Der Übergang zwischen Frank Borsch und Rüdiger Schäfer/ Michael Buchholz in der „Neo“ Exposeredaktion lässt sich vielleicht am vorliegenden, vom neuen Expokraten verfassten Roman am ehesten ablesen. Zwei Handlungsbögen, die erstens unterschiedlicher nicht sein könnten und bei denen zweitens die inneren Abläufe sehr hektisch erscheinen. Die „Neo“ Serie hat ja von Beginn an unter Frank Borschs sehr unglücklichen Timing Gefühl gelitten. Die „real“ abgelaufene Zeit hat selten zu den Vorgängen innerhalb dieses Handlungsbogen gepasst. Auf der irdischen Handlungsebene erkennt der Leser das vor allem bei dem Wiederrichten von Bauwerken sowie der Zeit, die bis zur Urteilsvollstreckung vergangen ist. In den letzten Bänden hatte der Leser das unbestimmte Gefühl, als ginge es manchmal bei der Besetzung der Erde gar nicht voran oder die Sprünge waren so gewaltig, dass die Zusammenhänge fehlten. Da Rüdiger Schäfer sich bei seinen Zyklen auf konzentriertere und vielleicht auch bodenständigere Plots fokussieren möchte, müssen auch noch einige Handlungsbögen abgeschlossen werden. Die wichtigste Ebene wäre der Weg nach Derogwanien, den Rhodan, Reginald Bull, Ras Tschubai zusammen mit Sannasu und Neyle gehen. Ein Teil der Gruppe geht durch den aufgefundenen Transmitter, während die restliche Gruppe sich mit Hilfe der Orristan um Vulkan kümmern soll. In einem Punkt ist die „Neo“ Serie weiterhin konsequent. Während zu Beginn überall alte, zum Teil jahrzehntausende im Wasser liegende Kriegsschiffe unabhängig von ihren Beschädigungen gebrauchsfertig gemacht werden konnten, finden sich an anderen Stellen Transmitter, welche die zu befördernden Personen auf keinen Fall an ihre Bestimmungsorte bringen. Die Protagonisten machen sich selbst nach den gemachten Erfahrungen in dieser Hinsicht keine Gedanken, so dass sie für ihre Naivität folgerichtig auch betraft werden müssen. Es ist schade, dass unter der Ägide von Frank Borsch immer wieder Klischees aufgenommen und so wenig variiert worden sind. Während in der laufenden Erstauflage das Klischee des Zeitrisses und damit der Zeitreise inklusiv aller Risiken anfänglich zumindest originell erzählt worden ist, wirkt die Vorgehensweise bei den „Neo“ Romanen sehr stereotyp. Dank des ultimativen Helfers – das Enteron – finden sie schnell heraus, dass sie auf dem inzwischen atmosphärelosen Planeten Kedhassan/ Tramp sind. Damit diese Fakten auch überdeutlich werden, gibt es den entsprechenden greifbaren Hinweis. Auf der anderen Seite lassen Frank Borsch und Rüdiger Schäfer auch nichts verkommen. Die Gruppe trifft auf den Arkoniden Charron da Gonozal, der eine unbestimmte Zeit durch die Katakomben dieser Welt geirrt ist. Um von dem Planeten wieder herunter zu kommen – die Transmitter funktionieren ja nur in eine Richtung und Gegenanlagen müssten gesucht werden – brauchen sie die Hilfe der dummen Wächter im Orbit, die eher mit sich selbst beschäftigt sind. So verhören sie seit einiger Zeit nicht nur den Planeten, sondern ein Gefangener wird kontinuierlich verhört. Der Xisrape Damurion konnte allerdings bislang keine wirklich relevanten Informationen anbieten. Im Grunde verwendet Rüdiger Schäfer diese eher eindimensional geschnitzten Protagonisten insbesondere im vorliegenden Roman ausgesprochen pragmatisch. Zumindest verzichten die Autoren dieses Mal darauf, den Plan wirklich umzusetzen. Die Mission Rhodans droht angesichts der Voraussetzungen zu scheitern. Die Schutzanzüge der Wotok an Bord des Ringschiffs könnten die Waffen der Menschen abwehren. In letzter Sekunde kommt ein weiterer, leider auch zu oft verwandter Trick zur Geltung. Ernst Ellert taucht auf und bieten den Menschen die Flucht durch einen Zeitbrunnen an. Im Gegensatz zum in der Erstauflage wieder als Persönlichkeit erstarkten Anführer zaudert Rhodan und will einen aus der Gruppe gegen alle Wahrscheinlichkeiten wieder befreien. Schließlich geht er durch den Tunnel. Diese Auflösung einer im Grunde unmöglichen Situation ist frustrierend. Mal taucht der Goldene in der letzten Sekunde auf und leiht sich Rhodan, dann nicht zum ersten Mal Ernst Ellert. Es ist schade, wie spannungsarm und gegen jede Logik die „Neo“ Autoren diese relevanten Action Szenen in der Manier billiger amerikanischer Blockbusterproduktionen auflösen. Auf der anderen Seite scheint das Publikum diese Vorgehensweise aber auch irgendwie zu lieben. Zumindest präsentiert Rüdiger Schäfer in einer der besten Szenen des ganzen Romans einen Blick auf das Schicksal des verschwundenen Imperators.
Der zweite Handlungsbogen ist noch schwieriger zu gestalten. Alleine die Voraussetzungen entsprechen nicht den Arkoniden, die Perry Rhodan ja bei seiner unlogischen Suche nach dem Epetransarchiv im Arkonsystem kennengelernt hat. Diese Arkoniden machen im Gegenteil zu den ersten in der virtuellen Irrealität träumenden Mitgliedern der Thora/ Crest Besatzung einen agilen Eindruck. Der Arkonide Asech Kelange soll am Ende des Mordprozesses nicht nur schuldig gesprochen, sondern um die Bevölkerung ruhig zu bekommen auch möglichst hingerichtet werden. Was für ein Aufwand für eine primitive Welt. Diese Frage stellt sich jeder Leser. Bislang haben die Arkoniden die anderen Planeten rücksichtslos unterdrückt. Der Autoren allen voran Frank Borsch haben ja mehrfach nachdrücklich klar gemacht, dass die Erde aus bislang unerklärten Gründen anders ist. Aber solange die Fakten nicht auf dem Tisch liegen, muss man diese theoretischen Erklärungen akzeptieren. Natürlich hat nicht nur jeder Prozess seine Risiken, wie der Leser aus den letzten „Neo“ deutlich entnehmen konnte, handelt es sich um keinen vorsätzlichen Mord, sondern um eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände, die schließlich zum Tode einer jungen Dame führten. Um kein Risiko zu haben, werden sogar Beweise gefälscht. Rüdiger Schäfer kann diese kitschigen Szenen nicht mit einem ernsten Gesicht niedergeschrieben haben. Hier wird jedes Klischee bedient. Zumindest wird das Todesurteil erzielt, um die Öffentlichkeit ruhig zu halten. Angesichts der Aktivitäten der Widerstandskämpfer und vor allem einiger Aktionen der Arkoniden eine Idee, die komplett leider nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern vielmehr in der vorliegenden Form kitschig/ pathetisch und langweilig präsentiert wird.
Es gibt einen Hinweis auf eine potentielle Wunderwaffe aus der Venuszuflucht. Aber diese Episode wirkt eher wie Füllmaterial. Schöner ist, dass das Versteck der terranischen Flotte über die Analyse des Mageninhalts eines aus dem All geborgenen Terra- Naats analysiert werden kann. Dank des Spektraltypes der Sonne bleiben nicht viele in Frage kommende Systeme übrig. Rüdiger Schäfer scheint ein CSI Fan zu sein. Vielleicht ist diese Episode als Hommage gedacht. Mit dem nötigen Abstand liest sie sich aber gut. Da Satrak eine Vernichtung der Flotte nicht ins Auge fasst, muss wieder manipuliert werden. Die Konflikte in den Hierarchieebenen der Arkoniden sind auch hinlänglich bekannt. Es ist interessant, wie ein derartig in sich zerstrittenes Völkchen hinsichtlich seiner Oberschicht überhaupt etwas erreichen konnte, aber auch hier gilt wie für den ersten Handlungsbogen, das ohne die inzwischen frustrierend häufige Nutzung von MacGuffins nicht mehr geht und die Terraner mit ihrem potentiellen „Mann im All“ von alleine gar nichts mehr hinbekommen.
Neben den Hinweisen auf Ernst Ellerts Aktion auf Derogwanien ist die dritte, eher indirekte Handlungsebene von Interesse. Der rätselhafte aufgefundene Riese ist inzwischen von dem Ara Phiaster in seine Wohnflucht transportiert worden. Wie es sich für einen Haluter gehört, befreit er sich relativ spektakulär. Am Ende könnte der Haluter ins Arbeitszimmer von Homer G. Adams gelangt sein, was nicht durchsucht werden darf. In dieser kurzen Zeit bis die Arkoniden ins Zimmer dürfen, ist der Haluter verschwunden. So spektakulär der Auftritt des schwarzen Riesen auch erst, so sehr endet der Handlungsbogen im konstruierten Nichts. Natürlich sieht man in der Flucht des Unbekannten, dessen Potential nicht einmal einschätzbar ist, auch die erneute Möglichkeit, die Rebellen auf der Erde unter Kontrolle zu bringen. Warum das eine auf das andere angesichts des bisher eher amateurhaften Vorgehens einer so erfahrenen Besatzungsmacht schließt, erklärt Rüdiger Schäfer nicht mehr. „Schergen der Macht“ – der Titel ist auch falsch, da es im Grunde nur kleinere Interessensgruppen mit eher ambivalenten Zielen gibt – ist ein nur oberflächlich unterhaltsamer Roman, in dem sich Rüdiger Schäfer teilweise verzweifelt, teilweise ein wenig konstruiert Mühe gibt, die verschiedenen Handlungsbögen mit inhaltlicher Logik zu füllen. Aber Mühe genügt vor allem in diesem an Informationen nicht unwichtigen Roman leider überhaupt nicht, um das Durchschnittsniveau zu erreichen.
Pabel Verlag, 160 Seiten
Taschenheft