Nach „Kalte Spuren“ liegt mit „Geheimcode Misty Hazard“ der zweite Teil der Serie um die beiden allein gegen alle kämpfenden Ex- Agentin Eileen Hannigan und ihre Partnerin Gwendolyn Stylez. Im Auftaktband hat der Autor Martin Kay sie mit der Unterstützung einer Reihe von imposanten, aber im Verlaufe des Plots auch zu übertrieben erscheinenden Actionszenen ihrer bisherigen Existenz beraubt und den beiden intelligenten wie schlagkräftigen Frauen – Hirn und Faust kommen der Sache relativ nahe – vor Augen geführt, wie mächtig der bislang im Hintergrund operierende Verband der Generäle wirklich ist. Bevor auf den Plot intensiver eingegangen werden soll, muss angemerkt werden, dass „Geheimcode Misty Hazard“ weniger als isolierter Roman denn als Teil der Trilogie funktioniert. Viele Hintergrundinformationen auch hinsichtlich der Suche nach der untergegangenen Hochkultur oder dem Syndikat Gaia´s Dawn werden zwischen den drei bzw. vier wichtigen Actionszenen des Romans erläutert und vertieft, aber die Entwicklung erfährt der Leser am intensivsten und besten aus dem etwas schwächeren, zu stark konstruierten und zu wenig aus sich heraus entwickelten ersten Band der Serie.
Martin Kay spricht in seinem kurzweiligen Nachwort von drei Actionhöhepunkten – McCune, die Mall und schließlich Zypern -, aber im Grunde sind es mit der Flugzeugentführung und dem Versuch, sich den Jagdmaschinen zu entziehen vier „Höhepunkte“ von unterschiedlicher Glaubwürdigkeit, aber bestechender Intensität.
Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. McCune ist eine verschlafene kleine Gemeinde in Kansas. Plötzlich fällt insbesondere im Nahverkehrszug die Handykommunikation aus. Während die meisten der Passagiere noch rätseln, nähern sich im Tiefflug amerikanische Jagdmaschinen und greifen den Zug an. Die wenigen Glücklichen, welche die Katastrophe überleben, werden von amerikanischen Soldaten förmlich hingerichtet. Auch die von der Außenwelt isolierte Ortschaft McCune wird von amerikanischen Truppen besetzt, Unschuldige und Unwissende getötet. Nur Reno Spears kann dem Zuginferno entkommen und wird von den Soldaten von einem älteren Cowboy mehrfach und vielleicht ein wenig zu übertrieben gerettet. Er versucht, seinen Kriegskameraden aus der nächsten Großstadt heraus zu erreichen, nur scheint der ebenso wie seine Schwester Eileen Hanningan wie vom Erdboden verschluckt. Spears ahnt nicht, dass er mit Truppen auf sich aufmerksam macht, die gnadenlose Jagd auf ihn machen, um den letzten möglichen Augenzeugen auszuschalten.
In Stuttgart dringt dagegen die Agentin Eileen Hannigan mit der Unterstützung der neuen Partnerin in eine isolierte Forschungseinheit – in dieser Hinsicht bleiben die Beschreibungen Martin Kays allerdings ambivalent ein- ein, um hinter die Formel des Shift- Ps zu kommen, das ihr zusammen mit vierzehn anderen Hazarders ohne ihre Zustimmung eingeimpft worden ist. Viele dieser Hazarders leben nicht mehr. Natürlich geht die Aktion schief und von diesem Moment an entwickelt sich eine rasante Verfolgungsjagd nicht nur durch die schwäbische Hauptstadt, sondern über den Atlantik inklusiv der schon angesprochenen Flugzeugentführung nach Kansas mit der blutigen Erstürmung einer Mall – Romeros „Dawn of the Dead“ mit modernsten militärischen Mitteln. Die Reise endet schließlich auf Zypern, wobei unabsichtlich das Gesicht des Mittelmeeres mit verändert wird.
Wie in „Kalte Spuren“ verknüpft Martin Kay verschiedene Science Fiction Aspekte – neben der ultimativen, natürlich nicht zu verfolgenden „Ghost“ Mastercard in erster Linie die Idee des Klonings – mit Mysteryaspekten - die geheimnisvollen Reste der untergegangenen Hochkultur, deren Basis sich doch deutlich von der menschlichen Zivilisation unterscheidet – in einem actionbetonten, rasanten und dadurch allerdings auch an einigen Stellen angreifbaren Technothriller.
Diese Mischung geht allerdings auch angesichts der Kompaktheit zu Lasten der Glaubwürdigkeit. Martin Kay kann alle seine Protagonisten im Grunde nur über ihre Handlungen definieren. Er hat keinen Raum und auch keine Zeit, um das Innenleben seiner Figuren besser zu beleuchten. Einige kauzige Nebenfiguren wie der Cowboy oder das Opfer Reno Spears erhalten einige wenige Szenen, in denen ihre Charaktere beleuchtet werden. Die beiden Hauptfiguren Eileen Hannigan und Gwen Stylez sind in „Kalte Spuren“ trotz oder vielleicht auch gerade wegen der gänzlichen Zerstörung ihrer bisherigen Welt ausreichend definiert worden. „Geheimcode Misty Hazard“ kann diesen Beschreibungen nichts Neues mehr hinzufügen. Es besteht für zukünftige Abenteuer zusätzlich die Gefahr, dass sich Martin Kay bei seinen Figuren auch in eine Ecke schreiben. Alleine dominantes Agieren selbst unter den ungünstigsten Umständen reicht nicht, um eine ganze Serie darauf abzustellen. Sehr schwach sind die Antagonisten trotz zahlreicher Möglichkeiten beschrieben worden. Stupide Befehle ausführende Militärs, die sich beim Schiefgehen einer Aktion selbst umbringen. Der Kreis der im Hintergrund agierenden Generäle mit ihrer geradlinigen Zielrichtung, die Auswirkungen der von ihnen entwickelten „Medikamente“ für eine mögliche Optimierung vor allem angesichts einer dann wieder zurück gezogenen Deadline zu überwachen, aber nicht mehr zu kontrollieren oder ihre Suche nach den Geheimnissen der Hochkultur, die schließlich in einem vollkommen überzogenen Paukenschlag endet, bleibt blass. Nicht selten werden die Antagonisten eher als künstlicher Spannungsaufbau missbraucht. Sie sollen verdeutlichen, dass sich Hannigan und Stylez trotz ihrer minutiösen Planungen auf einem intellektuellen Holzweg befinden und im Grunde nur als Schachfiguren (sprich Bauern) in einem sehr komplizierten und hoffentlich auch komplexen Spiel dienen.
Eine weitere Schwäche gibt der Autor im Grunde in seinem Nachwort zu. Neben den drei bzw. vier Höhepunkten des Romans hat er sich nicht bremsen können und ist tempotechnisch auf dem handlungstechnischen Gaspedal geblieben. In „Kalte Spuren“ hat er den Plot deutlich besser strukturiert. Der erste Roman der Serie litt allerdings unter der Tatsache, dass der Höhepunkt des Buches fast zu früh gesetzt worden ist. Es wirkt angesichts der zahlreichen zu langen Epen paradox, von zu viel Tempo zu sprechen, aber der Hang zum Overkill wird dadurch vor allem unterstützt, dass Martin Kay insbesondere seine beiden Heldinnen mehrfach in Situationen bringt, aus denen sie sich nur übertrieben/ überzogen befreien kann. Der Angriff auf die Jets aus einer bedrohten Linienmaschine heraus ist ohne Frage spektakulär und cineastisch, aber verliert noch stärker als die letzten James Bond Filme jegliche Bezug zu einer fiktiven Realität. Auch die Idee, eine Kleinstadt in den USA zu isolieren und auszulöschen, in dem man auf eine Katastrophe hinweist, wirkt vor allem angesichts der Vorgehensweise der amerikanischen Armee – sie kümmert sich sehr wenig um die notwendige Ablenkung – eher fürs Papier denn die Phantasie der Leser erschaffen. Am Ende des Buches greift der Autor schließlich zur Keule und will nicht nur die Welt retten, sondern verändern. Das wirkt wie in Thomas Thiemeyers letzten Romanen eher ambivalent übertrieben anstatt einen zufriedenstellenden Höhepunkt des Romans auszubilden.
Den Schwächen des Romans steht aber auch eine Reihe von Stärken gegenüber. Als Autor hat sich Martin Kay insbesondere im Vergleich zu „kalte Spuren“ und dem früher entstandenen „Kampf um Thranos“ deutlich weiter entwickelt. Die Dialoge sind pointierter, nuancierter und variabler. Auch die Beschreibungen werden distanziert, dafür allerdings auch übergreifend passend ohne verbale Ausbrüche ins Umgangssprachliche präsentiert.
Isoliert von jeglicher Logik betrachtet sind die Actionszenen gut und vor allem sehr variiert verfasst worden. Während der Angriff auf das Dorf aus der Perspektive Spears von einer erschreckenden Präzision und Kaltschnäuzigkeit der amerikanischen Militärs dominiert wird, erscheinen die Szenen im Flugzeug nach der anfänglich überraschenden Naivität der beiden Damen cineastisch bis zum angesprochenen Übertreiben ausgereizt. Durch schnelle Dialoge, kurze Beschreibungen und daraus resultierend verzweifelten Aktionen getrieben kommt vielleicht wegen der „Untötbarkeit“ der beiden Protagonistinnen nicht so viel Spannung auf wie in der Auftaktsequenz, aber packend ist das Geschehen schon. Höhepunkt in zynischer Hinsicht ist ohne Frage der Angriff der paramilitärischen Kräfte auf die Mall, in der sich Hannigan und Stylez verschanzt haben. Die Mall wird in einer konzertierten Aktion der Apache Hubschrauber und Abrams Panzer unter großen zivilen Opfern gestürmt. Diese Actionsequenz weißt die richtige Mischung aus dramatischer Dynamik, innewohnender Spannung inklusiv kurz vorgestellter und damit über Gesichter verfügender Opfer und dem verzweifelten Versuch Hannigan und Stylez auf, das Unabwendbare doch irgendwie abprallen zu lassen.
Das Mystery Element wirkt allerdings rückblickend zu schwach in die Handlung intergiert. Die Suche der Gruppe der Generäle nach den Hinterlassenschaften der Hochkultur in ihrer Einzigartigkeit nimmt erst im Schlussabschnitt zu einem Zeitpunkt Fahrt auf, als der Leser sich nicht unbedingt verschnaufen möchte, aber zumindest einen Teil der roten Fäden zusammengebunden vorfinden will. Hier erwartet der Leser deutlich mehr. Auch in Hinblick auf die Motivation der Generäle über die klassische Weltbeherrschung hinaus hat der Autor eine Bringschuld, die hoffentlich in den nächsten Romanen positiv eingelöst wird. Ansätze gibt es genug, die Schwierigkeit ist nur, sie kontrolliert und für den Leser zufriedenstellend mit Leben zu erfüllen.
Im Vergleich zu „Kalte Spuren“ ist „Geheimcode Mysty Hazard“ trotz der immer noch vorhandenen Schwächen der nicht nur reifere, sondern auch durch die noch zu wenig extrapolierten Hintergründe der reifere, packendere und dynamischere Roman. Martin Kay sollte allerdings bei der Auflösung unmöglicher Situationen ein wenig mehr Mühe gegeben und die übertriebenen Exzesse/ unrealistischen Situationen gegen den Strich des Genres Logik bemühen, damit seines Art von Thriller nicht nur als überlautes Geballer mit an Waffenfetischismus erinnernden detaillierten Beschreibungen endet.
Das kontinuierliche „Gas geben“ ermüdet ohne Frage gegen Ende und unterminiert Kays Ansätze, einen wirklich dramaturgisch einschlagenden Höhepunkt zu liefern. Es rückt den Band eher an die oberflächlichen Kino Actionthriller denn Tom Clancy reaktionär paranoide Epen heran. Auf der anderen Seite bleiben so viele Fragen offen, dass der Leser den beiden interessant gestalteten, aber charakterlich auch noch ausbaufähigen Frauen einfach in weitere aufeinander aufbauende Abenteuer folgen muss.