Das verrückte Raumschiff

Randall Garrett

In erster Linie ist Randall Garrett heute noch für seine Kurzgeschichten und Romane um Lord Darcy bekannt. Einen viktorianischen Ermittler, der in einem Parallwelt London ermittelt, in der Magie real ist. Michael Kurland hat später zwei Romane um diese populäre Figur hinzugefügt. Alle Arbeiten sind vor Jahren im Bastei- Verlag erschienen. Auch in der Science Fiction stellte Randall Garrett vor seinem freiwilligen Rückzug in den sechziger Jahren ein ambivalentes Schwergewicht dar. Seine Texte erschienen in allen wichtigen Science Fiction Magazinen. Unter verschiedenen Pseudonymen arbeitete er unter anderem mit Robert Silverberg oder Harlan Ellison zusammen. In den achtziger Jahren verfasste seine Frau Vicki Ann Heydron nach Garretts Expose die ebenfalls in Deutschland veröffentlichte "Gandalara" Serie zu schreiben. 

Der im Original "A Spaceship named Mc Guire" lautende im Rahmen der Terra Nova Reihe veröffentlichte Roman "Das verrückte Raumschiff" setzt sich aus zwei miteinander verbundenen Episoden um den Ermittler Daniel Oaks zusammen. In der Tradition der Hardboiled Detective Geschichten erzählt Oaks die Ereignisse aus der Ich- Perspektive, wobei er gleich auf der ersten Seite lügt. Sein Auftrag ist nicht unbedingt gewesen, den Prototyp eines neuen Raumschiffs, dessen Abkürzung zu Mc Guire geworden ist, zu stehlen, sondern im Auftrag des Projektentwicklers zu überprüfen, warum die bisherigen sechs Prototypen anscheinend sabotiert worden sind. Gleichzeitig soll er auf die halbwüchsige Tochter des Werftinhabers aufpassen. Zwei Aufträge zusammen. Der Leser lernt Oaks als entschlossenen, arroganten und ein wenig selbst verliebten Mann kennen, der überdeutlich macht, dass er erstens nicht käuflich, sondern nur zeitlich begrenzt zu mieten ist, sich zweitens seine Aufträge aussuchen kann und drittens unorthodoxe Wege geht, die nicht immer im Sinne des eigentlichen Auftraggebers zu verstehen sind. Die erste Hälfte des Romans ist erstaunlich schnell erzählt. Nach der Übernahme des Auftrages fliegt er mit der Tochter zur entsprechenden Werft und besichtigt das Schiff. Dabei trickst er die Stimmenerkennung des kleinen Kreuzers relativ schnell aus. Als die Tochter bei einiger ihrer waghalsigen Aktionen verschwindet, kann Oaks eins und eins zusammenzählen.

Mit leichter Hand ohne den Zynismus des Hardboiled Krimis mischt der Autor munter einige Elemente zusammen. So verfügt die Tochter über die Fähigkeit, Menschen zu manipulieren und auf sich einzuschwören. Ob es sich um eine Mutation handelt oder einfach eine besondere Gabe wird verschwiegen. Natürlich funktioniert es nicht bei Oaks. Das der Sicherheitschef den Eindringling nicht mag ist genauso ein Klischee wie der Diebstahl des Schiffes, der allerdings nur mit Oaks Zustimmung erfolgen kann. Die Auflösung wirkt ein wenig schwammig, zumal Hassliebe auf den Vater und die Idee, nicht endgültigen Schaden zuzufügen konträr gegenüberstehen. Interessanter ist die zweite Hälfte des Romans. Aufgrund seines Tricks - die wichtigsten Aspekte des ersten Teils werden noch einmal zusammengefasst, was für eine ursprünglich gesondert veröffentlichte Kurzgeschichte spricht - muss Oaks bei den zukünftigen Probeflügen gegen eine ordentliche Bezahlung an Bord bleiben. Als er an Halsschmerzen erkrankt, droht der Besatzung ein Irrflug durchs All, der nicht mehr durch Lebensmittel gedeckt ist. Diese auf den ersten Blick surrealistisch erscheinende Idee macht den geradlinigen, aber zu kurzen Plot des zweiten Romanteils lesenswerter. Da Randall Garrett insbesondere seine Hauptfigur nicht weiter entwickelt und für das Großkapital nur Hohn und Spott übrig hat, wirkt der Plot zu dünn. Auch die Idee, Oaks vor dem eigentlichen Flug mit einem lukrativen Auftrag auf die andere Seite der Sonne zu "schaffen" macht nicht unbedingt Sinn, zumal dem Angebot keine Taten folgen. Nur das Misstrauen wird weiter geweckt, was rückblickend zu einfach erscheint. Wie schon angedeutet muss Oaks seinem "Vorbild" Lord Darcy folgend in diesem Fall den Computer des Raumschiffs davon überzeugen, dass er wirklich er ist. Seine Lösung ist vielleicht nicht so elegant wie in den angesprochenen Darcy Krimis, aber mindestens genauso effektiv. Das Ende ist solide und spricht eigentlich für weitere Kurzgeschichten um den knallharten Mann für besondere Fälle, der mit Waffe an der Hüfte aus einem Kriminalroman der vierziger Jahre direkt in Randall Garretts relativ simpel, aber effektiv entwickelte Zukunft gestiegen ist. Weitere Geschichten sind aber nicht bekannt bzw. veröffentlich worden

Vielleicht hätte das intelligente Raumschiff mit einem besonderen Lerneffekt etwas mehr in den Mittelpunkt der Handlung gestellt werden müssen. Im Gegensatz zum irreführenden deutschen Titel der Heftromanausgabe ist es natürlich nicht verrückt, sondern folgt der in verschiedener Hinsicht zu einseitigen Programmierung durch seine Schöpfer. Bevor die Handlung allerdings zu absurd wird, bereinigt Oaks mit Logik die Situation. Rückblickend hat Garrett aber keine Lösung hinsichtlich der weiteren Nutzung dieses inzwischen technisch perfekten Raumschiffs parat, so dass die zweite Kurzgeschichte Pointen technisch sehr in der Luft hängt und der Leser den Eindruck hat, als habe das Autor das Interesse an Oaks und der Mc Guire verloren. 

Zusammengefasst ist der kurzweilig zu lesende Heftroman mit einer Doppelgeschichte auf dem positiv gesprochen Niveau eines H. Beam Piepers mit einem allerdings weniger stark ausgeprägten ironischen Unterton eine Wiederentdeckung wert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Garretts Werks wie in den USA durch kostengünstige E- Book Publikationen in Deutschland neu entdeckt wird, erscheint gering, daher sollten sich Interessierte entweder auf die Suche durch Antiquariate nach seinen Titeln machen oder zu den beiden E- Book "Randall Garrett Megapacks" greifen, in denen fast sein ganzes Kurzgeschichtenwerk inklusiv einiger Romankooperation einer neuen Lesergeneration zugänglich gemacht worden ist.    

 

Terra Nova 72

Heftroman, 66 Seiten

Pabel Verlag, 1969 veröffentlicht