Zum ersten Mal schreiben wegen der verschiedenen Handlungsstrenge zwei Autoren – Robert Corvus und Oliver Plaschka – einen Perry Rhodan Neo Roman. Die Nummer 72 ist zusammen mit dem folgenden Band ein Abschluss der Epetrans Miniserie. In erster Linie ist dieser Band wegen der zahlreichen offenen Fragen, auf die es nur wenige griffige Antworten gibt, und der arkonidischen Geschichte interessant.Die schwächste der drei Handlungsebenen gehört nicht zum ersten Mal bei „Neo“ Perry Rhodan.
Auf der Flucht aus einer im Grunde aussichtslosen Situation ist Perry Rhodan ja vom kobaltblauen Walzenschiff und einem Ilt aufgenommen worden, den Rhodan zuerst für Guck gehalten hat. Der Ilt scheint auch unberechtigt an Bord zu sein, kann aber immer wieder die Schiffsysteme als eine Art Ungeziefer und anscheinend auch die Deflektoren täuschen. Ihr Gelingt sogar eine Gewaltteleportation durch den Schirm zu der Elysischen Halbwelt. Das alles erscheint schon sehr unwahrscheinlich und wirkt leider stark konstruiert. Auf der an die Südsee erinnernden Insel trifft Rhodan auf den Anführer des Ilt Widerstands, da die Mausbiber aus der Luft immer wieder von Drohnen angegriffen werden. Die Ilts sehen in Rhodan einen Arkoniden. Anscheinend hat der Imperator Pathis - hier schließt sich wieder angesichts dessen unorthodoxer Regierung ein Kreis - den Mausbibern Ersatztruppen versprochen. Es gibt einen kurzen Einblick in die Geschichte der Ilts. Bevor die Orghs die Mausbieber mitnehmen konnten, hat Es sie entführt und auf der eylsischen Welt deportiert, die jetzt mittelbar ironisch den Namen "Neu- Tramp" trägt. Die Ilts wollen dieser Gefängniswelt entkommen und zu diesem Zweck müssen sie die Polfestung mit Perry Rhodan als Zwangssoldat stürmen.
Die Idee, dass die sich im Orbit befindliche eylsische Welt in einem engen Zusammenhang mit WANDERER und damit auch ES steht, wird nicht nur auf dieser dritten Handlungsebene nachhaltig unterstrichen. Einige Ideen wie die Zwangsumsiedelung der Ilts sind aus der Erstauflage übernommen worden. Auch die Tatsache, dass ES sie nicht ins Paradies, sondern im Grunde in eine Art "Hölle" geschickt hat, entspricht der Ambivalenz der Superintelligenz, dessen Ziele mit den Arkoniden noch weiter extrapoliert werden müssen. Im Gegensatz zur Erstauflage scheinen die Arkoniden der erste Versuch der Superintelligenz gewesen zu sein, ein weiteres Hilfsvolk mit expansiven Möglichkeiten zu etablieren.
Dazu paßt die "Landung" des Regenten/ Imperators. Er sinniert über eine Legende, dass mit der Ankunft dieser Halbwelt alle Arkoniden wahrscheinlich von ES auserwählt worden sind. Angeblich soll die Zeit des Stillstands beendet werden. Betrachtet der Leser allerdings die bisherigen Ergebnisse, dann ist wenig von Stillstand zu sehen. Vielmehr müssten die verschiedenen Aufstände und die Bewegungen innerhalb der adligen Militärhierarchie für ausreichend Aufmerksamkeit sorgen. Die Degenierung eines ganzen Volkes wie in der Erstauflage ist wahrscheinlich auch durch das Fehlen des allmächtigen Robotergehirns wenig zu spüren und der Übergang von der bekannten Erwartungshaltung in das "Neo" Universum fehlt dem Leser nicht nur an dieser Stelle schwer. Der Regent wird von einem humanoiden Wesen im Namen von ES begrüßt. Er stellt sich als Saparei vor. Durch die Vergangenheitshandlung weiß der Leser mehr über Saparei. Nach seiner Ankunft wird er anscheinend mit einem Multiduplikator abgetastet. Das will er verhindern, da seine Existenz als nicht standesgemäßer Herrscher bekannt werden könnte. Er dringt in eine unterirdische Kammer ein und findet unter blauen Schirmfeldern eine Reihe von arkonidischen Imperatoren, vielleicht sogar alle Herrscher, die offensichtlich "tot" erscheinen. Es hatte angeblich versprochen, die toten arkonidischen Herrscher nach ihrem Flug zu den elysischen Welten wieder zu beleben und als Ratgeber des neuen Imperators fungieren lassen. In letzter Sekunde taucht Saparei auf und verkündet traurig, dass der Regent ein Geheimnis zu viel gesehen hat. Die Idee erinnert ein wenig an den Film "Ein Computer wird gejagt", wobei ES die Rolle des falschen Ratgebers einnimmt. Auch hier stellen sich fragen. Angeblich besucht ein Imperator die eylissche Welt ja einmal während seiner Herrschaftszeit, um etabliert zu werden. Nach seinem Tod kehren die Körper der Verstorbenen zurück. ES hat sicherlich die Möglichkeit, deren Bewusstseine an einem anderen Ort aufzubewahren. Die Legende würde auch eine Unsterblichkeit der Regenten implizieren, was in der Rhodanserie ohne Frage nicht unmöglich ist, aber eher unwahrscheinlich wegen Nichtnennung erscheint. Warum der Imperator/ Regent auf den ersten Blick erkennt, dass ES gelogen hat, obwohl es keinen faktischen Nachweis für das Versprechen und vor allem ein aktives beratendes Eingreifen der verstorbenen Regenten gibt, wird zu wenig nachhaltig herausgearbeitet. Mehr und mehr wird das bislang technokratisches arkonidische Imperium zu einer Spielwiese von Mythen und Legenden. Zusätzlich muss der vorliegende Roman herhalten, um in der Vergangenheitsebene dem Muster Isaac Asimovs "Foundation" Serie folgend die Gegenwart mit der Vergangenheit des arkonidischen Imperiums zu verbinden.
Die Vergangenheitsebene spielt vor sechstausend Jahren. Epetrans da Ragnaari ist der engste Vertraute des amtierenden Regenten. Epetrans weiß, dass die Entwicklung des arkonidischen Volkes in Wellen verläuft. Die Dellen in der Entwicklung, der Rückfall in die Barbarei möchte er verhindern. Dieses Mal befürchtet Epetrans, dass der Fall tiefer sein könnte und das Reich sein ganzes Wissen verlieren wird. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern schafft er eine Datenbank, die dezentralisiert im ganzen Arkonsystem verteilt ist. Logischer wäre es, sie im ganzen Reich zu verteilen, aber dieser Aspekt wird nicht diskutiert. Epetrans Sohn versteckt das Wissen ohne mit jemandem Rücksprache zu halten noch in den 371 Zusatzrüstmodulen für ihren Archäologieroboter Ovasa. Bedenkt der Leser, dass es sich um das Wissen eines Volkes handelt, dass selbst vor sechstausend Jahren schon alt gewesen ist, erscheint die Datenspeicherei wie die Idee des Epetransarchiv zu einfach beschrieben. Prompt werden von Terroristen, die mehr Macht in die Hände von Maschinen wie in der Erstauflage legen wollen, alle Standorte zerstört. Nur die Notspeicherung rettet das Wissen des Reiches, wobei nicht klar ausgedrückt wird, ob die Hauptspeicher unbeschädigt geblieben sind. Denn das arkonidische Volk ist ja evolutionär noch nicht ganz unten angekommen.
Epetran soll – anstatt ein neues Archiv aufzubauen und besser zu verstecken – sind um eine effektivere Aktivierung der Extrasinne bemühen und kommt dabei auf die Idee, die der Leser später als Epetrans Archiv kennenlernen sollte. So interessant diese Prämisse zusätzlich in der Theorie auch sein mag, die Empfänger der Daten können erstens die Massen nicht fassen und zweitens ist der Verfall einer Zivilisation vielleicht sogar in das Niveau der Barbarei auch „menschlich“ betrieben. Vielleicht wird die Technik nicht unbedingt mehr gewartet, aber angesichts von Revolutionen ist die Gefahr größer, diese humanoiden Träger zu verlieren. Trotz der weiterreichenden Erklärungen macht die Grundidee des Epetrans Archivs wenig Sinn. Alleine die Begegnung mit dem „Schöpfer“ ist eine Komponente, welche diese Ideenkette zugänglicher, aber nicht logischer erscheinen lässt.
Ein wenig umständlich und mit der Erwähnung der Posbis über die bisherige Handlung unnötig hinausgreifend beschreiben die Autoren die Vorgänge auf Imprasa und erfüllen alle Vorurteile Epetrans mit unbekannter Technik, Sinn entleerten Ritualen und vor allem Gleichgültigkeit von wichtigen Entscheidern. Auf den letzten Seiten werden zum Teil mit brachialen Methoden und der Idee eines zum Berserker werdenden, Epetrans Sohn“ tötenden“ Roboters die Vergangenheitsebene und die Gegenwart miteinander verbunden. Die „Neo“ Serie bringt auf den ersten Blick sehr viel mehr Hintergrundinformationen über den eher mystischen Extrasinn der Erstauflage hervor. Hinzu kommt, dass sich die Autoren bemühen, eine archaische und doch moderne Kultur zu beschreiben. Viele Ideen wirken teilweise ein wenig zu simpel gestaltet und deren Umsetzung absichtlich unnötig kompliziert. Zumindest zeigt diese Vergangenheitsebene als Höhepunkt des Romans auf, wo die in der Gegenwart beschriebenen, aber unverständlichen Entwicklungen ihren Ausgangspunkt genommen haben. Epetrans hätte es sich insbesondere hinsichtlich des noch wenig beschränkten zeitlichen Horizont einfacher machen können, das Wissen der Arkoniden besser zu schützen. Vor allem haben es Terroristen in der ganzen „Neo“ Serie viel zu leicht, elementaren Schaden anzurichten und die Obrigkeit zu überraschen. Vielleicht werden zu viele Informationen in einen konstruiert erscheinenden Roman gepackt, der in erster Linie unter einem sich statisch entwickelnden, verzweifelt die Andersartigkeit gegenüber der Erstauflage betonenden Zyklusaufbau leidet. Solide von beiden Autoren geschrieben ist es eine Wohltat, die Epetrans Handlung in absehbarer Zeit gegen eine wahrscheinlich intensivere Auseinandersetzung mit den Superintelligenzen und ihren falschen Versprechen eintauschen zu können.
Pabel Verlag
Taschenheft 160 Seiten
Erschienen im Juli 2014