Mehr als fünfunddreißig Jahre seit seiner Erstveröffentlichung legt Hard Case Crime den humoristischen Kriminalroman Donald Westlakes mit einem wie immer bei dieser Reihe optisch sehr ansprechenden Titelbild neu auf.
Der Roman überzeugt trotz der vielleicht ein wenig zu stringenten Handlung und vor allem einem wichtigen Teil der Pointe, das nicht unbedingt überzeugt, vor allem durch den pointierten Humor beginnend mit dem Namen des Protagonisten Künt – deutsche Vorfahren-, der von allen Menschen nur als Kunt angesprochen wird. Wenn er am Ende sich eine amerikanische Variation (Kent) zulegt, ist das ein Kompromiss, der die glatte, ein wenig kindliche Persönlichkeit eliminiert.
Künt ist ein Joker. Immer wieder spielt er anderen Menschen Streiche. Ins Gefängnis muss er, weil er seinen Wagen direkt auf einer Autobahn geparkt hat. Die Folge ist ein Auffahrunfall gewesen mit nicht nur drei verletzten Kindern, sondern auch zwei Senatoren inklusiv entsprechender Freundin. Deswegen muss er ins Gefängnis, wobei er die Schuld den Politikern gibt. Die Prämisse ist ein wenig schwierig zu akzeptieren. In einem frühen Jack Finney Roman haben die Protagonisten einen Streich nach dem Anderer ihrer Umwelt gespielt, bis sie sich mit einem interessanten, aber sehr harmlosen Paukenschlag aus der Öffentlichkeit verabschiedet haben.
Dieser Scherz ragt auch negativ aus einer Reihe anderer Aktionen heraus. Im Gefängnis kommen eher kindliche Streiche wie Kaugummis unter den Türknöpfen oder Wortspiele hinzu. Das Verstecken falscher Zähne eines älteren Gefangenen allerdings an einem Platz, an welchem er sie normalerweise hätte finden müssen, ist grenzwertig. Auch am Ende, wenn er die Öffentlichkeit vor einem brillanten Verbrechen schützen will, greift er immer zu Mitteln, welche Menschen nicht verletzen.
Während der ersten Tage im Gefängnis scheint er aus den Folgen der beiden Streiche zu lernen.
Es kommt aber ein weiteres humoristisches Element hinzu. In der Sporthalle wird er fast widerwillig in eine Gang aufgenommen, die ein Geheimnis bewahrt. Unter der Sporthalle befindet sich ein Tunnel, durch den die Insassen zeitwillig in die Freiheit kommen. Zeitweilig, weil die Gefangenen daraus eine Art Organisation gemacht haben. In den inneren Kreis muss sich eine sehr begrenzte Anzahl von Insassen einkaufen. Das Geld geht an die Entlassenen, die ihre Rechte an dem Tunnel abtreten. Vor allem muss jeder der Mitglieder wieder zurückkommen, damit es nicht auffällt. Eher widerwillig nehmen sie Künt in ihren Kreis auf.
Geld soll er sich draußen durch kleinere Verbrechen verdienen. Die entsprechenden Ratschläge gibt es zusätzlich. Aber die Bande plant, zwei Banken am Ort an dem Tag zu überfallen, an dem sich die Lohngelder für das Gefängnis und ein örtliches Armeelager in deren Tresoren befinden. Künt ist anfänglich von der Idee begeistert, ahnt aber, dass er dann die Schwelle zwischen Kleinkriminellen/ Joker und Schwerverbrecher überschreitet.
Das Leben wird ihm noch durch einen Menschen schwer gemacht, der im Gefängnis seine Scherze imitiert. Immer wieder finden sich die Worte „Help I´am Being Held Prisoner“ an den unmöglichen Orten und bei allen Funden hat Künt kein Alibi. Er weiß aber, dass er es nicht gewesen ist.
Der Gefängnischef bestraft ihn immer wieder für solche Taten, bis eines Tages in der Oblaten der Gefängniskirche ebenfalls diese Nachricht gefunden wird und damit der Spaß endgültig zu einer neuen Anklage wegen Blasphemie führen könnte.
Donald Westlakes Roman ist eine kurzweilige Unterhaltung. Das Gefängnisleben erscheint fast zu schön um wahr zu sein. Zwar werden zwei Wachen geschmiert und der Chef ist nicht begeistert, wenn die Ordnung in der Anstalt durcheinander gerät, aber der Rest beschränkt sich auf eine Reihe von Drohungen. So wird auch nicht ermordet, sondern höchstens denunziert, was ein Entfernen aus den sensiblen Bereichen der Anstalt für die Gefangenen zur Folge hat. Künt spricht immer wieder die Klischees des Genres an und wird wie der Leser überrascht. Zu den Running Gags gehören einmal Künts eigene Scherze, welche er erst zum eigenen Vergnügen ausführt, anschließend zum Schutz Dritter planen muss und unter denen er im Umkehrschluss durch eine der wenigen rührseligen Anekdoten dieser Geschichte selbst zu leiden hat.
Der zweite unterhaltsame Aspekt ist, dass das perfekte Verbrechen im Grunde zu einer Farce wird. Die Grundidee ist sehr gut. Zwei Banken werden von Insassen des örtlichen Gefängnisses überfallen, die ein perfektes Alibi haben. Immer wieder versuchen die Gangster an den wichtigen Tagen, die Banken zu überfallen und immer wieder scheitern sie an verschiedenen Unwägbarkeiten. Die Verzweiflung des Anführers ist förmlich zu greifen. Selbst als die Tat schließlich gegen Künts Willen ausgeführt wird, beschreibt es der Autor eher wie einen Ausflug/ eine Farce. Künt selbst muss am Ende den Leser daran erinnern, dass hier ein Verbrechen stattfindet.
Es ist ein schmaler Grat, auf diese in Ehren gealterte, aber trotzdem erstaunlich frisch wirkende Humoreske funktioniert. Sie droht ein wenig zur platten Komödie abzurutschen, wenn Künt das perfekte Mädchen draußen kennenlernt, das ihm einen Bekannten – einen Aufseher im Gefängnis – vorstellt. Unwohlsein vortäuschend flieht Künt und wieder merkt es keiner. Auch das der Gangsterboss niemals auf den Gedanken kommt, dass jemand von innen seine Pläne sabotiert, erscheint reichlich unwahrscheinlich. Abschließend fehlt tatsächlich das Motiv hinsichtlich der Botschaften. Natürlich versucht Donald Westlake eine schlüssige Erklärung zu finden, aber da gibt es einfachere Wege wie das Umschmeißen von Grabsteinen, um sein Ziel zu erreichen. Vor allem solange man noch im Gefängnis ist und die Anstalt abschließend weiß, warum man es getan hat.
In dieser Hinsicht spricht Westlake auch einen sozialkritischen Punkt an. Langjährige Gefangene sind zu rechtschaffenen Menschen aus eigener Initiative und nicht aufgrund des unmenschlichen Drucks im Gefängnis geworden. Entlassen stehen sie vor einem sozialen Nichts, vor allem weil sie nach den vielen Jahren im Gefängnis im Grunde keine Arbeit mehr finden, Sozialhilfe gibt es nicht und Verwandte leben nicht mehr. Die Antworten, welche Westlake bietet, sind vielleicht ein wenig zu exzentrisch, aber aufgrund der liebevoll gezeichneten Nebenfiguren lange vor Morgan Freemans Organisator in „Shawshank Redemption“ leidet der Leser mit ihnen.
Aus heutiger Sicht kann man vielleicht auch eine Verbindung zu Stephen Kings Originalvorlage zum bekannten Film ziehen. Das Leben in Westlakes Gefängnis ist nicht so brutal oder rau, aber es sind die kleinen Szenen voller Mitmenschlichkeit, welche Stephen King für seine Novelle beeinflusst haben könnten.
Viele Westlake Romane durchzieht ein zynischer Humor und mit „The Comedy is finished“ hat der Amerikaner einen wunderbaren Abschluss der politisch wilden siebziger Jahre verfasst. Die vorliegende Kriminalkomödie ist deutlich warmherziger, ohne Frage auch unabhängig von den angesprochenen Schwächen kurzweiliger zu lesen, aber spannungstechnisch und durchsetzt mit pointierten Dialogen reiht sich „Help Iám Being Held Prisoner“ sehr gut in die Reihe der empfehlenswerten Nachdrucke aus Westlakes umfangreichen Werk im Rahmen der H“ard Case Crime“ Reihe ein.
- Taschenbuch: 255 Seiten
- Verlag: Hard Case Crime; Auflage: Reprint (13. Februar 2018)
- Sprache: Englisch
- ISBN-10: 1785656821
- ISBN-13: 978-1785656828