugenschutzprogramm als zu unsicher verlassen hat. Ihr Rachefeldzug gegen die Mädchenhändler ist nicht bestraft worden.

Einer der Besucher des Diners erkennt sie trotz ihrer Verkleidung und neuen Frisur. Es handelt sich um ihren ehemaligen Co- Star und Lebensgefährten Vic „Thick“ Ventura, der seine besonderen Fähigkeiten in diversen Pornos auch mit Angel Dare als Hauptdarstellerin vorgeführt hat. Ein Zufall führt in nach Yuma. Er möchte zum ersten Mal seinen Sohn kennenlernen, der aus einer Beziehung stammt, die er unmittelbar nach der Trennung von Angel Dare aufgenommen hat. Bevor sich Vater und Sohn aussprechen können, dringen ein paar Auftragskiller in das Diner ein und verletzen Vic Ventura tödlich.  Angel Dare und Vics Sohn Cody gelingt zusammen mit dem Schwerverletzten zwar die Flucht, Vic stirbt aber kurze Zeit  später. Er nimmt aber Angel Dare das Versprechen ab, sich um Cody zu kümmern.

Der Auftakt des  Romans ist effektiv, brutal und hektisch. Im Gegensatz zum  spektakulären Beginn von „Money Shot“ sowie einer kleinen Rückblende wird „Choke Hold“ vom ersten Augenblick an kontinuierlich erzählt. Rückblenden gibt es nur in Form von persönlichen Erzählungen, die im Grunde an Beichten erinnern.

Angel Dare ist sich nicht gänzlich sicher, ob sie nicht doch Ziel des Anschlags gewesen ist und der Frauensexring weiterhin nach ihr sucht. Auf der anderen Seite spricht alles gegen diese Tatsache, da anscheinend Vic direkt ausgesucht und förmlich von hinten hingerichtet worden ist. In dieser Hinsicht bleiben die Motive ein wenig schwammig.  Erst später baut die Autorin die Motiv- und vor allem auch Motivationsketten nachhaltiger auf.

Der große Unterschied zwischen „Money Shot“ und „Choke Hold“ lässt sich durch die Tatsache begründen, dass Angel Dare relativ schnell nach dem Attentat auf sie in „Money Shot“ die Initiative übernimmt und sich nach dem Verlust von Freunden rächen möchte. In „Choke Hold“ hat sie gar nicht die Gelegenheit, über den Tod ihres ehemaligen Freundes und Codys Vater nachzudenken, da sie sich kontinuierlich auf der Flucht befinden vor Drogendealern und schließlich auch dem Chef der Mädchenhändlerorganisation.

Christa Fausts Angel Dare  kann immer wieder für einen kurzen Moment agieren, aber diese Aktionen laufen wie die Befreiung Codys im Grunde ins  Leere. Sofort  kann sie wieder nur auf die einzelnen Bedrohungen reagieren. Durch diese Tempowechsel und vor allem die Unvorhersehbarkeit des Plots  - symbolisiert durch die vielen Türen, die zu meist schäbigen Hotelzimmern aufgehen und immer wieder bekannte oder neue Schurken bewaffnet einlassen – erzeugt Christa Faust, sondern auch in ihrer Protagonistin das stetige Gefühl einer sich selbst bestätigenden Paranoia.

„Money Shot“ spielte vor allem im Pornosektor. “Choke Hold” erweitert das Spektrum um die Martial Arts Kämpfe, nicht selten illegal auf der anderen Seite der Wüste. Damit soll aber nicht angedeutet werden, dass die schmierige Erotik der billig heruntergedrehten Filme oder die schwülstige Atmosphäre der Stripclubs gänzlich ignoriert wird.  Angel Dare hat mehr Sex in der Fortsetzung mit unterschiedlichen Männern als im ersten Buch. Dabei unterstreicht Christa Faust, wie sehr Angel Dare Sex vor allem als körperliche Betätigung ansieht, die nichts mit den aus ihrer Sicht unterentwickelten wahren Gefühlen zu  tun. Es ist für eine derartig dunkle Art des Thrillers bezeichnend, wenn der einzige Mann, der sie anscheinend liebt und zu dem sie sich auf eine sonderbare Art und Weise hingezogen fühlt, keinen Sex mit ihr haben kann. Diese tragische, so dreidimensionale naiv realistische Figur sticht den ambivalenten Malloy aus „Money Shot“ deutlich aus und erinnert sehr stark an die gebrochenen Protagonisten, welche Sam Fuller nicht nur in seinen Filmen, sondern seinem ebenfalls bei Hard Case Crime veröffentlichten Thriller aus dem Nichts heraus  entwickelt hat. 

An anderen Stellen des Buches muss Angel Dare auf den Knien um einen Gefallen bitten, droht wieder gefoltert und vergewaltigt zu werden, nachdem sie sowohl über einen Zeitraum von allerdings mehr als zwanzig  Jahren mit Vater und Sohn Sex hatte. Die Szenen sind nicht besonders erotisch ausgebaut, sie erinnern eher an einen befreienden Akt, mit dem die kopulierenden Protagonisten für einen Moment die sie umgebenden tödlichen Gefahren vergessen können.

Vielleicht wirken die Schurken im Gegenzug zu eindimensional gezeichnet. Es handelt sich um meistens  körperlich unterdurchschnittlich große Latinos oder den Kroaten aus dem ersten Buch mit sadistischen Zügen, der entsprechenden Zahl mit naiven bis dummen Helfern und schließlich auch Minderwertigkeitskomplexen, die ihre Erfolge aus der sexuellen „Beherrschung“ der berühmten Angel Dare ziehen. Da werden zu viele Stereotype aneinander gereiht, um nachhaltig überzeugen zu können, aber wie in den Tarantino Thrillern ist diese Eindimensionalität hilfreich, um die komplexen, komplizierten und dann wieder zutiefst zwischenmenschlichen Beziehungen der kleinen Gruppe gejagter Protagonisten tragischer und zugänglicher zu gleich erscheinen zu lassen.

Aus dieser emotionalen Tiefe in Kombination mit Christa Faust teilweise sehr frechen, absichtlich die miefigen Ansichten des Establishments unterminierenden Dialogen sowie den kompakten Beschreibungen überzeugt „Choke Hold“ vielleicht sogar ein wenig mehr als „Money Shot“. Es fällt der Autorin leichter, Angel Dare weniger als brutale wie effektive Rächerin zu beschreiben, sondern als Gejagte, die sich nichts mehr wünscht, als in ihr Haus zurückzukehren und ihr altes Leben wieder aufzunehmen. Eine Aussicht, die mit jeder Seite spätestens dieser nihilistischen Fortsetzung unwahrscheinlicher erscheint.     

Betrachtet der Leser den Plotverlauf kritisch, dann  häufen sich gegen Ende die Zufälligkeiten alle auf Seiten der hohe Opfer bringenden „Helden“, während sich die Schurken nicht selten selbst   im Wege stehen und ihre jeweiligen Schicksale durch Überheblichkeit bis Arroganz selbst heraus beschwören. Aber das gehört zu der Form des modernen Thrillers dazu. Wie „Money Shot“ lebt vor allem die Fortsetzung auch von den eindrucksvoll, einzigartig entwickelten Charakteren um die charismatische, nicht unterzukriegende Angel Dare.  Hinzu kommt ein von einem hohen Tempo geprägter Plot mit der richtigen Mischung aus teilweise subversivem bis anzüglichen Humor und einigen sehr gut verteilten Actionszenen.

    

 

 

Hardcase Crime

Paperback, 252 Seiten

October 2011
ISBN: 978-0857682857
Cover art by Glen Orbik

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