
Der vorletzte Band der zweiten Miniserie "Nur weg von hier" überrascht in vielen Punkten. Zum einen ist der Rückblick mit dem später auftretenden Albaner, der in Wirklichkeit aufgrund der Ereignisse nur frühzeitig ergraut ist, perfekt in den sehr geradlinigen, stringenten Handlungsbogen eingebettet. Dabei werden weitere relevante Informationen präsentiert, die eher im letzten Band diesen Teilabschnitt des Geschehens abrunden. Es wirkt zwar ein wenig zu stark konstruiert, wenn insbesondere Arnest während der "T.S. Eliot" Handlung durch seine Teilnahme an einem Söldnerkommando voller "Freiwilliger" schon einmal von der Station "Scania" gehört hat. Zumindest kann er nur rudimentäre Hinweise auf die "Anzugträger" der "Better Life Solutions" Firma geben, da er selbst nicht teilgenommen hat. Angesichts der Kompaktheit der Handlung ist diese Vorgehensweise vielleicht der effektivste Weg gewesen, um die Leser ohne Spannungsverlust auf Augenhöhe des Plots zu bringen.
Der Konflikt zwischen Ama´Ru und insbesondere John Auckland wird auf eine verbale Art und Weise nicht unbedingt gelöst, aber zumindest relativiert. Claudia Kern gibt beiden Protagonisten ausreichend Argumente an die Hand, um die Positionen ambivalent erscheinen zu lassen. Insbesondere John Auckland versucht sie mit einer bislang eher unbekannten Seite - Vertrauen solange dieses nicht enttäuscht wird - mehr Tiefe und sympathische Dreidimensionalität zu geben. Auckland ist vielleicht auch durch seine Passivität im zweiten Handlungsbogen und die dadurch bedingt Notwendigkeit, auf das Geschehen ausschließlich reagieren und an kaum einer Stelle agieren zu können die Figur, die sich am meisten weiterentwickelt hat.
Arnest, John Auckland und Ama´Ru stehen aber im vorliegenden Band im Hintergrund. Der zweite dominante Spannungsbogen ist deutlich wichtiger und umfassender. Claudia Kern hat über die ganze Serie immer wieder auf zahllose Science Fiction und Horror Filme hingewiesen, die Vorbild, aber wirklich nur Vorbild und niemals Vorlage für ihre Serie gewesen sind. Im Grunde präsentiert sie bei der Vorbereitung des Showdowns noch weitere Streifen wie "Nightmare on Elm Street", aber auch "Die Herrschaft der Schatten" und schließlich immer wieder "Alien" in Kombination allerdings mit "Cube" oder den perfiden "Saw" Streifen aber nur mit Außerirdischen am Ruder. Logisch betrachtet erscheint es angesichts der Manier Hollywoods, nach zwanzig Jahren ein Remake zu produzieren, fast unwahrscheinlich, dass die alten Streifen solange und so verbreitet überlebt haben. Akzeptiert der Leser allerdings diese Prämisse, dann wird er an der ganzen Serie sehr viel Spaß haben. Da hinterfragen in fast aussichtsloser Situation schon die verängstigten Protagonisten die Prämisse, das das "Alien" im Grunde alle Mitglieder der "Nostromo" Mannschaft in Wirklichkeit nach Sekunden hätte erledigen können. Wahrscheinlich hatte es Angst und seine Aktionen waren Schutzmechanismen. Da müssen erst wieder Zombies erschaffen werden, die auch noch aus Sarg ähnlichen Kisten klettern und die "Scania" Station erweist sich wahrscheinlich stellvertretend für die zahlreichen anderen im All befindlichen Stationen als perfider Spielpplat der Außerirdischen, an dessen Ende die Menschen nur gejagte Opfer werden. Die Idee eines brüchigen Status Quo erscheint vor allem auch angesichts der Uneinheitlichkeit, mit welcher die Jockeys die Menschen behandeln - diese Labyrinthe scheinen älter zu sein als die Idee, die Menschen nach dem von ihnen eingesetzten Virus zu deportieren und endgültig auszurotten - eher auch wie ein Kompromiss, um der Menschheit im Allgemeinen und den von Kipling und Lanzo "angeführten" eingeschlossenen Menschen im Besonderen zumindest die Chance auf einen Auftritt im nächsten, den zweiten Minizyklus abschließenden Roman zu ermöglichen. Auf der anderen Seite ist sich die Autorin vieler Klischees und Versatzstücke des Genres so bewusst, dass ihre Protagonisten sich sogar über sie unterhalten, ohne ihn wirklich entfliehen zu können. Diese Mischung aus Augenzwinkern trotz einer ernsten und stringenten Handlungsführung und einem fremdartigen wie teilweise cineastisch vertrauten Hintergrund macht den augenblicklichen Reiz dieser Serie aus. Der vorliegende Roman ist etwas kürzer, weil die Autorin das Verschwinden eines wichtigen Protagonisten und die Erkenntnis, dass vielleicht doch manches anders als erwartet, aber nicht unbedingt besser als befürchtet ist, als Höhepunkt nehmen wollte. Der abschließende zwölfte Band soll dafür ein wenig länger sein.
Zusammengefasst verfügt "Nur weg von hier" über eine ansprechend nihilistische Atmosphäre, eine überzeugende Balance aus Fragenbeantwortung und Hinzufügen neuer Fakten sowie einigen packenden, subversiv gruseligen Szenen, die angesichts der bislang effektiv vorhandenen Informationen positiv allerdings in verschiedene Richtungen ausgebaut werden können. Eine abgerundete, auf den hoffentlich effektiven Höhepunkt zufriedenstellend vorbereitende Lektüre mit solide gezeichneten Nebenfiguren, die deutlich dreidimensionaler sind als die Horror und Science Fiction Film Vorlagen dargeboten haben.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 630 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 64 Seiten
- Verlag: Rohde Verlag (24. März 2014)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B00IJVO4S6