Im vorletzten Zaubermond Doppelband der Perry Rhodan Planetenroman Nachdrucke fast Rainer Nagel zwei weitere Abenteuer der USO Agenten Tekener und Kennon zusammen. Von der Zusammenstellung ist es vielleicht ein wenig unglücklich, auf die Agentenabenteuer Kurt Mahrs einen weiteren Doppelband mit dieses Mal USO Einsätzen folgen zu lassen, aber diese Kommandounternehmen zur Bewahrung des Friedens haben in den Planetenromanen eine sehr lange Tradition.
Unabhängig vom Handlungsverlauf weist das erste Abenteuer „Coucoulou, der Clown“ eine Reihe von Besonderheiten auf. Immer wieder wird der Handlungsverlauf durch Aktennotizen von Tekener und Kennon unterbrochen, welche sie anscheinend an ihr Hauptquartier senden. Rückblickend vor allem angesichts der Situationen, aus denen sie berichten, ist diese Vorgehensweise ein wenig seltsam. Mitten im Einsatz ohne direkt etwas zu sagen haben und nur über das eigene Schicksal mit dem drohenden Tod durch Erhängen berichtend wird der Leser immer wieder aus dem Handlungsverlauf förmlich herausgerissen und daran erinnert, das Tekener und Kennon immer alle Gefahren überstanden haben.
Zusätzlich greift H.G. Francis nicht zuletzt aufgrund der eher komplizierten als komplexen Bedrohung auf einige „Deus Ex Machina“ Rettungsaktionen zurück, von denen der Sprung vom Galgen im wahrsten Sinne des Wortes die am meisten enttäuschende Aktion ist.
Eingeleitet von einem wunderbaren Titelbild nimmt der Handlungsbogen erst spät an Fahrt auf. Zu Beginn mit der seltsamen Begegnung im Waffengeschäft auf dem Planeten Cores- Tra konzentriert sich H.G. Francis vor allem auf die Artistentruppe „Unter den Sternen“ mit ihrem Clown Coucoulou. Dieser droht Tekener sogar.
Erst nach ihrer Rückkehr in Quinto Center erhalten die beiden Agenten ihren eigentlichen Auftrag. Sie sollen wegen eines drohenden Krieges zwischen den Planeten Dorkaynt und Phra ermitteln, wer hinter den gegenseitigen Provokationen steckt.
Sowohl in Coucoulou, der Clown“ als auch „Zeitschiene Midas“ agieren Tekener und Kennon auf Welten, die sich mehr oder minder zynisch den Mantel einer prosperierenden Wirtschaft und einer Demokratie gegeben haben. Auf Dorkaynt herrscht Nostrodomos, der Gütige, während im zweiten Buch auf dem Planeten Peka- Ghoran seit mehr als zweihundertzehn Jahren die Partei der Primaner mit dem jeweiligen Primus regiert. Der Gegenentwurf ist das idealisierte Chaos, das der Priester Choran Morpkan als Idealzustand ansieht. Nicht zuletzt deswegen droht der Konflikt zwischen den beiden Welten zu eskalieren, wobei H.G. Francis am Ende des Plots eine aufgesetzte Erklärung nachschiebt, die nicht ganz zu den politischen Entwicklungen passen mag.
Sowohl Nostrodomos als auch Choran Morpkan sind länger im Amt als die gegenwärtigen Ereignisse dauern. Auch die Idee hinter der Spur, welcher die Zirkustruppe hinterlässt, ist auf den ersten Blick schlüssig aufgebaut, auf den zweiten Blick wirkt sie zu überdimensioniert und vor allem schließt H.G. Francis den vielschichtigen Plot viel zu schnell ab. Wie Rainer Nagel in einem seiner vorherigen Nachwörter angemerkt hat, ist in den Planetenromanen sehr viel mehr möglich gewesen als in der Erstauflage, da es selten zu Comebacks der beschriebenen Völker in diesem Fall selbst aus anderen Dimensionen gekommen ist.
Der Fall „Zeitschiene Midas“ geht Kennon sehr viel näher als die Begegnung mit Coucoulou, dem Clown, aber H.G. Francis hat mit den Hundekopfblumen und der Agentin, welche sie gerne als eine Art Markenzeichen zurücklässt sowie den Antagonisten Coucoulou – seine Verwandlung gegen Ende wirkt angesichts seines bis dahin fast an Lon Chaney erinnernden Verhaltens aus der Luft gegriffen, ist aber zumindest effektiv - so viele Ideen in die von einem hohen Tempo geprägte Handlung gestreut, dass Tekener und Kennon vor allem auch durch die Pflicht, Zwischenberichte zu schreiben, hin und her getrieben werden.
Als Agententhriller fallen einige Versatzstücke am Ende zu leicht ineinander, aber auf dem Weg dahin hat H.G. Francis mit der Manipulation der Medien auf beiden Seiten sowie der wahrlich bizarren Gerichtsverhandlung durch Kennons robotisierten Alptraum und die Hinrichtung einen fast surrealistischen Höhepunkt verfasst.
Aber auch aus einem anderen Grund sind diese frühen Agentenabenteuer noch heute interessant. Behutsam mit einer Mischung aus fast mitleidiger Sympathie und einem Hang zur leichten Übertreibung beschreibt H.G. Francis vor allem in „Zeitschiene Midas“, aber auch schon in „Coucoulou, der Clown“ die emotionale Entwicklung Kennons, den die meisten ATLAN und Perry Rhodan Leser ja als typische Ironie K.H. Scheers in seinem Roboterkörper kennen.
In „Zeitschiene Midas“ wird Kennon quasi als Pate auf eine der Kolonialwelten eingeladen, von der aus ein seltsames Experiment beginnen soll. Auf einem frisch entdeckten Paradiesplaneten soll eine Kolonie für Kinder und Jugendliche errichtet werden. Nur von Robotern behütet aber ohne Erwachsene sollen sie dort frei und in Frieden leben. Tekener und Kennon wollen den Mann hinter dieser Idee besuchen, müssen aber bei ihrer Ankunft feststellen, dass er eine Woche vorher bei einem Unfall im Dschungel ums Leben gekommen ist.
Misstrauisch geworden finden sie heraus, dass es sich um einen ehemaligen USO Agenten handelt. Auch wenn der Titel des Romans „Zeitschiene Midas“ lange Zeit verwirrend ist und sich über weite Strecken nicht erklären lässt, ist der verschlungene Plot mit der Kolonie der Kinder; der seit mehr als zweihundert Jahren einseitigen demokratischen Diktatur der PRIMATEN Partei sowie der Aufbau der Welt mit einer Milliardenstadt und ansonsten nur unendlich freier Fläche ausgesprochen spannend, interessant und von H.G. Francis sehr originell gestaltet.
Vor allem weil die verschwundenen Kinder ein bizarres Geheimnis in sich tragen. H.G. Francis zerteilt den Roman anschließend auf zwei Ebenen. Zum einen die Manipulation der Wähler mittels eines entsprechend programmierten Computers. Der Autor nutzt dabei nicht unbedingt eine Idee der amerikanischen Präsidentschaftswahlen – das Buch ist einige Jahr vorher erschienen -, sondern zeigt auf, wie gut die Maschine manipulieren kann. Auf diesem Handlungsbogen spielt H.G. Francis die Tastatur des klassischen Spannungsromans mit einem Eingreifen in letzter Sekunde, dem Aufeinandertreffen von Triumph und Tragödie und schließlich die pragmatische Bestrafung des Oberschurken.
Vor allem Kennons Mission wirkt wie eine Mischung aus den in den sechziger Jahren so populären Einbruchsthrillern mit den perfiden, auf den Gangster wartenden Fallen und der schon in Zusammenhang mit Kurt Mahrs SOLEFT angesprochenen „Mission Impossible“ Struktur.
Viel interessanter ist der zweite Spannungsbogen um die zahllosen verschwundenen Kinder. Kennon und Tekener können wie der Leser die einzelnen Fakten nicht zusammensetzen. Am Ende wird das Geheimnis präsentiert. Hier überspannt allerdings H.G. Francis den Bogen zu sehr.
Selbst unter der Prämisse, dass diese Art der Versorgung einer Bevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen technisch und wirtschaftlich überhaupt möglich ist, erscheint es unwahrscheinlich, das NIEMAND in der Milchstraße von derartigen Coups gehört haben mag und in einem Universum, in dem Mutanten und Parafähigkeiten bekannt sind, kein Mensch auf einen solchen Gedanken macht. Die zugrundeliegende notwendige Logistik wird ignoriert. Im Kleinen und Feinen hätte die von H.G. Francis entwickelte Theorie sehr gut funktioniert. Eine oligarchische Elite nutzt andere Menschen/ Kinder aus, um sich konkrete Vorteile zu schaffen, während die Massen im Elend bleiben. Das hätte sehr gut zum Wahlbetrug gepasst, aber den Elfenbeinturm, den H.G. Francis inklusiv der zeitweiligen ebenfalls unnötigen Deportation der beiden Agenten während des Showdowns aufbaut, kann der Leser nicht wirklich glauben.
Unabhängig von dieser ohne Frage eher überambitionierten, aber zumindest plakativen Prämisse ist „Zeitschiene Midas“ ist fast perfektes Tekener/ Kennon Abenteuer, in dem mit den Urängsten Kennons genauso gespielt wie die Isolation der beiden USO Mitglieder während der Mission plausibel erklärt wird. Hinzu kommt eine exotische, aber nicht gänzlich fremde, wirtschaftlich nicht erklärbare Welt und gekennzeichnet durch ein hohes Tempo wieder ein Wettlauf gegen die Zeit.