
Ben Coes Debütroman „Power Down“ ist der Auftakt einer ganzen Serie von High Tech Thrillern, in deren Mittelpunkt Tom Clancy Jack Ryan vergleichbar der ehemalige Delta Force Soldat Dewey Andreas steht. Der frühere im öffentlichen Dienst stehende Reedenschreiber unter anderem für Ronald Reagan oder George Bush hat ein ohne Frage interessantes, aber politisch für Nichtamerikaner auch fragwürdiges Buch geschrieben. So stehen sich Dewey Andreas und sein Gegenspieler bei der finalen Auseinandersetzung gegenüber. Mit dem Bild eines Waisenkinds schafft Dewey Andreas es, dass sein schwer verletzter Gegner einen Moment zögert. Interessant ist, dass anschließend die Geschehnisse mit dem Spruch kommentiert, dass er sich mit dem falschen Land angelegt hat. Das Bild eines amerikanischen Waisenkindes, dessen Eltern bei den noch zu verübenden, mit Fernzündung auszulösenden Anschlägen ums Leben kommen könnten gewichtet Dewey Andreas mehr als genau die Erfahrungen seines Feindes, dessen Mutter am Strand in seiner Gegenwart ermordet worden ist, weil die USA ein Chaos insbesondere im Mittleren Osten hinterlassen haben.
Eine Botschaft durchzieht diesen Roman. Egal, wie viele Fehler die USA im Ausland machen und entsprechend durch Rücktritte oder Entlassungen in Washington dafür „bezahlen“, egal wie viel Blut im Ausland fließt, die Amerikaner sind immer auf dem richtigen Weg. Das ein Verräter aus den eigenen Reihen kommt, der durch Zahlung auf ein Konto bei einer russischen Bank sein eigenes Land opportunistisch verrät, dem er Jahrzehnte treu gedient hat, ist Ben Coes Ausdruck für den sozialen Niedergang der amerikanischen Ober- und Führungsschicht, der nur echte Patrioten – so ist einer der Firmenlenker der von den Anschlägen betroffenen Firmen ebenfalls ein ehemaliger Soldat, ein Selbstmade Milliardär und schließlich jemand, der ihm gestellte Rechnungen auf seine eigene Art und Weise begleicht – etwas gegen über stellen können. Der amerikanische Patriotismus ist erdrückend und die Zeichnung der Helden sowie amerikanischen Schurken je nach Plotverlauf ambivalent. So wird die im Grund perfekt geplante Ermordung einer wichtigen Verbindungsfigur durch das Aussenden des Codewordes „Power Down“ aus der gemeinsamen Vergangenheit zweier Protagonisten abgebrochen, ohne das der Leser wirklich die Zusammenhänge des damaligen Einsatzes verstehen kann. Der Titel passt eher zur Verschwörung gegen Amerika, denn die arabischen Feinde möchte die USA an der Flanke treffen, an der das Land bis in die kleinen Städte hinein verwundbar ist. Bei ihrer Konsumlust und dem amerikanischen Freiheitsdrang, mit großen Autos über die Highways zu fairen und die Energie der ganzen Welt zu verschwenden.
Bevor dieser Plan allerdings umgesetzt wird, schlägt Ben Coes einen Bogen in die Vergangenheit. Er geht davon aus, dass der Unfall im Kernkraftwerk Harrisburg der ersten Versuch gewesen ist, die USA empfindlich zu stören. Dazu ist ein Schläfer wie bei den gegenwärtigen Anschlägen eingeschleust worden. Der Unfall in Harrisburg fand im März 1979 statt, der Umsturz im Iran mit dem Aufkommen der islamisch fundamentalistischen Bewegung war zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange. Ein Schläfer hätte mindestens drei Jahre vorher eingeschleust und ausgebildet werden müssen. Aber es passt in die Langzeitpläne der Verschwörer. Auch Osama Bin Laden wird als kleiner Fisch abgespeist, der von den Anschlägen durch geschickte Börseninvestitionen allerdings profitierte, aber von der fundamentalistischen Gruppe um eine Familie nicht wirklich ernst genommen wird. Die schleusen einen jungen Mann mit vier Jahren in die USA ein, der durch eine exzellente Ausbildung zu einem gefürchteten Hedge Fonds Manager wird. Natürlich erliegt er auch ein wenig dem amerikanischen Way of Life mit einer gigantischen Villa und einem Penthouse, einer Affinität für zumindest Drogen und schnellen Sex, Luxuswagen und Kunst. Aber in letzter Sekunde besinnt er sich, das die Mission seiner Familie wichtiger ist. Es sollen eine Reihe von Anschlägen mit einer Art neuen Supersprengstoff geplant und durchgeführt werden, den selbst die USA nicht synthetisieren kann. Interessant ist, dass die Attentäter über ausreichend Material verfügen, um alle Pläne umfassend insgesamt 50 Attentate durchzuführen. Die amerikanischen Geheimdienste tappen um Dunklen. Als wenn Geld ausreicht, um modernste Waffen in Massen zu produzieren, ohne auf dieser Welt eine Spur zu hinterlassen. Zeitgleich werden aber nicht alle fünfzig Anschläge durchgeführt, die zumindest was die Andeutungen angeht, die Infrastruktur der USA und vor allem deren Energieversorgung komplett lahm gelegt hätte. Warum das nicht der Fall ist, obwohl die Logistik ohne Frage vorhanden ist, kann der Autor auch nicht zufrieden stellend beantworten. Es beginnt mit zwei Anschlägen. Vor der kolumbianischen Küste wird eine moderne Bohrinsel von Terroristen gesprengt. Sie stellte bislang neun Prozent der amerikanischen Ölversorgung sicher und die Förderung sollte in den kommenden Jahren erhöht werden. Nur dank seiner Instinkte und einer gewissen Rücksichtslosigkeit kann der ehemalige Elitesoldat mit Vergangenheit – seine Frau hat nach dem Tod des Sohnes Selbstmord begangen und ein Staatsanwalt wollte es ihm in die Schuhe schieben – den Anschlag nicht verhindern, aber zumindest einige seiner Männer retten und den Hintermännern folgend. Zeitgleich wird einer der modernsten Staudämme in Kanada gesprengt, der ebenfalls signifikant zur Stromversorgung der USA beiträgt und einer amerikanischen Firma gehört. Es ist eine interessante Ironie, das die beiden von den Attentaten betroffenen Firmen gerade erstens in Fusionsverhandlungen sind und zweitens auch den angesprochenen Selfmade Amerikanern gehören. Als dann auch noch ein Attentat auf die Firmenchefs bei einem privaten Treffen verübt wird, ist das Chaos perfekt. Da Geld die Welt regiert, haben die Drahtzieher der Anschläge über verschiedene Offshorefonds von den erratischen Kursbewegungen profitiert. Der Aufbau ist faszinierend und in dieser ersten Hälfte des Romans gelingt es Ben Coes angesichts der Ungeheuerlichkeit der Aktionen echte Spannung zu erzeugen. Sobald allerdings Dewey Andreas quasi in Kolumbien angekommen und mit dem Widerstand beginnt, zerfällt der Roman in einige Klischees. Wie angedeutet hätte eine komplette Ausführung der Attentate – so befinden sich weitere Bomben in einem wichtigen Anlandehafen der USA und in einer der größten militärischen Schiffswerften – die USA wirtschaftlich rohstofftechnisch isoliert und handlungsunfähig gemacht. Um die Spannung zu erhöhen, muss ein plump vorgehender Außenminister auch noch Saudi Arabien verprellen, weil er erstens nicht auf deren Forderungen eingehen und zweitens bei seinen Anschuldigungen nicht mit beweisen dienen kann. Da der Kopf der Attentäter aber systematisch vorgeht, obwohl er weiß, dass zumindest ein Teil seines Plans durch das Überleben von Dewey Andreas und den fehlgeschlagenen Attentaten auf den Mann sowie die potentielle Entdeckung seines hochrangigen Maulwurfes gefährdet ist, bleiben die anderen Attentate erst einmal unter der Decke. Der Gegner weiß nicht, dass Dewey Andreas nicht die Gelegenheit hatte, aus dem Kopf der für den Angriff auf die Ölplattform verantwortlichen Terroristengruppe alle Informationen herauszupressen. Und wie der Zufall es will, verfügte dieser Mann als einziger über wirklich alle Informationen. So sehr sich Ben Coes bemüht, viele dieser Situationen wirken rückblickend extrem konstruiert. Während Jack Ryan in Tom Clancys Romanen in erster Linie als reiner Analytiker und Querdenker die Bedrohungen der USA beseitigen konnte, wirkt Dewey Andreas selbst mit der Unterstützung der attraktiven Jessica aus dem amerikanischen Sicherheitsstab zu sehr wie der Elefant im Porzellanladen, der mehr durch Gewalt und Zufälligkeiten wichtige Informationen erhält und den nächsten Schritt gehen kann. Ben Coes kann nicht gänzlich klar darstellen, warum der arrogante Terrorist den Plan nicht gänzlich zufrieden stellend und effektiv umsetzt. Ist es die Macht des Geldes, denn immerhin müssen die Milliarden von mit Insiderinformationen gewonnenen Gelder noch transportiert werden. Hier liegt eine weitere Schwäche des Plans. Bei zwei derartigen Anschlägen und vor allem der potentiellen Zerstörung der Infrastruktur hätte die Börsenaufsicht auch die in erster Linie amerikanischen Unternehmens schließen können. Zweitens müssen diese Transaktionen über die großen vier Häuser abgewickelt werden. Mittels Zwischenbrokern wäre es möglich gewesen, diesen Strom noch mehr zu zersplittern und zu tarnen, da inzwischen auch entsprechende Warnmechanismen vorhanden sind und die großen Häuser vor allem mit neuen Kunden hinsichtlich ihrer Transaktionen vorsichtig sind. Im Epilog wird dargestellt, dass fast Zweidrittel der Gelder sichergestellt werden konnten, wobei kurze Zeit vorher davon gesprochen wird, wie effektiv der Feind Amerikas die verschiedenen Summen über verschiedene Firmen transferieren konnte.
Ohne Frage ist „Power Down“ kein schlechter, sehr geradliniger Thriller, der sich nach einem guten Anfang in Punkte Unglaubwürdigkeit weniger die Tom Clancy Thriller als Filme wie „White House Down“ oder „Die Hard“ mit politischen Implikationen zum Vorbild genommen hat. Die Action dominierte die zweite Hälfte. Mit Dewey Andreas verfügt der Roman über eine Art Überhelden, der stoisch auf sich alleine gestellt sein über zehn Jahre zurückliegendes Delta Force Training wieder aktiviert und so quasi immer zwischen den Lücken der Netze durchschlüpfen kann. Es ist aber auch frustrierend erstaunlich, wie angeblich schlecht Amerika auf die nächste Terroristenwelle vorbereitet ist und wie dumm sich die fähigen Köpfe der Organisation in einigen Situationen anstellen, um insbesondere Dewey Andreas nach dessen ersten effektiven Aktionen zu stellen. Solide übersetzt mit teilweise sehr pathetisch heroisierenden Dialogen malt Ben Coes aus der Sicht der erzkonservativen Republikaner eine verweichlichte USA, die nur aufgrund der Leistung einzelner, sich selbst nicht in den Vordergrund stellender Individuen vor dem Abgrund gerettet werden kann. Und das auf eine sehr cineastische Art und Weise, die im Kino die entwicklungstechnischen Schwächen insbesondere der zweite Hälfte deutlich besser mit Action überdeckt hätte.
Autor: | Coes, Ben |
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Buchreihe: | Festa Crime |
Auflage: | Deutsche Erstausgabe |
Buchseiten: | 608 Seiten |
Ausführung: | Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik |
Format: | 20 x 12,5 cm |
ISBN: | 978-3-86552-236-8 |
Originaltitel: | Power Down |
Übersetzung von: | Alexander Amberg |