The Magazine of Fantasy and Science Fiction March/ April 2018

The Magazine of Fantasy and Science Fiction 03/4 2018, Titelbild, Rezension
C.C. Finlay

Die Frühjahrsausgabe von “The Magazine of Fantasy and Science Fiction” ist eine der besten Nummern seit vielen Jahren. Insgesamt zehn Texte mit nur einer Novelle präsentieren das ganze Spektrum der Phantastik von Fantasy bis zur Hard Science Fiction. Vor allem stimmt die Mischung aus fortlaufenden Serien, Newcomern und allein stehenden Arbeiten.

 Charlotte Ashley eröffnet die Ausgabe mit einer weiteren Geschichte „The Satyr of Brandenburg“ um ihre Heldin La Heron. Sie wird zusammen mit ihrer Begleitung zu einem besonderen Wettstreit bestehend aus Duellen an den Hof eines arroganten wie reichen Aristokraten eingeladen. Dabei trifft sie in dieser Fantasywelt mit dem spätmittelalterlichen Frankreich als Hintergrund auf einen Satyr. Für Le Heron eine weitere Schublade ihrer vergessenen Vergangenheit, die sich öffnet. Auch wenn der zugrunde liegende Plot ausgesprochen geradlinig ist und der interessante Prolog mehr verspricht als der Handlungsbogen einhalten kann, lernt der Leser in dieser inzwischen dritten Geschichte um die beiden Frauen die Protagonisten besser kennen. Ihre Vergangenheit öffnet sich mehr und die Idee eines Satyrs als Rattenfänger von Hameln – das Titelbild der Ausgabe zeigt diese Schlüsselszene – wird effektiv umgesetzt. Vor allem aber hinsichtlich der fortlaufenden Charakterisierung der Protagonisten aber nur in strenger Kombination mit den ersten Teilen vorhaltlos empfehlenswert.

 Es ist nicht die einzige Geschichte, die als Urban Fantasy bezeichnet werden kann. Joseph Bruchac präsentiert mit „The Next to the Last of the Mohegans“ die Geschichte einer besonderen Freundschaft mit Exkursen in die Regionen des kleinen Volkes, die schlicht und ergreifend aus Irland in die USA versetzt worden sind. Auch wenn der Plot vorhersehbar erscheint, ist es der lockere, die Protagonisten markant, eindrucksvoll und trotzdem humorvoll zeichnende Schreibstil, welcher die Story aus der Masse vergleichbarer Geschichten heraushebt.

 In der Theorie verfügen auch „Hideous Flowerpots“ von Susan Palwick und „A Swim and a Crawl“ von Marc Laidlaw über phantastische Elemente. Die beiden schwächsten Arbeiten dieser Ausgabe können sich nicht entscheiden, welche Art von Story sie letztendlich erzählen wollen. Insbesondere Marc Laidlaw fasst den Inhalt seiner Story sehr gut zusammen. Der Protagonist möchte ins Meer hinausschwimmen und Selbstmord begehen, was schließlich zu einer Verbindung mit der Natur an einem eher surrealistisch skizzierten Ort führt. Bei Susan Palwick geht es um eine Galeristin, die im Grunde Angst vor der Kunst hat. Eine neue Bekannte zeigt ihr eine Maschine, welche die Urängste der Betroffenen offenbart und sie quasi über die Schockmethode heilen soll. Ohne wirklich aufzuzeigen, ob die Geschehnisse real sind, unterhalten die beiden Geschichten zwar oberflächlich, wirken aber ausgesprochen konstruiert und bemüht.   

 Eine klassische Science Fiction Geschichte stellt „Deep Sea Fish“ von Chi Hui dar. Der Titan soll für die Menschen bewohnbar gemacht werden. Bei den Forschungen stellen die Wissenschaftler fest, dass es dort früher eine höhere stehende Zivilisation gegeben haben muss, die ihre Spuren im ewigen Eis hinterlassen hat. Das Eis, das für den Terraforming Prozess geschmolzen werden soll. Wie es sich für derartige Geschichten gehört, überschätzt der Mensch sich selbst und beschwört eine ökologische Katastrophe herauf, welche nicht nur die Spuren der fremden Zivilisation, sondern vor allem auch die neuen Bewohner des Titans bedroht. Unabhängig vom kompakten Text setzt die Autorin mahnend die richtigen Zeichen. Eindrucksvolle Bilder dieser Hinterlassenschaften, dazu eine archaische wie erhabene Landschaft und schließlich das tragisch philosophisch anmutende Ende, das den Titel in Form einer Allegorie erklärt. Auch wenn auf den ersten Blick Terraforming fremder bizarrer Welten keine unbedingt neue Idee ist, hat die Autorin diesem Thema neue Perspektiven ab gewonnen und eine nachdenklich stimmende, nicht unbedingt melancholische Geschichte erzählt.  

 Andy Stewart kehrt mit „Likho“ nach Tschernobyl zurück. Aus der Ich- Perspektive erzählt kehrt die Protagonistin mit einem Führer in die verseuchte Zone zurück, um dort nach Artefakten zu suchen und einzelne Forschungen abzuschließen. In dem inzwischen von der Revolution zerbrochenen Land hält sich das Gerücht, dass die Russen die Experimente unter anderem mit paranormalen Kindern in den Bunkern innerhalb der Sperrzone um den Reaktor fortsetzen. Es ist eine dunkle, mystische, sehr intensiv geschriebene Geschichte, die allerdings nicht selten auch Versatzstücke aus den Gruselgenre wie den Epilog dazu nutzt, um die beklemmende Atmosphäre in der Zone um den Reaktor darzustellen. Gleichzeitig handelt es sich um eine Reise zurück in die eigene Vergangenheit und die verzweifelte Hoffnung, mehr über das eigene Schicksal als Waisenkind zu erfahren. Es ist das zweite Mal, das Andy Stewart literarisch in die Ukraine reist. Das erste Mal ebenfalls in „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ publiziert war brutaler, intensiver und paranoider, während „Likho“ intimer, aber nicht weniger verstörend ist. Einer der Höhepunkt dieser insgesamt überdurchschnittlichen Ausgabe.

 William Ledbetter macht in einer weiteren Science Fiction Geschichte sich einen Spaß aus den zahllosen Monsterfilmen der fünfziger Jahre. „The Beast from Below“ liest sich dank der sympathischen, aber auch ein wenig schematisch skizzierten Protagonisten kurzweilig und dient eher als eine Art Hommage nicht nur an die fünfziger Jahre, sondern auf dem Land in den USA spielenden Monsterstreifen wie „Tremors“.

 Es ist nicht die einzige Story, welche unter der Erdoberfläche spielt. Auch „Down Where Sound Comes Blunt“ von G.V. Anderson spielt tief unten. Nur unter der Meeresoberfläche. Die Protagonistin ist auf der Suche nicht nur nach ihrem vor längerer Zeit in der Gegend verschwundenen Vater, sondern auch nach einem mystischen Volk, das Meerjungfrauen ähnelt. Die Pointe ist bitterböse und negiert die Legenden um die Meerjungfrauen, wobei der aufmerksame Leser weit vor der naiven Protagonistin die Pointe ahnt. Solide geschrieben verfliegt der Zauber ein wenig, nachdem die Suche zu ersten Erfolgen geführt hat.

 Die Veränderung der sozialen Ordnung spielt eine wichtige Rolle in zwei sehr unterschiedlichen und doch impliziert auch vergleichbaren Geschichten. In Ted Rabinowitz „A Dog of Wu“ geht es um einen Auftragskiller, der die Quelle von verbotenen Radiosignalen herausfinden soll. Die Menschheit hat nach den Jahren des Chaos in einem engen diktatorischen Korsett zur Reihe gefunden und die Signale von Raumflügen drohen die engen Grenzen der Zivilisation zu sprengen. In „The Harmonic Resonance of Ejiro Anaborhi“ von Wole Talabi findet ein junges afrikanisches Mädchen mit einer Vorliebe für Science Fiction als liebevolle Hommage an das Genre einen seltsames Apparat, welcher es ihr ermöglicht, ihren Geist zu erweitern. In beiden Storys sind die Signale und das Auffinden des Artefaktes Ausgangspunkte für soziale Veränderungen, denen die Autoritäten in Form der Regierung oder bei Wole Talabi des eigenen Vaters gegenüberstehen. Der Katalysator löst eine ganze Reihe von Ereignissen aus, an deren Ende aus Sicht des Lesers positive soziale Veränderungen stehen. Beide Geschichten werden vor allem von ihren überzeugenden Protagonisten und dem angenehmen Stil vorangetrieben, auch wenn die zugrunde liegenden Plots im Kern nicht unbedingt originell erscheinen. Es sind die Wechselwirkungen, welche die Texte aber positiv aus der Masse herausheben.

 Paul Di Fillipo spricht in seiner satirischen Kolumne „Plumage from Pegasus“ von der Kraft der Idee. Im Grunde der dritte Beitrag zur Weltveränderung. Ein Science Fiction Autor wird in John Varleys „Millenium“ Idee kurz vor seinem endgültigen Hirntod in die Zukunft gerissen und soll dort mit anderen Kollegen/ Prominenten/ Künstlern die futuristische wie sterile Zukunft neu gestalten. Der Anfang des Textes ist eindringlich, während der Plot gegen Ende zusammenfällt. Anscheinend ist Anarchie das einzige Heilmittel gegen die dystopische Zukunft. Und das erscheint angesichts der beiden diese Prämisse ebenfalls nutzenden kraftvollen anderen Geschichten dieser Ausgabe deutlich zu wenig.

 Charles de Lint philosophiert in seiner Kolumne längere Zeit erst über das Lesen und die Schwierigkeit, gute Bücher zu finden, bevor er dann in rascher Abfolge eine ganze Reihe von Romanen und Serien vorstellt. Michelle West geht exotischere Wege und findet einige sehr interessante Romane. Zum ersten Mal nach langer Zeit wird in der abschließenden Fundgrube ein Buch vorgestellt, das dieser Tage eine Neuauflage erfährt. David J. Skal berichtet über den Himmel, den er in Spanien gefunden hat. Als Mitglied der Sittges Juroren berichtet er nicht nur von diesem außergewöhnlichen Festival, sondern bringt eine Reihe von entdeckenswerten Streifen mit, welche er kurz und pointiert vorstellt. 

 Mit einer Novelle, neun Kurzgeschichten und zwei Gedichten präsentiert die März/ April Ausgabe von „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ wieder ein sehr breites Spektrum von teilweise zutiefst menschlichen Storys, von denen die meisten aufgrund der Plotführung und der kleinen Ideen, der mindestens solide charakterisierten Protagonisten oder der überzeugenden Hintergründe gut bis sehr gut unterhalten.  

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Taschenbuch, 256 Seiten