Coppola’s Monster Film: The Making of Apocalypse Now

Steven Travers

“Coppola´s Monster Film”  von Steven Travers ist ein Buch leider sehr vieler verschenkter Möglichkeiten. Es ist vor allem wie der zugrundeliegende Film eine Arbeit auf der bemühten Suche nach einem Lektor.  Steven Travers muss sich den Vorwurf gefallen lassen, das er bei seinem Werk nicht sorgfältig genug gearbeitet hat. Ohne gleich in die Details zu gehen, ist es erschreckend, wie leichte Fehler (George Lucas hat nach STAR WARS sehr wohl als Regisseur weiter gearbeitet, wobei er sich nicht mehr außerhalb des STAR WARS Universums bewegt ) aber vor allem Wiederholungen den Lesefluss hemmen. Die eigentliche Auseinandersetzung mit der praktischen Entstehung „Apocalypse Nows“ beginnt erst auf Seite einhundert, kurz vor der Hälfte des Buches. Bis dahin macht in der Theorie der Autor sehr viel richtig und noch viel mehr falsch. Die erste Hälfte des Buches wird unabhängig von einem enttäuschenden Schreibstil, der viel zu sachlich und distanziert ist, wie eine Aneinanderreihung von in sich nicht geschlossenen Essays, die in unterschiedlichen Magazinen veröffentlicht worden ist. Travers möchte gerne auf die Wurzeln des neuen amerikanischen Kinos an den verschiedenen Universitäten genauso eingehen wie auf die Werdegänge der wichtigsten „Väter“ dieses ultimativen Vietnam Films. Er möchte noch einmal aufzeigen,   dass neben Ciminos „Heaven´s Gate“ eine solche Produktion heutzutage nicht mehr in Hollywood möglich ist. Beide Filme sind lange vor der ersten Aufführung in Verruf geraten. Beide gelten jetzt trotz einiger Schwächen als Meisterwerke.  Eine Explosion der Kosten, ein möglicherweise außer Kontrolle geratener von seinem Werk besessener Regisseur und schließlich eine Gefährdung des produzierenden Studios. In mehrfacher Hinsicht abgesehen von dem von Beginn an überragenden Erfolg an der Kinokasse könnte „Titanic“ gemeint sein.  Das kann eine gute Absicht sein. Genauso gehört es dazu, nach den Wurzeln, der Inspiration zu „Apocalypse Now“ zu suchen. Auch hier geht Travers systematisch vor. Er analysiert Joseph Conrads Roman, schlägt den Bogen zu Patton – das Drehbuch von Coppola ist mit einem Oscar ausgezeichnet worden – und stellt ausführlich die vier Triebfedern des Streifens vor. Neben George Lucas als inzwischen erfolgreichen Regisseur von Popcornunterhaltung, der zumindest ein gutes Wort für Coppola eingelegt hat, der Drehbuchautor John Milius, dessen politische Einstellung zu Coppola konträrer nicht sein kann, Coppola selbst und schließlich Jim Morrison, dessen „The End“ lange vor dem ersten Drehtag dem Regisseur, Produzenten und Drehbuchautoren Coppola vorschwebte. Dazu ist es wichtig, alle Personen mit ihrem Werdegang kurz zu beleuchten und den potentiellen Schmelztiegel- ihre Zeit an der Universität in einer Zeit des sich dramatisch ändernden Hollywoods – zu analysieren. Aber warum wiederholt sich Travers immer wieder. Die Bemerkung, dass Spielberg keine der beiden Universitäten besuchte, aber aufgrund seiner häufigen Besuche als Student galt findet sich mindestens viermal im Text. Die wichtigsten Abschnitte von John Milius Lebenslauf mit Bergsteigen und Surfen werden zweimal erwähnt. Das kurze heftige Leben von Jim Morrison, das schwierige Verhältnis zu seinem Vater (ein General, verantwortlich für einige Operationen in Vietnam) zwei bis dreimal. Über Coppolas Werdegang inklusiv seines Hangs zu Risiken finden sich drei Abschnitte, welche sich derartig gleich lesen, dass der Leser das unbestimmte Gefühl hat, einzelne Passagen des Buches ein zweites oder drittes Mal zu lesen. Mit einem vernünftigen Lektor hätten diese Passagen um mindestens dreißig bis vierzig Prozent gekürzt und dadurch lesenswerter gemacht werden können.

Hinzu kommen Widersprüche im Texte. Gleich zu Beginn wird erstens darauf hingewiesen, dass „Patton“ unabhängig von den geschichtlichen Fakten und alleine auf den charismatischen General fokussiert teilweise auf den Reden eines Footballcoaches basiert, der John Milius an der Universität beeindruckt hat. In einem anderen Kapitel erkennen einige Spieler der Universität während eines Kinobesuches die Ähnlichkeit zu ihrem Coach, welche Travers wieder eher als Zufälligkeit darstellt und von einer Inspiration schreibt. Damit widerspricht sich der Autor selbst. Immer wieder werden sowohl „Patton“ als auch Coppolas frühes Genie inklusiv der ersten Schritte in Hollywood erwähnt. Dass seine Produktionsfirma American Zoetrope durch den Misserfolg von George Lucas ersten Film vor der Pleite gestanden ist und Coppola seine eigenen Drehbücher zurückkaufen musste, wird nicht nur einmal erwähnt. Einmal wird Coppolas Karriere allerdings während der schwierigen Dreharbeiten am Set von „The Godfather“  durch den Oscar für „Patton“ gerettet, während an einer anderen Stelle nur auf die von Coppolas Arroganz scheiternden Verhandlungen mit den Studios eingegangen wird, die schließlich zu einer kurzzeitigen Aufgabe der Filmproduktion führten. Das er zwischen den beiden „Der Pate“ Filmen sein eigenes Drehbuch „Der Dialog“ inszenieren konnte, findet in diesem Buch nicht statt. Es gibt auch Widersprüche, wie George Lucas und Coppola zusammengearbeitet haben. Viele Quellen berichten davon, dass Coppola George Lucas einen bezahlten Drehbuchautorenjob bei Warner Brothers besorgt hat, damit er im Gegenzug als Assistent bei seinem Film arbeiten konnte, während Travers diese Querverbindung gar nicht zieht und Lucas ersten Film „THX 1138“ quasi als eine eigene Produktion von Coppolas Studio darstellt. Das ist aber faktisch nicht richtig. 

Es ist ein genauso langer Weg zum Drehbeginn von „Apocalypse Now“ wie anscheinend die eigentlichen Dreharbeiten. Die Zusammenfassung der chaotischen Produktion nimmt nur  50 Seiten ein. Eine gesonderte inhaltliche Verdichtung des Inhalts gibt es nicht. Der Autor setzt voraus, dass der Zuschauer/ Leser zumindest mit den wichtigsten Aspekten des Films vertraut ist, während Conrads Vorlage „Hearts of Darkness“ (auch hier findet sich mehrfach der Hinweis, dass Orson Welles es erst als Radioadaption und später erfolglos vor „Citizen Kane“ mit einer Kinoveröffentlichung versucht hat) zusammengefasst und aus unterschiedlichen Perspektiven ausführlich analysiert wird. 

Das Buch wirkt in dem Augenblick strukturierter, in dem sich der Autor ausschließlich auf die teilweise chaotische Produktion in Asien konzentriert. Ohne zu viel in die Details gehen zu wollen, versucht Travers die Balance zwischen dem sich kontinuierlich selbst überschätzenden Coppola zu finden, der Ratschläge von erfahrenen Filmemachern wie Roger Corman nicht annehmen wollte und der grundsätzlich schwierigen Logistik, eine Hollywoodproduktion in einem Dritte Welt Land aufzuziehen. Für einige Punkte kann Coppola nichts. Das Harvey Keitel der falsche Schauspieler für die Rolle gewesen ist, die der später einen Herzinfarkt erleidende Martin Sheen so brillant ausführte, ist angesichts der Alternativen, die Coppola zur Verfügung gestanden haben, eher als Unfall aufzuführen. Er muss sich allerdings selbst zu schreiben, dass er sich mit der Verpflichtung von Stars gegen anteilige Finanzierung vor allem von „United Artists“ selbst in eine Klemme geschrieben hat. Das er Marlon Brando nicht unter Kontrolle bringen konnte und seine Darstellung des Kurtz im Grunde durch einen Zufall eher so brillant und esoterisch verrückt geworden ist wie sie nicht geplant erscheint, liegt an Coppola. Dankbarkeit in einem Metier zu erwarten, in dem er selbst nur mittelbar sich als großherzig erwiesen hat, erscheint übertrieben. Während der Regenzeit drehen zu müssen und durch einen Wirbelsturm wichtige Sets zu verlieren, fügt sich nahtlos zu der mangelnden Vorbereitung und vor allem auch Coppolas Unerfahrenheit nicht hinsichtlich großer Produktionen, sondern der Koordination in einem fremden Land.  Travers bezieht bei seiner Betrachtung verschiedene Quellen mit ein. Dennis Hopper als fotographierender Berichterstatter ist ein direkter Hinweis auf Conrads Vorlage, in welcher es auch einen zusätzlichen Mittler zwischen den im Grunde zum Scheitern verurteilten Protagonisten und dem Leser gegeben hat. Robert Duvall mit seinem kurzen, aber so unglaublich einprägsamen Auftritt wird kurz erwähnt. Viel interessanter ist, dass John Milius Wagners Musik von Beginn an haben wollte, während Coppolas Frau sie abgelehnt hat. Am Ende dieser lesenswerten, aber nicht hinsichtlich ihrer Intensität in die Tiefe gehenden Seiten über die eigentlichen Dreharbeiten, die Schwierigkeiten mit den finanzierenden Studios und schließlich auch der persönlichen Wagnisse bleiben 250 Stunden Rohschnittmaterial über. Sowie ein Budget, das um das Vierfache überschritten worden ist. Viele Leser haben sicherlich eine deutlich intensivere Auseinandersetzung mit den Dreharbeiten vor Ort erwartet, aber wie bei „The Final Cut“ – diese empfehlenswerte Studie setzt sich mit den Dreharbeiten zu „Heaven´s Gate“ nicht nur ausgesprochen ausführlich, sondern vor allem auf jeder Ebene nachvollziehbar auseinander – sind zwischen der Entstehung des Films und den eigentlichen Dreharbeiten mehr als zwanzig bzw. im vorliegenden Fall sogar fast vierzig Jahre vergangen, so dass erstens viele Erinnerungen verblassen und zweitens der Erfolg des Films die Spuren überdeckt. So bleibt ein hinsichtlich der intensivsten Passage des Buches kleines literarisches Monster zurück, das sich auf den abschließenden sechzig Zeiten gegen die negative Kritik, den inzwischen gewandelten Zeitgeist und vor allem das deutlich überzogene Budget zu wehren beginnt.

Was folgt ist nicht nur die Nachbearbeitung des Films beginnend mit den verschiedenen Versionen, die Coppola im Laufe der Jahre zusammengestellt hat. Höhepunkt ist die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Drehbuch John Milius, der auch zu „Patton“ einige Ideen beigesteuert hat. Interessant ist, dass Coppola und Milius sich trotz oder vielleicht ihrer so unterschiedlichen politischen Meinung – extremer könnte das Spektrum nicht auseinanderklaffen – nicht nur gut verstanden haben, sondern dass sich aus ihrer beiden Visionen einige der interessantesten Visionen herausgebildet hat.  Es sind diese seltenen Augenblicke, in denen die vorliegende Studie wirklich auflebt und vor allem auch Lesern neue Informationen anbietet, die sich schon intensiv mit Coppola im Allgemeinen und „Apocalpyse Now“ vor allem im Gesamtkontext des Vietnamfilms beginnend bei John Wayne „Green Berets“ auseinandersetzt. Trotz oder vielleicht wegen der schwierigen Produktionsumstände ist es der letzte Film, in dem Coppola als unabhängiger Drehbuchautor, Produzent und Regisseur allerdings an einem monetären Gängelband der Studios glänzen kann. Es ist ein früher wie einsamer Höhepunkt eines schon während des Studiums sehr talentierten jungen Mannes, der zwischen den Windmühlen Hollywoods gegen seine Willen für seine großen Träume zerrieben worden ist. Es zeigt nur bedingt, wie gnadenlos rücksichtslos sich Coppola für die eigenen Arbeiten gegen alle Widerstände, aber auch teilweise gegen alle Logik eingesetzt hat,  um einmal zu triumphieren und dann mit „One from the Heart“ gnadenlos zu scheitern. Wer sich alleine mit „Apocalypse Now“ auseinandersetzen möchte, der findet hier eher rote lose Fäden, denen folgend er die Thematik vertiefen kann. Spärlich bebildert ist die vorliegende Studie vor allem während der ersten Hälfte mit den ständigen Wiederholungen eher enttäuschend und sehr schwerfällig zu lesen, während grundsätzlich mit entsprechender Quellenangabe zumindest die wichtigsten Fakten rekapituliert worden sind. Grundsätzlich wird aber sehr viel Potential durch diese lieblose und vor allem zusammenhanglose Aneinanderreihung von bekannten Fakten negiert. Eine durchschnittliche Studie. Wer sich gerne mit aus dem Ruder gelaufenen Produktionen auseinandersetzen möchte, sollte weiterhin „The Final Cut“ bevorzugen.        

McFarland Books

Print ISBN: 978-1-4766-6425-5
Ebook ISBN: 978-1-4766-2449-5
notes, bibliography, index
240pp. softcover (7 x 10) 2016

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