Sun Koh 5 - "Der Kaiser von Afrika"

Paul Alfred Müller

Der fünfte „Sun Koh“ Sammelband „Der Kaiser von Afrika“ fasst nicht nur weitere siebzehn Einzelromane – die Nummern 62 bis 80 – zusammen, sondern präsentiert in drei teilweise miteinander verwobenen Miniserien die Faszination und die Stärke dieser über mehr als achtzig Jahre populären Serien. Neben interessanten technischen Erfindungen sind es die exotischen Schauplätze – Antarktis, Afrika, Australien, Japan, Neuseeland, Tibet werden in diesem Sammelband bereist und geläutert – und vor allem sehr kompakte Abenteuer mit wiederkehrenden Antagonisten und einem vierteiligen, den Titel dieses Bandes bestimmten Kurzzyklus, dessen Kontext von Paul Alfred Müller in „Falsche Mesonen“  noch einmal aufgenommen worden ist.

In „Die Rache Tibets“ wird der Komplex um den Diebstahl wertvoller Gegenstände in diesem Fall durch einen schurkischen Engländer aus einem Tempel Tibets abgeschlossen. Bemerkenswert ist, dass sich Sun Koh während eines Exkurses über christliche Symbole und die Unterschiede zwischen den Religionen so sehr ablenken lässt – Hal Marvin ist das Opfer -  , dass die Schurken den Gegenangriff starten können. Es ist ein geradliniger Abschluss eines Mehrteilers, der in einer an Sax Rohmer und Fu Manchu erinnernden abschließenden Folterszene – die sprichwörtliche Rache Tibets – gipfelt. Sun Kohs Exkurs in die Symbole verschiedener Religionen trägt allerdings den Beigeschmack des nationalsozialistischen Aberglaubens an eine höhere Abstammung. Der Schurke ist eindimensional, wenn auch weniger klischeehaft als befürchtet gezeichnet und Sun Kohs „Rettung“ des Verbrechers vor einem grausigen Tod erinnert an Karl Mays Überhelden.

Im folgenden Doppelband ist zumindest ein Brite ein Held wider Willen. Der Offizier Jimmy Beckett wird von seinem Onkel beauftrag, beim Fürsten von Darschilling zu schnüffeln. Jimmy Beckett ist zu Beginn des Abenteuers „Jimmy Beckett wird ernst“ ein lebenslustiger, Autorität nicht beachtender Lebemann, der am Ende des ersten Teils zu einem ernsten, aber auch verliebten Menschen wird, der seinen Gegenspieler um die Gunst einer Frau sträflich unterschätzt hat. Während seiner Mission lernt Beckett eine junge attraktive intelligente Frau kennen, auf der auch der Fürst mehr als ein Auge geworfen hat. Er überhäuft sie mit Geschenken und als sie seine Avancen nicht erwidert, lässt er sie nicht zum letzten Mal im Doppelband entführen.  Der erste Teil ist eher klischeehaft mit einem eindimensional gezeichneten Jimmy Becket, während Paul Alfred Müller in „Der zerfetzte Brücke“ das Tempo nicht nur anzieht, sondern mit der Bambusbrücke über die Schlucht gespannt und einem heraufziehenden Sturm eine dunkle Atmosphäre entwickelt und vor allem die verschiedenen Actionelemente und die Kombination unterschiedlicher Blickwinkel effektiv zu einer interessanten Sequenz zusammenbaut. Es ist selten, dass gegen alle Serienlogik der Leser um Sun Koh fürchten muss, aber in diesen Zeilen hinterlässt der Autor zumindest einen entsprechenden Eindruck. Der finale Endkampf wirkt ein wenig zu abrupt und Paul Alfred Müller kann sich einen Bogenschlag zum Auftakt von „Jimmy Beckett wird ernst“ mit der seltsamen, in der Handlung  nicht bedeutsamen Erbschaft nicht verkneifen, aber zusammenfassend gehört dieses eher klassische, ohne technologische Ideen auskommende Abenteuer zu den besten Heftromanen dieser Sammlung.  

Nach dem Dschungelabenteuer dominiert in den nächsten Romanen - sie bilden anfänglich einen geschlossen, mit dem Übergang zum Südpol einen lockeren Mehrteiler - die Technik. Interessant ist, dass sich Paul Alfred Müller hinsichtlich der Feinde und Freunde Sun Kohs ambivalent verhält. Jimmy Beckett ist ein sympathischer Engländer und die Datendiebe in den vorliegenden Romanen sind Japaner, die nach einer missglückten Bestechung einfach zu rabiateren Mitteln greifen. Zumindest ist der Erfinder der kleinen Flugapparate, denen ein Elektromotor wie bei Sun Koh Flugzeug fehlt, ein Holländer. Auf der anderen Seite zeigt Paul Alfred Müller in „Der rächende Sturz“, dass Sun Kohs technische Überlegenheit nicht perfekt wird. So scheitert er mit seinem Elektroflugzeug auf dem Flug zum Südpol, weil die Maschine nicht genug „Strom“ aus der Atmosphäre ziehen konnte und die Witterungsverhältnisse zu unbeständig sind.

"Die fliegenden Geister" (Band 69) bildet den Auftakt. Die Männer eines Leuchtturms sind verwirrt. Selbst während des heftigsten Sturms umfliegen anscheinend Geister - in Wirklichkeit sind es Männer mit kleinen Rucksackfluggeräten - ihren Leuchtturm. Sun Koh fischt einen dieser Männer aus einem Sturm heraus und bringt ihn an Bord seines Flugzeuges. Bevor er allerdings mit dem Mann weiter sprechen kann, ist er verschwunden und die sich eine Zeitlang gegenseitig bekämpfenden Männer der Leuchtbesatzung können nur einen wagen Hinweis in Richtung Japan ("Die Spur Nippon") geben, wo Sun Koh auf der einen Seite in der tiefsten Einsamkeit die Erfinder kennenlernt, auf der anderen Seite die von ihm über Nacht erworbenen Pläne erst an japanische Agenten und dann an einen Gegenspieler verliert, der ihm überlegen erscheint. Über den "Kampf im Dreieck" führt die Spur schließlich in "Der rächende Sturz" zum Südpol, wo ein Exzentriker sich ein Paradies erschaffen hat.  Die Stärke dieses Mehrteilers ist nicht nur der technische Aspekt. Dieser wird teilweise von den Erfindern sogar selbst ironisch relativiert, wobei auffällig ist, dass sie ihre Idee nicht im Geheimen ausprobieren wollten, sondern die Gegner förmlich mit der Nase auf die Flugsäcke gestoßen haben. Viel interessanter sind die exotischen Schauplätze, wobei Paul Alfred Müller wenig Rücksicht auf den potentiellen Verbündeten der nationalsozialistischen Realität legt und in einem weiteren Exkurs deren körperliche Unterlegenheit rassistisch proklamiert. Nicht selten bewegt sich Sun Koh hinsichtlich der Fremden, denen sein Held auf seiner Weltreise begegnet, auf einer arroganten Überlegenheitsebene, die durch die Anwendung von Klischees - der potentielle Spion/ Reporter verkörpert den devoten Chinesen in seiner schwierig schleimigen Art mit dem Messer hinter dem Rücken perfekt - noch unterstrichen wird. Es sind in erster Linie die Europäer, die ihm aufgeschlossen entgegen und mit denen er sich kurzzeitig intellektuell mißt, bevor er seine auch monetäre Überlegenheit in die Waagschale wirft. Mit dem exzentrischen Erfinder am Südpol - schon einige Romane vorher ist Sun Koh in der kanadischen Schneehölle warmen Quellen begegnet, die Oasen in der weißen Wüste erschaffen und ihm das Leben gerettet haben - und seinem Helfer Mister Bender verfügt dieser Minizyklus aber auch über ansprechende und sehr interessante Antagonisten. Mr Bender hat ein Gespür für die Situation. Nicht zum ersten Mal in den siebzehn hier gesammelten Heften wird Sun Koh mittels Gift außer Gefecht gesetzt. Neben den zeitweiligen Entführungen das zweite Stilmittel, das Paul Alfred Müller zu oft einsetzt. Nur vergiftet in diesem Fall Mr. Bender den Helden und rettet ihn gleich wieder durch ein entsprechend vorbereitetes Wasser, das Sun Koh und Hal Marvin nach dessen Flucht verabreicht werden soll. Die finale Konfrontation endet in einer wahren Blamage für Sun Koh, welche es in dieser Form während der ganzen Serie nicht gegeben hat. Das Ziel ist ohne Frage, den Helden zum Südpol zu locken und angesichts der groben Fehler, die Sun Koh begeht, ist das auch keine echte Überraschung. Bender ist immer Sun Koh einen Schritt voraus und die Frechheit, mit der er den japanischen Boten die wichtigen Papiere entlockt, ist bewundernswert. Im Vergleich zu Garcia als kontinuierlich auftauchenden Antagonisten wirkt Bender intelligenter, hinterhältiger, subversiver, aber auch menschlicher. Ein echter Profi, dem es um das Erfüllen des Auftrages für seinen geheimnisvollen "Nemo" am Südpol geht. Vor allem, wenn in den letzten Bänden herausstellt, wer der Auftraggeber ist. Mit der Tochter im Hintergrund wirkt der weltfremde Erfinder mit seinem komplexen und vor allem komplizierten Plan, ohne seine „Befehlshaber“ zu agieren zu exzentrisch, zu sehr wie eine Karikatur denn ein ernstzunehmender Strippenzieher. Seine Schwachstelle ist – auch nicht zum ersten Mal in der Serie – seine hübsche Tochter, die in Mr. Bender verliebt ist.  

Im Vergleich zum voran gegangenen Dschungelmehrteiler sind die Actionszenen einfacher gestaltet und aus einigen Situationen kann sich Sun Koh auch zu schnell befreien, aber dank der interessanten Antagonisten, des exotischen und von Paul Alfred Müller gut beschriebenen Hintergrunds und vor allem den technischen Ideen, die auf den Erfindungen Anton Flettners basieren - dieser entwickelte weniger Flugzeuge oder Fluggeräte, sondern arbeitete am ersten Hubschrauber mit - präsentiert sich dieser Mehrteiler nicht nur als einer der Höhepunkte - zusammen mit der Exkursion nach Afrika - dieses Sammelbandes, sondern der ganzen Serie. Selten funktionierte die Kombination so typischer Paul Alfred Müller Elemente besser.  Das beginnt mit dem geheimnisvollen, wieder von Zeitungsmeldungen mit getriebenen Auftakt mit den fliegenden Geistern und endet schließlich in einer fast als Vorläufer zu den James Bond Filmen verstehenden Oase mitten im weißen Nichts.   

Allerdings muss sich Paul Alfred Müller den Vorwurf gefallen lassen, bei einigen Einleitungen wie zu „Der rächende Sturz“ über die Reiselust der Sachsen einfach zu labbern. Spätestens ab diesem Augenblick hat man das Gefühl, als schaue Karl May den Leser an.  Interessant ist, dass der Professor Nicholson behauptet, Sun Koh im Auftrag seiner Hintermänner aufgrund der in den folgenden Romanen beschriebenen globalen Bedrohung an den Südpol gelockt zu haben.

"Das blinde Genie" und "Attentat auf Südpol" sind wieder im Aufbau klassische "Sun Koh" Stoffe. Eine brillante Erfindung wird von einem Schurken missbraucht und die Welt bedroht. Aber im Gesamtkontext der Serie ist dieser überdurchschnittliche Doppelband in anderer Hinsicht interessant. Da wäre zum Einen wieder die ambivalente Nutzung von Elektrizität, die in diesem Fall einen fast undurchdringlichen Schutzschirm über eine nahe dem Südpol gelegene Insel legt, auf der sich dank des Erfinders Ratcliff Maschinen befinden, welche das Eis auf dem Südpol wegschmelzen und damit das Weltklima zum Kippen bringen können. Die Folgen hat der Autor schon zu Beginn  von "Das blinde Genie" eindrucksvoll beschrieben. In "Attentat auf Südpol" geht er noch einen Schritt weiter. Millionen Menschen sterben durch die steigenden Wassermassen, durch Stürme und Springfluten. Hinter dem Attentat - Ratcliff wurde mittels Hypnose beeinflusst - steht Juan Garcia, der Sun Kohs Plan vom Auftauchen Atlantis zerstören und sein eigenes Reich erschaffen möchte. Die Wiedererweckung des bisherigen Erzschurken wirkt ein wenig zu theatralisch und die Erklärung zu einfach, aber mit dessen Plänen, eine Diktatur am Südpol zu errichten, funktioniert das Gegengewicht zu Sun Koh exzellent. Die technischen Beschreibungen sind nachvollziehbar, der unsichtbare und zumindest anfänglich undurchdringliche Schutzschirm ist eine Idee, die nicht nur in früheren "Sun Koh" Bänden verwandt worden ist, sondern gleichzeitig mit der amerikanischen Pulp Science Fiction und lange vor dessen Popularität in der "Perry Rhodan" Serie entwickelt worden ist. Das Ende ist ein wenig überstürzt und wieder muss Sun Koh aus einer etwas naiven Falle befreit werden, die Garcia für ihn aufgebaut hat. Naiv in verschiedener Hinsicht. Sun Koh ahnt schon länger, wer sein Gegenspieler ist und das anzugreifende Gelände inklusiv der zu zerstörenden Maschinen ist eher überschaubar als Sun Koh glaubt. Die Rettung erfolgt aus der Luft mit den immer wilder werdenden Elementen in letzter Sekunde und passend durch Sun Kohs Freunde. Unabhängig von dieser Schwäche ist dieser "Zweiteiler" gut in die immer fortlaufender werdende Handlung eingebunden. Vorher die Jagd nach den Dokumenten der Flügelmenschen, anschließend die Isolation an einem einsamen und unwirtlichen Ort. Der naive Wissenschaftler Ratcliff ist gutwilliger Täter und naives Opfer zugleich, dass sein Brechen jeglicher ethisch wissenschaftlicher Konventionen nur auf eine Art und Weise wieder gut machen kann. Er weist Sun Koh den Weg. Der Egomanne Juan Garcia hat zwar nur einen Auftritt gegen Ende des Zweiteilers, aber lässt sich auch nicht vom Erben von Atlantis beirren. Das Paul Alfred Müller am Ende des Heftes die Tür für weitere Konfrontationen öffnet, ist selbstverständlich und doch Serienklischee zu gleich.      

 Der Doppelband  75  "Die Meuterer"  und  76 "Die goldene Insel" stellen eine Art Zwischenspurt da. Sun Koh und seine Freunde werden zwar von der abgeschieden gelegenen Insel gerettet, landen aber in den Händen eines mit drakonischen Maßnahmen arbeitenden Walfängers - Anspielungen auf Jack London scheinen vorhanden -, der sie zum Dienst zwingen will. Nach einigen Auseinandersetzungen an Bord streift das kleine Schiff einen Eisberg - "Titanic" - und Sun Koh kann sich zumindest mit Hal Marvin und Nimba auf den Eisberg retten, während nur ihr Gegenspieler mit einer Handvoll treuer Männer in einem der Rettungsboote sich retten kann. Auf Irrwegen landen die beiden Gruppen auf einer weiteren abgeschiedenen Insel, wo sie eine Art modernen Robin Crusoe treffen, der ihnen nicht nur hilft, sondern eine reichhaltige Goldader auf der Insel verrät. Doppelte Ironie ist, dass die Besatzung des Walfängers ausgerechnet wegen der Möglichkeit, Gold unter dem geschmolzenen ewigen Eis der Antarktis überhaupt erst aufgebrochen und dadurch Sun Koh gefunden hat. Auf der Insel kommt es zu den üblichen Auseinandersetzungen zwischen Sun Koh und seinen Männern sowie den Schurken. Für Comic Relief sorgt ein zahmer Pinguin, der als eine Art Freitag dem Gestrandeten Gesellschaft geleistet hat. Der Epilog wieder in der Zivilisation ist eine klassische Abrechnung mit Hochmut und Arroganz.  So kurzweilig dieser Zweiteiler auch geschrieben ist, er leidet unter der Tatsache, dass er zwischen drei sehr starken Handlungsblöcken platziert worden ist. Zum einen die Auseinandersetzung um den Südpol mit dem aus dem Nichts wieder aufgetauchten Garcias und dessen Verfolgung in ein abgeschiedenes, in Neuseeland liegendes Tal. Heinz J. Galle schreibt in seinem Nachwort, dass Paul Alfred Müller deutliche Anlehnungen aus Robert Krafts "Atalanta" für die folgende Sequenz genommen hat. Einige Szenen erinnern aber auch an Haggards "Sie" Romane. Auf dieser Auseinandersetzung und zumindest zeitweiligen Bestrafung des Schurken folgt die Reise nach Afrika mit "Der Kaiser von Afrika". Der Zweiteiler überzeugt durch die Überzeichnung der Charaktere zu wenig. Sun Koh argumentiert und agiert zu statisch und vor allem die Idee, an Bord eines Schiffes Dienst zu tun, dass nicht mehr als Walfänger eingesetzt wird, sondern auf Goldsuche bei voller Mannschaft geht, erscheint eher aus dramaturgischen Gründen konstruiert als nachhaltig herausgearbeitet. Die kleine Insel ist ein interessantes Idyll, das ausbaufähig gewesen ist und mit dem gestrandeten, ehemaligen Chefkoch des Bischofs von Canterbury ist auch ein dreidimensionaler, sympathischer wie tragischer Nebencharakter vorhanden.

Bei den beiden folgenden Romanen "Das Tal der Sklaven" und "Sydney- Blaue Berge und zurück" ist der erste Teil trotz der offensichtlichen Anspielungen auf Robert Kraft und das überraschende Auftreten von Lady Houston - immer noch aktiv heiratswillig mit einem widerborstigen Sun Koh, der Zellen den Eheketten vorzieht - in dem abgeschiedenen Tal. Natürlich wirkt sie wie Robert Krafts Morgan und einige Sequenzen ähneln sich. So kann Kuh einen unbedarften, verliebten Maori auf seine Seite bringen, in dem er ihm die Freiheit verspricht. Im ganzen Roman gibt es keine echte Technik und der Kontrast zu den voran gegangenen Minizyklen wirkt extrem stark. Auf der anderen Seite kann sich Paul Alfred Müller wie in seinen komödiantischen Romanen teilweise von einer leichteren Seite zeigen und veralbert auch ein wenig den ewigen Krieg der Geschlechter. Die exotische Landschaft wird wie im anschließenden, in Australien spielenden Romanen unabhängig von den belehrenden, den Handlungsverlauf unterbrechenden wissenschaftlichen Exkursen insbesondere für die dreißiger Jahre sehr plastisch beschrieben. Im Gegensatz allerdings zu Robert Kraft, der mehr seine Phantasie sprudeln ließ, oder Karl May, dessen Quellen inzwischen überwiegend bekannt sind, gelingt Paul Alfred Müller die Balance zwischen Hintergrundinformationen, eigener Phantasie und wissenschaftlichem Material sehr viel besser, so dass vor den Augen der überwiegend jugendlichen Lesern diese fremden Landschaften wirklich plastisch erscheinen. Die Handlung von "Sydney- Blaue Berge und zurück" ist eher bieder. Ein gewiefter Dieb schlägt zu, Hal Marvin wird verdächtigt und letztendlich führt die Angst vor Sun Koh den Täter zu einem Geständnis und zu einer Flucht in das sichere Gefängnis. Bedenkt man, um wen es sich bei diesem Gegenspieler handelt, so wirkt dieser Spannungsbogen gekünstelt und wenig überzeugend. Die Verbindung zwischen "Das tal der Sklaven" und "Sydney- Blaue Berge und zurück" ist der Hinweis Lady Houstons auf den Aufenthaltsorts Garcias.

Erst mit der Reise nach Afrika nimmt die "Sun Koh" Serie wieder deutlich mehr an Fahrt auf und führt den Leser zu einem weiteren bislang wenig in der Serie bereisten, aber nicht unwichtigen Kontinent.  Der Vierteiler beginnt mit "Mensch verloren". An die Küste von Mozambique schlägt sich ein Weißer durch. Er hat seinen verletzten Freund im Dschungel zurück lassen müssen. In seinen Taschen findet Sun Koh zusammen mit einigen örtlichen Ordnungskräften nicht nur einen lupenreinen Diamanten, sondern eine Wunderwaffe, die über eine gigantische Entfernung tötet. Zusammen mit der Idee einer "mechanischen Hypnose" - der Titel des folgenden Romans - entwickelt Paul Alfred Müller zwei interessante technische Ideen, die zusammen genommen dem ehemaligen amerikanischen Studenten und jetzigen potentiellen Kaiser von Afrika Jophn Ferblack die Möglichkeit geben, die Farbigen unter seinem Kommando zu sammeln. Eine Erfindung hat er dabei selbst gemacht, die andere zwei Deutschen gestohlen, die er ihnen in den Staaten gestohlen hat. Bei der Jagd nach den Dokumenten ist einer der beiden Deutschen verwundet worden. Der Auftakt des Zyklus ist ein wenig schwerfällig, da neben den politischen Argumentan Ferblacks, die weniger rassistisch sind als in einigen anderen "Sun Koh" Heften eine doppelte Rettung im Mittelpunkt der Handlung steht, während das große Bild zu wenig entwickelt wird. Interessant ist das Gespräch zwischen Ferblack und dem zurück gelassenen Deutschen, in dem beide ihre politischen Positionen austauschen. Während Ferblack aufgrund des amerikanischen Rassismus den Farbigen gegenüber den afrikanischen Kontinent in Form einer modernen Diktatur stärken und zu neuer Stärke insbesondere den immer noch vorhandenen Kolonien gegenüber ausbauen möchte, beugt ein treuer Deutscher trotz einer Erfindung, die er impliziert nicht den eigenen Landsleuten zur Verfügung stellen will, sein Haupt niemals vor einem Farbigen. "Mensch verloren" ist dabei der bessere Roman. In "Die mechanische Hypnose" erfährt der Leser mehr über dessen "Reich" und die industrielle Aufrüstung des Kontinents, das Vereinen der unterschiedlichen Stämme und schließlich dessen Intentionen, aber die grundlegende Handlung - so reist die in Sun Koh verliebte junge Frau Roth ihm nicht nur nach Afrika nach, sondern wird von Ferblack als fortlaufendes Klischee der Serie gefangen gehalten - ist deutlich schwächer. In den letzten beiden Romanen geht Sun Koh schließlich gegen Ferblack vor, der nicht nur durch den Diebstahl der Erfindungen und des Umkommens eines der beiden Deutschen, sondern vor allem durch die Entführung von Frau Roth sich den Erben von Atlantis zum Feind gemacht hat.

Dabei werden in "Weiße Neger" erst zum zweiten Mal in diesem ganzen Sammelband - Nicholson hat ja Sun Koh angeblich aufgrund der Hintermänner zu sich gerufen, um das Attentat auf den Südpol zu verhindern - Anspielungen auf den Atlantis Mythos und Sun Kohs Mission eingestreut. Sun Koh triftt wie in einem der folgenden, von Heinz J. Galle im Nachwort erwähnten Romane in diesem Fall auf "weiße Neger", die auch die Schrift der Atlanter mit ins dunkle Herz Afrikas genommen haben. Inhaltlich, atmosphärisch rückt der Mehrteiler mehr und mehr an die klassischen Abenteuerstoffe heran, wobei weniger Haggard als Autoren wie Ewers Pate gestanden haben. In Hinblick auf das Reich des Kaisers von Afrika bleibt Paul Alfred Müller bis auf die beiden Erfindungen, die pragmatisch eingesetzt werden, ausgesprochen ambivalent und bemüht sich nicht, eine neuartige, vielleicht auch utopisch angehauchte Zivilisation zu präsentieren, die von einem westlich geschulten und doch bis auf wenige Abstriche auch egoistischen, opportunistischen und rücksichtslosen Mann geführt wird und dem Westen Konkurrenz machen könnte.   "Weiße Neger" und "Der Kaiser von Afrika" sind aber aus verschiedenen Gründen bemerkenswerte Romane für die ganze Serie. Da wäre zum einen das weitere Verweben des Atlantis- Mythos, dieser untergegangenen Hochkultur nicht nur mit anderen Hochkulturen wie den Inkas, sondern die Integration christlicher Meilensteine wie die Arche Noah, die in diesem Fall auch die Atlanter von ihrer untergehenden Insel getragen hat. Die weißen Neger nennen sich jetzt Walomba. Diese wichtigen Informationen werden dem Leser immer in Form von Dialogen vermittelt, so dass sie eine zusätzliche Authentizität erhalten. 

Vielschichtiger ist die Begegnung des zukünftigen Herrschers und jetzigen Erben von Atlantis mit dem zukünftigen Kaiser von AfrikaJohn Ferblack ist nicht dumm. Vielleicht hat er sich anfänglich weniger auf sein Charisma und seine Intelligenz denn auf technische, allerdings gestohlene Erfindungen verlassen. Die Begegnung dieser beiden "Anführer" wird von Paul Alfred Müller interessiert beschrieben. Was anfänglich eine rassistische Anklage aus dem Mund des Bastards oder Mischlings Ferblack ist, wird mehr und mehr zu einer Vision eines befreiten Afrikas, das wirtschaftlich von Japan geföhrdet unter einer starken und modernen Führung zu den Weltmächten aufsteigen wird und zumindest in der Theorie die Stammesfehden hinter sich gelassen hat. Sun Koh schaut über die "Verbrechen" - Diebstahl und Geiselhaft - hinweg, weil er in Ferblack einen modernen Menschen sieht. Ferblack selbst profiliert sich in den folgenden kurzen Kapiteln, in denen er sich auf eine elegante wie provokante Art und Weise von den überwiegend französischen und britischen Besatzertruppen befreit, den alten Mächten seine Aufwartung machen lässt und schließlich ein neues Afrika aus der Taufe hebt. Japan dient dabei als Verbündeter und weist Großbritannien durch die Bedrohung Indien in seine Schranken. Wie ambivalent Paul Alfred Müller mit den einzelnen Rassen umgeht, erkennt der Leser am Kontrast zwischen dem Zyklus um die fliegenden Männer und dieser Miniserie um "Der Kaiser in Afrika", die innerhalb weniger Monate veröffentlicht worden sind. Bis auf den Diamantendiebahl am Ende des Romans verzichtet Müller auf jegliche Actionszenen und die Konfrontation der beiden Männer wird zu einem intellektuellen Duell, das der Ordnung halber an den schließlich belehrenden, aber auch unterstützend agierenden Sun Koh gehen muss. Es ist ein ungewöhnliches Ende eines vielschichtigen und interessanten Zyklus, dessen politische Untertöne Müller viel öfter in den später veröffentlichten "Jan Mayen" Serie aufgreifen sollte. Die Liebesgeschichte mit der vom richtigen Mann bekehrten Frau Roth wirkt dabei eher wie ein störendes, das Alter der Serie unterstreichendes Element.  

 Wie schon eingangs erwähnt gehört dieser fünfte Sammelband nach dem Auftakt zu den stärksten "Sun Koh" Romanen. Die rassistischen Entgleisungen halten sich in Grenzen, die literarischen Vorbilder wie Kraft oder Haggard werden variiert und extrapoliert, aber nicht ausschließlich kopiert. Weiterhin positiv ist, dass Sun Koh zum wiederholten Male nicht gleich zu Ziel kommt, auch wenn er sich an mehr als einer Stelle ein wenig naiv gegenüber seinen Gegnern verhält. Die technischen Erfindungen - Flugmenschen und Waffen mit unglaublicher Reichweite, ein weiter geschicktes Einsetzen des Mediums "Fernsehen" im Sinne der Fernbeobachtung - stehen in einem guten Kontrast zu den exotischen Schauplätzen. Das Tempo der Romane ist hoch, die Klischees wie Entführungen, Verwechselungen und schließlich auch Befreiungsaktionen weniger vordergründig genutzt. Abgeschlossen wird die reichhaltig bebilderte Ausgabe wieder durch die nachgedruckten Jiu- Jitsu Anleitungen sowie Heinz J. Galles ausführliches Nachwort, in dem er die verschiedenen Ausgaben vergleicht, die "technischen" Ideen mit ihren realen Vorbildern abgleicht und auf einzelne Themenschwerpunkte dieses Sammelbandes inklusiv literarischer Vorbilder oder gedanklicher Exkursionen eingeht.    

Band 5: Der Kaiser von Afrika (Hefte 66–82, 481 S., 65 Abb.) — 27,50 € — ISBN 978-3-940679-81-9
Inhalt: 66 Die Rache Tibets | 67 Jimmy Beckett wird ernst | 68 Die zerfetzte Brücke | 69 Die fliegenden Geister | 70 Die Spur Nippons | 71 Kampf im Dreieck | 72 Der rächende Sturz | 73 Das blinde Genie | 74 Attentat auf den Südpol | 75 Die Meuterer | 76 Die goldene Insel | 77 Das Tal der Sklaven | 78 Sydney–Blaue Berge und zurück | 79 Mensch verloren | 80 Die mechanische Hypnose | 81 Weiße Neger | 82 Der Kaiser von Afrika

Anhang 1: Jiu-Jitsu-Anleitungen 66–75 (in Heften 66–70, 73, 75, 77, 79, 82)
Anhang 2: Dokumentation zu den Sun-Koh-Heften 66–82
Anhang 3: Sun-Koh-Heft-Titelverzeichnis 1–150
Anhang 4: Sun-Koh-Leihbuch-Titelverzeichnis 1–37
Anhang 5: Sun-Koh-Taschenbuch-Titelverzeichnis 1–37