Der Raumfahrer

Gordon R. Dickson

Acht Jahre nach „Special Delivery“ kehrte Gordon R. Dickson in das Dilbia System zurück. Während der Pabel Verlag den Roman unter dem eher unglücklichen Titel „Der Agent“ – abschließend trifft er indirekt sogar zu – mit einem nichts sagenden Titelbild veröffentlicht hat, passt auch Gordon R. Dicksons Originaltitel „Space Paw“ nicht unbedingt zur Geschichte.

 Aus rechtlichen Gründen hat der Apex Verlag zu erst den zweiten Teil der Serie „Der Agent“ publiziert. Die beiden Romane sind unabhängig voneinander gut zu lesen, auf die wichtigsten Ereignisse des ersten Buches wird mehrfach allerdings aus subjektiver Perspektive Bezug genommen. Das Lesevergnügen erhöht sich allerdings, wenn man die beiden Romane hintereinander liest.

 Dabei ist „Der Agent“ der mehr ambitionierte Stoff. Dilbia ist immer noch im Brennpunkt zwischen den Terranern und den Hemnoiden. Die Menschen haben sich durch den legendären mit Intelligenz und einem Gürtel gewonnenen Zweikampf zumindest Respekt bei den bärengroßen Ureinwohnern verschafft.

 Bill Waltham ist ein Maschinenbaustudent, der sich durch eine freiwillige Mission auf dem Planeten eine Auszeichnung und dadurch einen leichteren Zugang zum weiteren Studium erhofft. Seine Mission ist, den Bauern modernere Landwirtschaft beizubringen und die frühe Industrialisierung in Gang zu setzen.

 Ein Problem sind die Banditen, welche außerhalb der Clans in den Dörfern leben. Sie haben die Menschen nicht als Partner akzeptiert. Weiterhin scheinen die Bauern fast ein wenig stolz zu sein, dass die ab und zu ausgeraubt werden. Die Banditen unter dem Anführer Knochenbrecher nehmen ihnen nur das für sie Notwendigste weg, so dass ihre Überfälle fast wie eine Art aktives Unterhaltungsprogramm erscheinen.

 Daher ist es schwer wie Bill Waltham, sich gegen die ein wenig stoisch agierenden Bauern durchzusetzen.

 Einzelne Teile des Romans wirken wie ein Duplikat des ersten Abenteuers. Während der Zehnkämpfer aufgrund seiner körperlicher Aktivitäten, aber vor allem auch seine Vielseitigkeit ausgewählt und zwangsrekrutiert worden ist, erscheint Bill Waltham eher wie eine gewöhnliche Wahl. Im langen Epilog erläutert Gordon R. Dickson das Auswahlverfahren im Grunde für beide Männer und erschafft den Begriff des unbewussten Agenten. In beiden Büchern ist die Mission der „Agenten“ im Grunde nur ein kleines Puzzlestück, das vom Zufall beherrscht passend gemacht wird. Die weiteren Folgen sind nicht nur vielschichtiger, sondern grundlegender.

 In beiden Büchern müssen sich die Männer schließlich mit einem ihnen körperlich überlegenen Dilbianer auseinandersetzen. Während in „Special Delivery“ der Zweikampf deutlich brutaler ist, wirkt die Konfrontation in einem dunklen Haus wie das Ende eines langen Plans, in dem es vor allem um das wichtige Wahren-des- Gesichts geht. Bis dahin hat Bill Waltham einige viel interessantere und vor allem auch besser geschilderte Herausforderungen zu überstehen.

 Gordon R. Dickson geht in „Der Agent“ sehr viel mehr auf die Zwischentöne ein. Die Dilbianer legen ausgesprochen viel Wert auf die Wahrheit und Lügen ist ein Verbrechen. Ein wenig Verklausulieren darf man schon, wie der Wettkampf mit dem örtlichen Schmied zeigt, in dem Bill Waltham ihn mittels eines Flaschenzuges im Grunde intellektuell überfährt. Schon bei der Formulierung der Hausforderung hat der Terraner sehr viel Wert auf den genauen Wortlaut gewählt und deswegen den richtigen Ton getroffen.

 In beiden Romanen spielt auch der offizielle Briefträger eine wichtige Rolle. In „Special Delivery“ war ein fortlaufender Witz, das der Terraner ja nicht als Besucher, sondern als Regierungspost in das Hinterland transportiert worden ist. Deswegen stand er unter einem doppelten Schutz. Einmal den Clans und dann seinem persönlichen Boten. Auch Bill Waltham ist teilweise auf die Dienste Bergläufer angewiesen. Aber nicht als Beförderungsgut, sondern auf einer fast kameradschaftlichen Ebene. Dadurch entfällt diese Idee, wird aber nicht entsprechend ersetzt.

 Ein großes Problem ist, dass Bill Waltham als zweiter Terraner im Regen stehen gelassen wird. Niemand weißt ihn auf dem Planeten ein, ein Ansprechpartner ist mit einem gebrochenen Bein angeblich im Orbit um den Planeten, eine junge Frau mit einer schier endlosen Fülle von abgeschlossenen Studien setzt sich immer zu den Einheimischen ab und versucht deren Frauen zu beeinflussen. Mit einer Art irdischer Emanzipation erhofft sie, dass diese ihre Männer in die richtigen, zukünftigen Bahnen lenken.

 Bill Waltham hat am Ende im Grunde aus dem Nichts heraus nur eine Alternative. Er müsste das Versteck der Banditen angreifen. An dieser Stelle nimmt der Roman eine fast seltsam konstruiert erscheinende Wendung, denn plötzlich akzeptieren ihn die Bauern und helfen ihm bei der Konstruktion eines Rammbocks. Anscheinend hat Gordon R. Dickson nach der Konzeption dieser Sequenz gemerkt, dass die bislang pazifistisch spielerischer Aufklärung der Grizzles plötzlich in einer Art Blutbad enden könnte und dreht den Plot noch einmal auf links.

 Die Hemnoiden mit ihren wie ein Vampir wirkenden Anführer agieren im Hintergrund und haben anscheinend ein Interesse, diese aus vielen kleinen Dorfgemeinschaften und Clans bestehende Gesellschaft zu destabilisieren. Bill Waltham kann nicht direkt gegen die Hemnoiden vorgehen. Aber ihm wird auch während der finalen Auseinandersetzung die Wahl abgenommen. Die Konfrontation wirkt ein wenig „realistischer“, da es nicht um ein klassisches und unausweichliches Kräftemessen geht, sondern um die Wahrung des Gesichts und der Versuch erstaunlicherweise von Dilbianern und Menschen, die Clans auf die nächste Stufe der kulturellen Ordnung zu führen und eine Art Ärgernis unblutig zu beseitigen.

 Das wirkt vor allem im Vorwege geplant sehr anspruchsvoll und eher konstruiert als wirklich in dieser Form entwickelt. Aber das Ende steht in einem besseren Zusammenhang mit dem bisherigen Handlungsverlauf als in „Special Delivery“, in dem der dunkle Ton ein wenig negativ herausragt.

 Der Plot ist auch umfangreicher, da Bill Walthams Mission auch sehr viel nuancierter und technisch schwieriger umzusetzen ist. Während John Tardy im ersten Buch als Musterathlet und widerwillig rekrutierter Agent im Grunde nur reagieren kann, wird von Bill Waltham ein offensives Agieren zumindest hinsichtlich der bäuerlichen Stämme erwartet.

 Isoliert und auf die eigenen Erfahrungen und Instinkte angewiesen sind die beiden Männer. Daher ist es interessant, ihre jeweiligen Reaktionen und Aktien zu sehen. Zusammengefasst leben beide Bücher vom Aufeinandertreffen zweier sehr unterschiedlicher, aber irgendwie auf eine märchenhafte Art und Weise auch ähnlicher Zivilisationen, die sich gegenseitigen Respekt durch die Urtugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß, Entschlossenheit und vor allem Fairness erarbeiten.

 Gordon R. Dickson hat sehr viel Spaß mit den Spitznamen nicht nur der Menschen. So wird aus Bill Waltham passend Hacke- und Schaufel. Der Plot ist rasant erzählt, die Figuren liebevoll detailliert, sympathisch und zugänglich gezeichnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten dieses Subgenres wie Piepers Fuzzy Geschichten oder Biggles „Monument für ein Genie“ sind es vor allem die Dilbianer selbst, die mit ein wenig Hilfe der Menschen ihren Weg nicht unbedingt zu den Sternen, aber zumindest auf die nächste soziale Stufe erklimmen können.

 Beide Romane sind humorvolle Science Fiction, die aber die zugrunde liegende Handlung respektieren und zeitlose Geschichten auf eine beschwingte, aber nicht oberflächliche Art und Weise erzählen wollen. Mehr Fleisch erhält vor allem die Lektüre von „Der Agent“, wenn der Leser zuerst den kürzeren „Special Delivery“ liest.     

  • Format: Kindle Ausgabe
  • Dateigröße: 1803 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 297 Seiten
  • Verlag: Apex Verlag (24. Januar 2019)

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