Oliver Fröhlich beendet den Cliffhangar in Michelle Sterns den letzten Minizyklus abschließenden Roman und eröffnet im Grunde für Leser, welche den Klappentext der Taschenhefte nicht lesen, nicht erkennbar einen neuen Zyklus mit Namen „Arkon“. Und die zahlreichen Schwächen der „Neo“ Serie setzen sich im wahrsten Sinne des Wortes fort. Die dramatische Auflösung des letzten Romans war die Hinrichtung des Regenten durch Atlans, welche der plötzlich körperlich materialisierte Ernst Ellert im letzten Augenblick zu verhindern suchte. Wie in zahlreichen anderen „Neo“ Romanen ist tot am Ende eines Taschenheftes nicht verstorben im nächsten Band. Oliver Fröhlich und Frank Borsch versuchen die Leser und vielleicht sogar sich selbst zu überzeugen, dass das Double des Regenten in die Höhle eingedrungen ist, um die wichtigen Unterlagen zu stellen. Geht man von dieser wackeligen Prämisse aus – es ist im vorliegenden Roman unbewiesen, ob das Double des Regenten einen verzweifelten Versuch startet, um sein eigenes inzwischen nutzloses Leben zu retten oder ob es sich tatsächlich um den Regenten handelt – stellen sich verschiedene Fragen.
Es erscheint unwahrscheinlich, dass der Regent zwar noch nachvollziehbar sein Double zusammen mit Sergh und Stiqs in das Labyrinth schickt, ihm aber vor allem die Hintergründe dieser Mission haarklein erläutert. Es hätte gereicht, die zu holenden Dokumente oberflächlich zu beschreiben. Auch die Reaktion des Doubles auf die misslungene Mission wirkt überzogen. Wie ein kleines Kind desintegriert er Atlans ehemalige Geliebte aus Frust über das Scheitern der Mission. Diese Reaktion stünde eher dem Original als der Kopie zu. Aber selbst wenn diese Fakten noch akzeptabel sind, erscheint es konstruiert, das sich Ernst Ellert derartig täuschen lässt. Wenn er von wem auch immer erfahren hat, das ein Überleben des Regenten elementar für die Zukunft ist, dann müsste er auch wissen, dass es sich um ein Double handelt, das dort von Atlan getötet worden ist. Und warum haben die Attentäter keine Sekunde einen Zweifel, das sie vielleicht doch nur das Double erwischt haben? Immerhin haben sie im letzten „Neo“ von dessen Existenz erfahren und sich entschieden, dem Regenten in Begleitung seiner beiden Helfer zu folgen. Die Idee eines Ablenkungsmanövers für sie ist ihnen keine Sekunde gekommen.
Egal wie man dieses wichtige Element des vorliegenden Romans dreht oder wendet, es erscheint angesichts der Vorarbeit von Michelle Stern unglaubwürdig, unwahrscheinlich und wie vieles extrem konstruiert. Blickt man noch weiter in die kurze Vergangenheit der „Neo“ Serie, dann wurde impliziert, das Ernst Ellert zumindest eine Zukunft sehen kann. Er hätte also wissen müssen, das er erstens das Attentat nicht verhindern kann oder früher hätte eingreifen müssen und zweitens ein Double erschossen worden ist.
Wahrscheinlich wird sich Frank Borsch in einem der nächsten „Neo“ abmühen, die inzwischen unnötig verschlungenen wenigen roten Fäden der Serie zu ordnen und notdürftig Erklärungen hinter her schicken. Es sind aber nicht einzigen Erkenntnisse, welche den vorliegenden Roman zu einem teilweise bizarren Sammelbecken von guten Hintergrundbeschreibungen und einem grausam langweiligen Spannungsbogen werden lassen. Die Verfolgung von Sergh und Stiqs durch Atlan und Rhodan beinhaltet keine Spannung.
So versucht Iwan das eine Boot zu zünden, um die Flucht der beiden geschlagenen Arkoniden zu verhindern. Bedenkt man, dass er sich vorher gegen die kaltblütige Ermordung des Regenten gewehrt hat, wirkt diese gravierende Veränderung der Einstellung des Mutanten nicht überzeugend. Anschließend geht es für Jäger und Gejagte wie auf einem Vergnügungspark mit ausgefallenen Bordmotoren durch einen Kanal, einen Wasserfall hinab in eine weitere Höhle mit Leuchtmedusen. Hier treffen sie auf Albinonachkommen der Arkoniden, die vor zehntausend Jahren wegen der Maahkangriffe in die Katakomben geflohen sind. Mit dem auf den ersten Blick primitiv lebenden Albinovolk entwickelt Oliver Fröhlich als positiven Höhepunkt des ganzen Taschenheftes eine interessante und vielschichtige Kultur, deren Aspektee eher aus dem Fantasymilieu stammen. Sie versorgen sich neben dem eigenen Anbau von den Abfallstoffen der Oberfläche, die durch den Fluss angespült werden.
Wenn die Gefangenen betäubt und ausgeplündert werden, erscheint es wieder unwahrscheinlich, dass sie den Zellaktivator als wertlos abqualifizieren und ihn Crest lassen. Es ist schade, das viele „Neo“ Autoren die von ihnen erschaffenen Kulturen so ambivalent einsetzen und damit jegliche Spannung/ Dramatik, auch wenn die Idee des gestohlenen/verschwundenen/verliehenen Zellaktivators durch die Originalserie schon über extralange Bärte verfügt, negieren. Auch Stiqs Selbstmord inklusiv der Rückgabe des Zellaktivators an Atlan wirkt wenig überzeugend. Durch den Fund zahlreicher Waffen – ganz haben sich die Albinos nicht von ihren Wurzeln abgeschottet, auch wenn das Vorhandensein dieser Waffen und die Tatsache, das angeblich niemand das unterirdische Volk in zehntausend Jahren einer technologischen Entwicklung wieder gefunden hat, unwahrscheinlich erscheinen – wäre er gegenüber seinen Verfolgern in dieser Situation im Vorteil gewesen. Und depressiv erscheint er ebenfalls nicht. Mit dem Anflug eines schlechtes Gewissens zu argumentieren, käme man nicht weit. Hinzu kommt, dass mit dieser melodramatisch kitschigen Geste der „Wir besorgen dem Regenten einen falschen Zellaktivator“ Handlungsbogen endlich abgeschlossen worden ist. Erstens verfügte der Regent schon über einen Zellaktivator, was zumindest Rhodan und Atlan nicht wissen konnten. Zweitens ist die Übergabe dieses manipulierten Aktivators nur in Form einer Scharfschaltung sinnvoll. Das übernimmt Es wahrscheinlich im nächsten fünfzigsten Roman der Serie aus der Feder Frank Borsch. Bislang ist diese Geste sinnfrei. Zumal anscheinend auch zahlreiche andere, ansonsten fast allwissende Kräfte nicht mehr genau wissen, wer funktionierende Zellaktivatoren hat, welche Produktionsreihe en Vogue ist und was man damit anstellen kann. Und warum soll Rhodan plötzlich Interesse an einem in mehrfacher Hinsicht „gebrauchten“ Aktivator haben, nachdem er das Original von „Es“ zu Gunsten von Crest abgelehnt hat?
Er konnte doch hautnah verfolgen, welche Folgen die relative Unsterblichkeit auf das Ego eines lebenserfahrenen Mannes wie Crest hat. Zusammengefasst ist Oliver Fröhlichs Arbeit ein ambivalenter Roman. Die grundlegende Handlung ist einfach gestrickt und erinnert an zahlreiche Pulpgeschichten, in denen auf den ersten Blick isolierte Völker durch das Erscheinen von Schurken und Helden zugleich aus ihrer bisher funktionierenden Welt mit Gewalt gerissen werden. Nicht wirklich etwas Originelles, aber zumindest solide und routiniert geschrieben. Viel schlimmer sind aber die Implikationen hinsichtlich des bisherigen Zyklusverlaufes und der Ausblick auf die Zukunft.
Frank Borsch scheint den Überblick zu verlieren und versucht nicht zum ersten Mal die unnötig komplizierten, wenig überzeugenden Pläne und kryptischen Andeutungen mit einer Art Schlüsselroman zu ordnen. Herausgekommen ist offen gesprochen nichts. Der ganze Plan mit der Zellaktivatorübergabe hat sich im Nichts aufgelöst und die Ideen mit dem Regentendouble erscheint stark konstruiert und in letzter Sekunde dem vorliegenden Werk hinzugefügt. Oliver Fröhlich kommt mit den eindimensional charakterisierten Figuren solide zurecht, aber insbesondere Perry Rhodans Wandlung vom Zauderer zum auf die Faktoren Expose und Zufall hoffenden wenig charismatischen Anführer wirkt wie ein Kompromiss gegenüber der Lesererwartung.
Frank Borsch versucht ambitioniert, „Neo“ von der alten Serie abzugrenzen. Dabei verliert er sich in wenig durchdachten Minizyklen und wirft mit Versatzstücken um sich, die rückblickend kein harmonisches Bild der Serie ergeben. Hinzu kommt, das die Widersprüche in der Logik der Serie eher dazu verleiten, von „Neo“ auf die unter Christian Montillon und Wim Vandemaan erstarkte Hauptserie zurückzuwechseln.
Taschenheft, 160 Seiten
Pabel Verlag
August 2013 erschienen