The Comedy is finished

Westlake, The Comedy is finished, Rezension
Donald E. Westlake

Nach “Memory” ist noch ein weiteres Westlake Manuskript viele Jahre nach seinem Tod und vor allem eine Generation nach seiner Entstehung ans Tageslicht gekommen: „The Comedy is finished“. Westlake hat den Roman Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre geschrieben und an Max Allan Collins geschickt. Da der Film „the King of Comedy“ von Martin Scorsese - Entführung eines prominenten Komikers – einige Ähnlichkeiten zu seinem deutlich politischeren Manuskript aufgewiesen hat, verzichtete der Autor auf eine Veröffentlichung. Mit der Zeit ist das Manuskript vergessen worden, bis Max Allen Collins sich an eine Kopie in seinem Archiv erinnerte. 

Unabhängig von der Tatsache, dass Westlake zusammen mit dem ebenfalls posthum veröffentlichten „Memory“ auch in „The Comedy is finished“ – eine der Entführer ruft diesen markanten Satz frustriert aus – von den Klischees des Kriminalgenres noch weiter abgewichen ist, erscheint das Buch aus heutiger Sicht wie eine Art Zeitkapsel. Vielleicht werden europäische Leser aufgrund der Nachwirkungen der linken revolutionären Zellen sowohl in Italien als auch Deutschland anders darauf reagieren, aber mit einer bitteren Ironie setzt sich der Autor mit den angeblich so tiefgründigen Idealen einer Jugend genauso auseinander wie dem Trauma von Vietnam, das selbst der unfreiwillige Hauptdarsteller dieses Dramas als Fehler ansieht. Am Ende des Entführungsdramas haben sich beide Seiten aufeinander zu bewegt. Der Opportunist und Komiker, aber nicht Satiriker Koo Davies und zumindest einige der nicht mehr jugendlichen Entführer, die verzweifelt ihre inzwischen erloschene Revolution gegen das amerikanische Establishment neu beleben müssen. Für sie ist es vielleicht die bittere Erkenntnis, dass sie als ewig Gestrige im Grunde verlorene Kinder sind, während ihre Mitkämpfer in den amerikanischen Gefängnissen vielleicht als Überspitzung neue, bürgerlicher Menschen geworden sind. Es ist ein Roman, der in den siebziger Jahren entstanden ist und deswegen diese Ära auch atmet. Für die Kriminalhandlung ist es vielleicht nicht notwendig, die Zwischentöne alle zu verstehen, aber damit dieser Westlake Thriller sein volles Panorama entfalten kann, muss der Leser das Trauma des Vietnamkrieges genauso assimilieren wie den Einfluss der Medien, die Wunden des Watergate Skandals – einer der FBI Ermittler ist in diese Affäre verwickelt gewesen – wie den Personenkult um den Komiker Koo Davis, der einer Inkarnation von Bob Hope ähnelt. Mitten aus der Vorbereitung zu seiner neuen Liveshow heraus wird der Komiker Davis entführt. Die Gruppe will kein Geld, sondern zehn inhaftierte Gesinnungsgenossen sollen frei gepresst werden. Schnell erfährt Davis, dass es aber auch persönliche Gründe gibt, warum ausgerechnet er weit entfernt vom Ruhm seiner alten Zeiten mit Kinofilmen und vor allem einer Reihe von Shows für die in Übersee kämpfenden Soldaten sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch Korea ausgesucht worden ist. Diese persönliche Ebene braucht Westlake, um am Ende des Plots kein Happy End zu zelebrieren, aber auch den unsympathischen, egoistischen, eitlen Davis als Mensch reifen zu lassen. Vielleicht wirkt die Erkenntnis, zu wenig gelebt und zu egoistisch agiert zu haben wie eine unnötige Verbeugung gegenüber der Öffentlichkeit, aber im Laufe der Handlung muss Westlake den Entführten konsequent vermenschlichen, damit der grundlegende Spannungsbogen auch abschließend funktionieren kann. Ein zu unzugängliches Opfer hätte einige der zynischen Grundideen negiert. Davis spielt zumindest dem FBI einen wichtigen Hinweis zu. Diese agieren aber in Person des trinkfesten, seine besten Tagen hinter sich habenden Agenten zu spät, um den Komiker beim ersten Versuch zu töten. Er ist wie alle Menschen in diesem Roman im Grunde seines Herzens einsam. Davis Söhne lehnen ihn ab, von seiner Frau lebt er seit vierzig Jahren ohne Scheidung getrennt und mit seiner Agentin hat er mehrmals zu Beginn ihrer Zusammenarbeit geschlafen. Sie ist auch eher wie eine Mutter denn eine Geliebte zu ihm. Auch der Agent findet keine echte Ruhe. Von seinen Vorgesetzten im Stich gelassen muss er als Narr immer wieder die Fehler der anderen ausgleichen. Selbst die Terroristen sind im Grunde Idealisten in einem Land, das sie aufgrund des Wohlstandes nicht mehr haben möchte. Ihre bedingt sozialistischen Ideen wirken in den siebziger Jahren wie heute anachronistisch. Wenn sie erkennen müssen, dass der Kampf zu Ende ist, versuchen sie es inzwischen als Gruppe in Auflösung begriffen ein weiteres Mal. Sie sind keine Profis. Eine Doppelagentin in der Gruppe – seit vielen Jahren ein Schläfer – verliert den Verstand. Einer der Täter kann seinen Hass auf Davis kaum kontrollieren, bis er erkennt, dass ihm im Grunde echte Liebe fehlt. Der Anführer Peter versteift sich in seinem Kreuzzug und kann/ will nicht erkennen, dass niemand wirklich in einem Algerien der siebziger Jahren anstatt in den USA leben will. Er ist aber zu feige, um seine Drohungen umzusetzen. Seine besprochenen Cassetten erscheinen wie die Reden Hitlers. Laut und ungestüm, aber zu diesem Zeitpunkt des Feldzugs im Grunde nicht mehr entscheidend. Während Davis auf der Bühne den Bezug zur Realität verloren hat, haben es die Entführer spätestens in dem Augenblick, in dem der Plan nicht mehr richtig umgesetzt werden kann und jemand den Entführten töten muss, um glaubwürdig zu bleiben. Die finale Auseinandersetzung im Haus zwischen den einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe erinnern ein wenig an die Slapstick Komödien der vierziger Jahre. Wenn Peter zugeben muss, dass er keinen Zugriff auf Davis hat, können selbst die FBI Agenten nicht mehr ernsthaft bleiben.  Aus heutiger Sicht erscheinen die Aktien der kontrarevolutionären Kräfte – auch wenn sie Menschen entführt und getötet haben – angesichts des gegenwärtigen Terrors nicht unbedingt harmlos, aber von den Behörden kontrollierbar. Dadurch gibt der Romanen einen Blick auf eine im Grunde unschuldigere, weniger psychopathische Welt frei, was im Umkehrschluss allerdings auch keine Entschuldigung für deren Taten sein soll. Aber Westlake bewegt sich mit seinen doppeldeutigen ausgesprochen pointierten Dialogen, seinen aus dem Nichts heraus gestalteten Rückblicken und vor allem seiner guten Beobachtungsgabe in einem Niemandsland, das das Buch auch heute noch verführerisch zu lesen macht. Seine im Grunde exzentrischen Figuren auf beiden Seiten des Gesetzes sind minutiös und detailliert entwickelt worden. Die Veränderungen, denen sie unterworfen werden, prägen sich nicht nur dem Leser ein.  Es gibt keine Ordnung in diesem Buch. Auch die Aktionen und Reaktionen der Behörden sind unkoordiniert. Der Zufall – das Meeresrauschen im Hintergrund – eröffnet ihnen eine Chance. Bedenkt man zusätzlich, dass ein Rockmusiker den Tätern hilft, weil er irgendwann einmal von freier Liebe, LSD und einer anarchistischen Gesellschaft geträumt hat, dann erscheint alles absurd und nicht nur für Davis wie ein schlechter Traum, in dem auch seine emotionale persönliche Seite zynisch offengelegt wird.  

Auf der Charakterebene ist der vorliegende Roman ohne Frage eine von Westlakes besten Arbeiten. Als Autor gereift, als Mensch erfahren versucht er die beiden so unterschiedlichen Generationen miteinander zu verbunden und herauszuarbeiten, dass sie sich trotz oder vielleicht auch wegen ihrer nur vordergründig unterschiedlichen politischen Einstellungen viel mehr ähneln als sie es zugeben wollen oder auch nur können. Natürlich ist das Buch inzwischen eine Zeitkapsel, ein Blick in eine unschuldigere, aber nicht unbedingt weniger brutale Welt. Es ist vor allem aus der Zeit heraus geschrieben worden, was die Geschichte authentischer und eindringlicher macht. Die Wiederentdeckung alleine ist Gold wert.             

Hard Case Crime, Taschenbuch

340 Seiten

February 2012
ISBN: 978-0-85768-408-0
Cover art by Gregory Manchess

 

Kategorie: