Hexer Stanley Chroniken Band 2

Hexer Stanley Chroniken Band 2,Müggenburg, Thomas Harbach, Rezension
H.J. Müggenburg

Christian Montillon versucht in seinem dieses Mal ein wenig unmotivierten Vorwort die Faszination der „Hexer Stanley Chroniken“ zu erläutern. Dabei klebt der Autor zu sehr an einzelnen Textbeispielen, die nicht gänzlich ausreichend sind, um diese einzigartige und zeitlose Reihe wirklich unwissenden, vielleicht sogar unter 50 Jahre alten Lesern ans Herz zu legen . Alleine die Plots inklusiv der handelnden Personen sollten H.J. Müggenburgs Intention unterstreichen. In diesem zweiten Band sind die Romane „Unternehmen Frankenstein“ – ursprünglich als „Duell im Vampirschloss“ als Silber Grusel Krimi 84 im Zauberkreis Verlag 1975 erschienen  - und „Der Gilgit- Teppich“ – Erstveröffentlichung als „Satans erste Garnitur“ im Rahmen der Silber Grusel Krimi als Nummer 80 – zusammengefasst worden. „Satans erste Garnitur“ erschien als zweiter Roman der Serie. Da Peter Emmerich bei dieser Werksausgabe neben den ungekürzten Texten auf die Chronologie achtet und die Handlung im zugrundeliegenden Originalmanuskript im Januar 1974 spielt, erscheint dieser Roman als vierten Teil der „Hexer Stanley“ Chroniken.  Wie stark sich die Bearbeitung des Verlages an einem der schon im ersten Sammelband veröffentlichten Romane ausgewirkt hat, zeigt der von Peter Emmerich zusammengestellte Anhang dieses Sammelbandes.

Um auf den Plot und damit Müggenburgs Humor zurück zu kommen, reicht ein Blick in die roten Fäden dieser hier zusammengestellten Romane. Es geht um die Aufzeichnungen Frankensteins, mit denen sich auch heute noch ein Monster bauen lassen kann. Diese Entwicklung gipfelt in dem absurden Versuch, den Kopf von Hexer Stanley auf den Körper seiner eleganten Gattin Anne Rose zu verpflanzen. Noch absurder und damit auch unterhaltsamer ist die Grundidee des zweiten Romans „Der Giltgit- Teppich“, in dem es wirklich um einen fliegenden Teppich geht, den sich ein italienischer Gangster sprich Unternehmer unter den Nagel reißt, um damit nicht nur Kollegen zu befreien, sondern vor allem auch eine neue Art des Verbrechens zu begehen.  So farbenprächtig die Plots auch auf den ersten Blick erscheinen mögen, Müggenburg ist sich bewusst, dass er die Handlung geradlinig und damit auch ernsthaft erzählen sollte, um überzeugen zu können.  Vielleicht geht er hinsichtlich des Korsetts ein wenig zu stereotyp vor, aber die einzelnen Episoden machen diese Schwäche wett. In beiden Fällen wird anfänglich ein Mensch erschossen.  Im ersten Band ist es ein Bote, der mit wichtigen Unterlagen – eben den Aufzeichnungen Frankensteins – unterwegs zu Earl Stanley gewesen ist. Im zweiten Teil wird ein Teppich Knüpfer von dem besagten Gangster bzw. seinen Handlangern erschossen, da durch das Aufsaugen eines bestimmten Koran Verses  sich der Teppich durch Schweben selbst verraten hat. In beiden Romanen wird später Anne Rose entführt. Einmal aus einem Friseursalon in einer rumänischen Stadt, der anscheinend von Vampiren kurzzeitig extra für sie aufgemacht wird. Im zweiten Band von der weiblichen Killerin Jane – sie könnte wie einige andere Ideen direkt aus einem James Bond Roman bzw. Film stammen -, welche die naive, auch im Feindesland gerne einkaufen gehende Anne einfach außer Gefecht setzt und quasi einsammelt. Dadurch sind die Reaktionen vom Großmeister der Weißen Loge vorhersehbar und die bisher ein wenig ziellosen Reisen durch Europa fokussieren sich auf das Versteck der Schurken und die Befreiung der Gatten. Alleine im letzten Abenteuer schleicht sich mit der versuchten Vergewaltigung ein deutlich dunklerer Unterton ein, wobei es gleichzeitig eine der wenigen Szenen ist, in denen Anne beweisen kann, das sie weniger dem Klischee der nicht ungebildeten Ehefrau entspricht, sondern sich auch ihrer Haut zu wehren weiß.  Der finale Showdown ist in beiden Romanen effektiv. Da Peter Emmerich die ungekürzten Originaltexte publiziert hat, leiden die weniger unter den Beschränkungen des Heftromans, sondern der Leser hat ein wenig den Eindruck, als habe der Autor durchaus positiv seine ganze Kreativität auf den Weg und weniger auf das Ziel ausgerichtet.

Vor allem leben die „Hexer Stanley Chroniken“ aber von den fast surrealistisch überzeichneten Gestalten. Schon im ersten Doppelband  wirkte der schottisch Butler George McLowrie wie eine Mischung aus einem älteren britischen James Bond ohne die Lizenz zum direkten Töten, der mit seiner britisch arroganten Haltung, seinem zurückhaltenden Auftreten, der Liebe zu Kriminalromanen und vor allem seinem Arsenal exotischer Waffen – auch hier sei auf die Melone hingewiesen, die aufmerksame Zuschauer sowohl aus „Goldfinger“ wie auch aus der Reihe „Mit Schirm, Charme und Melone“ vergleichbar eingesetzt kennen – und ehemals hoch geborenen Adligen, der jeden Tag seine Königin anbeten würde, um den Union Jack über allen Ländern der Erde wehen zu sehen. Seine Dialoge sind kurz und knapp, der Humor irgendwo zwischen Knochentrocken und tiefschwarz angesiedelt. Nichts kann ihn erschüttern, auch wenn ein Kratzer im 800 PS starken Rolls Royce durchaus als Ärgernis angesehen wird. Hexer Stanleys Gattin ist weniger nervig als in den ersten Romanen. Auch wenn sie meistens eher dazu dient, den Monologen der beiden dominanten Männer zu lauschen, in denen stellvertretend der Leser über Frankensteins Herkunft oder gar das Wesen der Vampire informiert wird, darf sie in zwei/ drei Stellen tatsächlich in die Handlung eingreifen. Höhepunkt ist das Gespräch mit einem britischen Versicherungsvertreter, der im Schloss der Schurken täglich gefoltert wird und quasi an seinen Ketten herumhängt.  Die Dialoge inklusiv der Anweisungen für den eher naiven Folterknecht sind köstlich und in diesen Szenen losgelöst vom laufenden Plot erscheinen die Hexer Stanley Romane nicht nur zeitlos, sondern ausgesprochen modern. Selbst die kleine Exkursion in den Bereich des eher harmlosen Bondage im zweiten Band passt sich nahtlos in die laufende Handlung ein. Das Hexer Stanley nicht nur intellektuell gefordert wird, zeigt die Sequenz, in welcher er einem Vogel gleich auf das Schloss des Feindes niederschwebt, während sein Dinner pragmatisch, aber wild entschlossen angewidert vom mangelnden Recyclingwillen der Rumänen den Fußweg natürlich über die Zugbrücke wählt.   Nicht selten eher delegierend aktiv hat der Autor die Fassungslosigkeit Stanleys gegenüber seiner Frau ein wenig zurückgefahren und lässt seine Figuren auf die anfänglich sehr ernsten Bedrohungen effektiver reagieren, wobei natürlich der perfekte britische Butler vom Anziehen seines Herren bis zum Werfen der Melone voller Sprengstoff alles beherrscht, ohne sein blütenweißes natürlich gebügeltes Hemd kraus zu legen. Was will man als Großmeister einer Loge mit einem Nebenerwerb als „Earl“ und vor allem adliger übernatürlich begabter Mann für besondere Missionen mehr?    

Obwohl es ausreichende Actionszenen gibt – so hat einer der Schurken sogar James Bond Aston Martin gekauft und die Maschinengewehre wieder einbauen lassen -, kann der Leser positiv die Gegenspieler nicht ernst nehmen. Der sich die Unterlagen Frankensteins besorgende wahnsinnige Hexer mit seinen Experimenten auf dem Weg, nicht einen neuen Menschen, sondern groteske Kreaturen zu erschaffen, ist noch eine Mischung aus zahllosen Horrorfilmen vor allem britischen Machart, aber der italienische Gangster – er betreibt nebenbei eine Sauerkrautfabrik – entspricht allen Klischees der Klamotte. Arrogant wie dumm beginnt er seinen Teppich zu vermieten und hofft, von Hexer Stanley das Versteck von anderen orientalischen Artefakten wie der Wunderlampe zu erfahren.

Alleine wegen der vielen kleinen Einfälle dieser geradlinig geschriebenen Roman lohnt sich die Wiederentdeckung vor allem auch in der wirklich sorgfältigen zusammengestellten, sowohl als Taschenbuch wie als E Book veröffentlichten Sammelausgabe, die ja um zwei bislang unveröffentlichte Texte sogar erweitert wird. Kurzweilig geschrieben, stilistisch teilweise subtil doppeldeutig voller bizarrer, auf den ersten Blick lächerlich erscheinender Ideen mit drei ungewöhnlichen Helden ist „Hexer Stanley“  im Grunde der burleske Gegenentwurf zu „Professor Zamorra“, der ja auch Mitte Juni noch ernst und getragen das Licht der Welt erblickte.   

      

Emmerich Verlag

ISBNISBN-10: 1515331709 / ISBN-13: 978-1515331704
Größe/Umfang20,3 x 12,7 x 1,6 cm / ca. 252 Seiten
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