Der Zeitagent

William F. Nolan

„Der Zeitagent“ ist der erste Band einer kleinen Reihe von Abenteuern um den nicht immer erfolgreichen Detektiv Samuel Space, der auf dem Mars mehr schlecht als recht Fälle löst. Im Original heißt der Band doppelt ironisch „Space for Hire“. Der Band erschien 1971 lange vor Douglas Adams in einer Zeit, in der auch Ron Goulart mit seinen satirischen Exzessen und vielleicht noch Robert Sheckley mit seinen pointierten Kurzgeschichten das Banner des Humors in der Science Fiction hochhielt. Der Bastei Verlag übersetzte den Roman dann 1976 für seine erste SF Reihe. Vierzehn Jahre später veröffentlichte Nolan mit „Lock Out for Space“ einen zweiten längeren Text.

Ab 1992 bis 2008 erschienen noch drei Kurzgeschichtensammlungen mit insgesamt fünf Novellen/ Kurzgeschichten, so dass die ganze Reihe als „Space of Seven“ bei Amazon für Kindle in den letzten Jahren mit süffisanten einführenden Worten des Autoren neu aufgelegt worden ist. Von der ersten Zeile „Ich hatte Langeweile“ sowie den späteren Vorwörtern macht Nolan klar, wer sein literarisches Vorbild bei dieser Reihe ist: Dashiel Hammetts Sam Spade, wobei Nolans Interpretation am Ende eines komplizierten Falles zumindest der moralische Sieger bleibt.

Die Einführung ist klassisch wie klischeehaft. Ein Ich- Erzähler (auch wenn es späterzahllose Variationen gibt, bleibt sich Nolan bei der Erzählperspektive treu und führt den Leser quasi an der Hand durch dieses mehrfache Chaos) mit einer Vergangenheit. Er ist durchs Sonnensystem geflogen statt wie von den Eltern erwünscht Jura zu studieren. Schließlich hat er sich erfolglos auf dem Mars niedergelassen.

Seine Klientin ist eine dreiköpfige Venusianerin, die von dem angeblich verrückten Wissenschaftler Emmanual Quantas Umani adoptiert worden ist. Dieser kann mittels einer weniger komplizierten als archaisch erscheinenden Methode sein Gehirn von einem Körper zum nächsten verpflanzen lassen. Nur gehen ihm wegen einer unheimlichen Attentatsserie inzwischen die Wirtskörper aus.

Space soll zur Erde fliegen und einen Transport dieser Körper zum Mars bewachen. Auf dem Weg zur Erde wird er von den attraktiven Nicole verführt und wacht schließlich in ihrem Appartement nicht nach körperlicher Ertüchtigung zu spät auf. Es gibt noch ein Problem: im Zimmer findet man eine Leiche. Einen Privatdetektiv namens Space. Ihn selbst. William F. Nolan hat ohne Frage sehr viel Spaß, die üblichen Klischees des Genres auf den Kopf zu stellen und eine absurde Farce zu entwickeln, in deren Verlauf der Leser seine bisherigen Zeitreisekenntnisse einfach auf den Kopf stellen braucht, um dem dünnen roten Faden der Handlung zu folgen. Space gibt es en Masse. Mittels einer begrenzt nutzbaren Zeitreisemaschine – eine der beiden absurden Ideen des Romans – kann Space immer wieder in die Vergangenheit reisen und versuchen die Komplexität des „Falls“ – auch hier dreht und windet sich der Autor wie ein Aal – zu entwirren.

Dabei parodiert Nolan mit sichtlichem Vergnügen auch das Genre. Vom Baby Space bis zum Greis ist alles vorhanden. Da die Alternativwelt Spaces nicht über den Wissensstand des Originals verfügen, kommt es in einer Reihe von überdrehten Actionszenen teilweise zu Längen, welche den Roman weniger kompakt erscheinen lassen als er in Wirklichkeit ist. Nolan ist ein erfahrener Autor, um den grundlegenden Plot auf der einen Seite wiederzugeben, auf der anderen Seite fast manisch immer wieder zu variieren und anzupassen. Die Begegnungen mit den anderen Ichs helfen Protagonisten und Autor, über einige plottechnische Lücken förmlich hinweg zu springen und mittels Tempo die Schwächen in der Grundkonstruktion zu kompensieren.

Space ist dabei nicht, wie der deutsche Titel suggeriert, ein „Zeitagent“, vielleicht nicht einmal ein Opfer, sondern ein Opportunist, der seine eigenen Fehler – er erliegt den Verführungskünsten einer Professionellen, die er später auf die harte Tour mittels Ohrfeigen verhört – auszubügeln sucht. Dabei nutzt er neben der geliehenen Zeitmaschine auch die angesprochene „Verjüngungsmaschine“ – das gipfelt in einer der köstlichsten Szenen des Romans, wenn das Baby Space quasi aus den Händen des Ich- Erzählers entführt wird – sowie seine Erfahrungen aus den Reisen durch das Sonnensystem.

Nolan geht aber noch einen Schritt weiter. Neben den absichtlich überdreht wieder gegebenen Klischees des Genres konzentriert er sich auf Charaktere, die förmlich aus den Pulps der dreißiger Jahre – Hardboiled als auch SF – entstiegen und in einer überdrehten Zukunft Platz genommen haben. Dabei durchbricht der Autor jegliche Logik und erfindet ein groteskes Universum, das ohne Probleme auch aus der Märchenwelt – Venusdrachen – sowie der irdischen Unterhaltung – Nolan hat für Disney auch Cartoons geschrieben - zusammengesetzt werden könnte.

Dieses Durchbrechen der Mauern, dieses Hin und Her Springen wird Douglas Adams einige Jahre später perfektionieren. Aber bevor Adams das gesamte Universum miteinander verbunden hat, haben auf teilweise bösartige und geschmacklose Art und Weise Ron Goulart und als warmherzige Parodie auf die Space Opera und den Pulp William F. Nolan es versucht. Auf der Venus hat sich der Schurke eine Art bizarres Märchenschloss inklusive Drachen – künstlich – erbauen lassen. Das der Superverbrecher mit natürlich einem Faible für die universelle Herrschaft mit dem Buchstaben „F.“ seine Nachrichten zeichnet, ist eher eine Spur ins Nichts. Auf der Suche nach der natürlich entführten Tochter des Professors bereist Space eine Reihe von Planeten des Sonnensystems.

Auf die Venus ist schon eingegangen worden. Auf dem Jupiter wird Space mit renitenten Mäusen konfrontiert, die aus einem subversiven Disney Studio entsprungen sein könnten. Die Querverweise auf die amerikanische Unterhaltungsindustrie sind köstlich doppeldeutig. Neben den Killerfröschen auf den äußeren Kolonien sind die Zuzubirds interessant, die auf dem Pluto hausen.

Schon zu Beginn gehört zu den Strafarbeiten Space, diese wertvollen Eier einzusammeln. Der Kreis schließt sich, wenn eine Verwandlung nicht gänzlich funktioniert und Space zu einem Zuzubird wird, der selbst Eier legt. Alleine der Mars leidet unter Lethargie. Nolans Universum ist nicht ernst zu nehmen. Während er sich bei den verschiedenen Paradoxen um nicht immer logische, aber zumindest nachvollziehbare Irrungen und Wirrungen bemüht, extrapoliert er sein Universum als einen bizarren, grellbunten Lebensraum und nimmt damit in literarischer Hinsicht aus Experimente wie Gary Wolfes „Who framed Roger Rabbit? – das Buch und nicht die Verfilmung – vorweg. Aufgrund der komprimierten Handlung kann Nolan an einigen Stellen nur oberflächlich die verschiedenen Hintergründe streifen, sie sind aber abwechselungsreich und verrückt zugleich. Zu den Charakteren. Space ist ein absichtlicher Kontrast in einem verrückten Universum.

Ein erfolgloser fast mittelloser Detektiv mit einem Hang zum Zynismus und Alkohol. Wie in den Hardboiled Krimis ist er weniger ausgesucht worden, um einen Fall zu lösen, sondern als Sündenbock bei komplizierten Plänen zu dienen. Er erliegt dem Charme hübscher Frauen, bevor er die wahre, dreiköpfige Liebe findet. Im Gegensatz zu Hammett hat Nolan seiner Figur allerdings auch sympathische Züge gegeben. Diese gehen ein wenig unter, wenn Space sich in verschiedenen Inkarnationen selbst begegnet, aber dank des dreidimensionalen tragisch komischen und doch erfolgreichen Protagonisten wirkt „Space for Hire“ deutlich wärmer als vergleichbare Parodien. Mit dem exzentrischen Wissenschaftler Umani, dem im Hintergrund agierenden F. – ein zu schwach herausgearbeiteter Antagonist, der im zu abrupten Showdown nicht in James Bond Manier charismatisch verrückt scheinen kann – und schließlich den beiden extremen Frauenfiguren mischt Nolan eine Reihe von Klischees absichtlich unter die Handlung.

Nicht selten wirken sie in ihren Handlungen eher funktionell als progressiv, aber sie dienen auch nur als Staffage für eine Tour durch das Sonnensystem, die stellenweise parodistisch, stellenweise exzentrisch, aber für einen über vierzig Jahre alten Roman immer noch lustig ist. Ursprünglich als einzelner Roman konzipiert liest sich „Der Zeitagent“ auch in der zufrieden stellenden Übersetzung von Jürgen Perkeo auch heute noch unterhaltsam und phasenweise sogar spannend. Die Begegnungen mit dem eigenen Ich dienen als roter Faden, während die Suche nach der entführten Tochter, dem Wissenschaftler und schließlich dem nur mittels Botschaften lange präsenten F. von wie angesprochen einer Reihe exzentrischer Szenen eher zusammengehalten als wirklich nachhaltig konzipiert erscheint. Hinter dem langweiligen Titelbild der deutschen Ausgabe versteckt sich auf jeden Fall ein guter, lustiger Roman, der Douglas Adams wie schon eingangs angesprochen um einige Jahre voraus ist. Oder bei einem Zeitreiseabenteuer vielleicht später geschrieben und veröffentlicht ? Oder doch parallel aus einem anderen Universum den Weg in die Verlage findend?

Bastei Taschenbuch 21086

156 Seiten

Erschienen 1976