Als Terra Taschenbuch 157 erschien mit „Räuber von den Sternen“ das dritte und für den Moewig Verlag auch letzte Abenteuer der „Agent of T.E.R.R.A.“ Reihe Der deutsche Titel legt den im Grunde wichtigsten Plotteil offen. Im zweiten Band „Die goldene Göttin“ hat sich ein Gegenspieler Hannibal Fortune in kleinen Oasen der Geschichte breit gemacht, die kurze Zeit später vor allem durch Naturkatastrophen vernichtet worden sind. Allerdings weniger, um die dort lebenden Menschen zu unterdrücken oder auszuplündern, sondern er hat ihnen eine frühkapitalistische Zivilisation allerdings mit kleinen Einschränkungen bei Menschenrechten im Allgemeinen und dem Status der attraktiven wie jungen Frauen im Besonderen. Der Originaltitel „The Emerald Elephant Gambit“ verbürgt eine Variation dieses Themas, während der deutsche Titel offenlegt, dass Agenten des ewigen Gegenspielers E.M.P.I.R.E. die menschliche Geschichte quasi plündern, in dem sie den naiven Menschen in der Vergangenheit Schutz vor Invasoren oder Naturkatastrophen versprechen, wenn sie ihre Schätze auf den Altaren spenden. Natürlich haben die „Räuber von den Sternen“ die Beute eingesackt, haben die Menschen im Stich gelassen und sind quasi zur nächsten Epoche weitergereist, um den Coup der Jahrtausende zu wiederholen.
Mit dem dritten Abenteuer zeichnen sich auf der einen Seite inzwischen markante, aber auch bekannte Handlungsmuster ab. So wird Hannibal Fortune quasi zu seinem Einsatz durch einen Zeitagenten gerufen. Diese sind nicht selten weiblich. Der Leser erfährt, dass sich die Agenten immer für zehn Jahre in einer Epoche verpflichten. Dieses Mal handelt es sich bei der im Indus- Tal stationierten Luise um eine Frau, welche einen Einsatz des Lebemanns Hannibal Fortune in ihrer Epoche befürchtet und lange Zeit unschlüssig ist, ob sie wirklich um Hilfe rufen soll. Über fast zehn Jahre hat sie die aufblühende Stadtkultur Mohenjo-daro begleitet. Ein Barbarenheer bedroht die Stadt. Die Menschen werden sterben, aber die Plünderungen und damit der mögliche komplette Verlust ihrer Kultur ist allerdings kein Teil der bekannten menschlichen Geschichte.
Aus „Agenten der Galaxis“ greift Larry Maddock die Idee auf, dass die Häscher von E.M.P.I.R.E. mit im ersten Buch an fliegende Untertasse erinnernden silbernen Gefährten über den Städten stehen und so die Menschen zum Spenden aufrufen. Im vorliegenden Abenteuer werden die Fahrzeuge ein wenig anders, länglicher beschrieben. Es wäre sinnvoll, die Idee konsequent fortzuführen und die Idee der fliegenden Untertassen schon viel früher in der menschlichen Geschichte zu etablieren.
Im Laufe der Handlung wird sich auch die obligatorische Gefängniszellenszene finden. Der fast unverwüstliche Hannibal Fortune kommt wieder in eine dunkle Zelle und die Antagonisten verhören ihn. Während diese Sequenzen in den ersten beiden Büchern eher das gestörte Sendungsbewusstsein der Schurken unterstreichen, ist das Verhör inklusiv der Folter notwendig, um wichtige Informationen angesichts der T.E.R.R.A. Zeitmaschinen zu erfahren. Larry Maddock impliziert, dass E.M.P.I.R.E. zwar die Zeitreisetechnik auch nutzt, aber technologisch hinter der gigantischen T.E.R.R.A. Organisation mit mehr als zehntausenden Mitarbeiter im Kern eines Planeten im Inneren der Galaxis zurückgefallen ist. Hannibal Fortune soll quasi seine Information Preis geben und den technischen Rückstand dadurch egalisieren.
Am Ende dieser Sequenz wird Hannibal Fortune wieder von dritter Hand aus dem Gefängnis befreit. Allerdings ist es nicht sein Symbiont Webley, sondern eine ebenfalls in allen drei bzw. vier Romanen der Serie auftretende Persönlichkeit weit oben in T.E.R.R.A.s Hierarchie, welche Hannibal Fortunes Versuche, seine Mission erfolgreich abzuschließen, nicht wirklich ertragen kann.
Aus dem ersten Buch „Agenten der Galaxis“ wird auch die Idee des Androidenkörpers inklusiv einer die Feinde verwirrenden Sterbeszene übernommen. Während es schlüssig ist, dass diese Androidenkörper quasi den Symbionten als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt und deswegen auf den Missionen mitgenommen werden, argumentiert Larry Maddock dieses Mal anders. Jeder der Agenten hat einen entsprechenden Androidenkörper quasi auf den Missionen bei sich, um ggfs. Eine Art Ablenkungsmanöver zu starten. Wie der Körper allerdings von einem Menschen gesteuert wird, während das Protoplasma Webleys einfach hinüberfließt, erläutert der Autor nicht.
Damit enden die Gemeinsamkeiten und aus den ersten beiden Büchern bekannten vertraulichen Elemente.
Bislang waren die Leser der Meinung, dass nur Hannibal Fortune einen symbiotischen Partner von den Sternen sein Eigen nennen kann. In den Kurzgeschichten vor Beginn der Serie angesiedelt implizierte Larry Maddock, dass es mehr als einen Webley gibt. Aber Luise hat mit Ronel ebenfalls einen Außerirdischen an ihrer Seite und niemand von den Agenten oder in der T.E.R.R.A. Zentrale stört es, dass die beiden Protoplasmaklumpen zusammenarbeiten. Das führt zu einigen unterhaltsamen Szenen wie die frühzeitige Einführung der mit „Ziegeln“ bewaffneten Sturzkampfvögel, nachdem die „Ziegelabwürfe“ aus größerer Höhe während des umfangreichen finalen Showdowns keinen Erfolg gehabt haben.
Sowohl Webley als auch Renol können gemeinsamen oder autark voneinander ihre menschlichen Partner unterstützen. Das Verhältnis zwischen Luise und ihrem Renol – Maddock gibt keine Hinweise auf die Geschlechter der Protoplasmen – ist dabei nicht so intensiv wie zwischen Hannibal Fortune und seinem Webley, der seinen Partner nicht nur bei Gelegenheit rettet oder dessen Fähigkeit bewundert, quasi aus dem Nichts heraus eine Art Rundumblick zu haben, sondern vor allem auch ihm in den wenigen emotional schwierigen Szenen mit einem Streicheln über den Kopf und eingeflüsterten Aufmunterungssprüchen Mut macht.
Das Risiko ist gegeben, dass die dank ihrer Chamäleonfähigkeiten effektiver einsetzbaren Außerirdischen den menschlichen Agenten den Rang ablaufen. In einigen Szenen wirken sie konsequenter und vor allem effektiver als der umständlich reagierende, aber ganz selten agierende Hannibal Fortune. Mit dem ein wenig unscheinbaren Renol beraubt sich Larry Maddock auch das einzigartigen Effekts Webleys und unterminiert die Partnerschaft zwischen dem berüchtigsten Agenten der T.E.R.R.A. Organisation und seinem besten Protoplasmaklumpen.
Luise ahnt angesichts Hannibal Fortunes Ruf als Frauenheld nichts Gutes. Diesem ist er in den ersten drei Romanen der Serie allerdings nicht gerecht geworden. Im Gegensatz zu James Bond oder einigen Epigonen der phantastischen Literatur sieht er gerne schöne Frauen an und unterhält sich auch mit ihnen, ansonsten ist er sittsam zahm und vor allem weniger ein Macho als ein Gentlemen. Mit Luise führt Larry Maddock auch zum ersten Mal innerhalb der Serie eine abgerundete Frauenpersönlichkeit ein. Die beiden Protagonistinnen der ersten beiden Bücher wirkten im Vergleich zu Luise ein wenig zu schematisch pragmatisch entwickelt und reagierten vor allem auf die Ereignisse als das sie bewusst aktiv an der Seite Fortunes in die Handlung eingriffen. Von den Schlafgasballons aus „Die goldene Göttin“ einmal abgesehen.
Das Szenario mit den „Räubern von den Sternen“ überdeckt einen anderen, sehr viel interessanteren Aspekt der Serie. Die Aufgabe der T.E.R.R.A. Agenten ist es, die irdische und darüber hinaus auch die Zeitlinie von unzähligen anderen Welten zu beschützen. Larry Maddock macht deutlich, dass eine kleine Veränderung in der Vergangenheit wie bei einer Welle große nicht mehr einzuschätzende Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Das bedeutet aber auch, dass Luise und Hannibal Fortune auf der einen Seite in diesem Band deutlich mehr als zum Beispiel in „Die goldene Göttin“ nicht nur die Agenten von E.M.P.I.R.E. bekämpfen, sondern die blühende Kultur im Indus- Tal aktiv untergehen lassen müssen. In „Die goldene Göttin“ gab es noch einen Kompromiss, dass die Bewohner Kretas teilweise vor dem ausbrechenden Vulkan in Sicherheit gebracht und damit ihre Kultur exportieren konnten. Auch mit Hilfe von Hannibal Fortune. Hier müssen Luise und Fortune ertragen, dass die in Frieden lebenden Menschen am Ende des Buches von den eindringenden Barbaren geschichtlich korrekt und damit auch unveränderbar getötet werden. Theoretisch schließen sich an diesen Erhalt des Zeitstroms eine Reihe von Fragen an, die Larry Maddock absichtlich nicht diskutieren möchte. Im abschließenden vierten Band der Reihe „Gefangen in Raum und Zeit“ geht es in die Ära des zweiten punischen Krieges zurück und damit dem Erhalt Roms. Ob Hitler geschützt werden muss oder zum Beispiel der Abruf der Atombombe verhindert werden sollte, aber das Attentat von Sarajevo nicht vereitelt werden könnte oder im Umkehrschluss Napoleon durch in Russland gewinnen könnte, sind alles Fragen, über die niemand bei T.E.R.R.A. nachdenken möchte. Es könnte ja zur Nichtexistenz der eigenen Organisation führen. Diese kritischen Fragen stellen sich Luise und Hannibal Fortune während des spannenden Showdowns nicht.
Viel mehr muss er die bösen Jungs von E.M.P.I.R.E. bekämpfen, aber die noch brutaleren barbarischen Antagonisten ignorieren, während eine Selbstbegegnung in einer Zeitzone droht. Mit von Larry Maddock heraufbeschworenen, aber nicht ausführlich beschriebenen Folgen.
Hinsichtlich der Mischung aus vertrauten Elementen und einem grundlegend spannenden Plot ist „Räuber von den Sternen“ trotz des passenden, aber zu viel verratenen martialischen Titels der bislang beste Roman der „Agent of T.E.R.R.A.“ Reihe. Flüssig geschrieben mit einer guten Mischung aus interessanten, mit einem Augenzwinkern erzählten Actionszenen und einer besseren durchgehenden Zeichnung aller Charaktere eignet sich angesichts der langen, inzwischen vertrauten Einführung in den Hintergrund der Geschichte das Abenteuer auch für die Leser, die nur einmal probieren und nicht kopfüber in die leider nur vierteilige Serie eintauchen möchten.
Terra Taschenbuch 157
160 Seiten
Moewig Verlag