Perry Rhodan Neo 58- Das Gift des Ringes

Robert Corvus

Der "Perry Rhodan Neo" Debütroman Robert Corvus ist ein Kuriosum. Zwei Handlungsebenen, die unterschiedlicher nicht sein können, eine Ignoranz verschiedener vorangegangener Szenen – Ernst Ellerts Eingreifen mit dem warnenden Hinweis, den Regenten nicht zu töten und die Tatsache, dass zumindest ATLANs Auftraggeber nicht weiß, dass der „Regent“ ebenfalls einen Zellaktivator unbekannter Herkunft trägt – und letzt endlich ein Spannungsbogen, der höflich gesprochen in die Kategorie „Verzweifelungstat“ eingeordnet werden muss.

 

Sergh da Treffon ist plötzlich viele Jahre der Gouverneur der Naatwelt gewesen. Jener Naats, die ihn zweimal blamiert und im Stich gelassen haben. Jene Naats, die als Verräter mit einem Prototyp zur Erde geflohen sind. Jene Naats, die da Treffon plötzlich für seine persönlichen Umsturzpläne gewinnen möchte. Es gibt ein altes Sprichwort: Aus Schaden wird man klug. Das gilt anscheinend nicht für da Treffon, der trotz seiner außergewöhnlich hohen Position auf kein anderes Volk als die Naat zurückgreifen kann oder will. Schon der Hinweis, dass ihm vor zwölf Jahren ein metallisch wirkender Humanoide den Weg zur Macht – zumindest zu einer wichtigen Position im Imperium – gewiesen und einen Ring aus scheinbar flüssigem Metall geschenkt hat, wirkt wie eine nachträglich eingefügt Information, die aus dem unübersichtlichen Zyklus irgendetwas Positives ableiten soll. Selbst wenn man diese „Fakten“ ignoriert, scheint die Vorgehensweise da Treffons auf der Naatwelt mit der Teilnahme an den Ausscheidungskämpfen – Tasbur genannt – äußerst fragwürdig und entspricht nicht dem Charakter, den der arrogante und selbstherrliche Arkonide gegenüber minderen Völkern bislang gezeigt hat. Im Grunde erringen die Naat in der Paarungsgrube auch nur das Recht, sich fortzupflanzen. Ein weiterer eher abstrakter Gedanke für einen Arkoniden, denn da Treffon will ja die Naat zur Treue zwingen. Mit einer abwartenden Haltung – bekannt aus den Earl Dumarest Romanen – kann de Treffon schließlich dem einzigen verbliebenen Gegner sein „Band“ entreißen und damit in die Grube steigen, wo er zur Überraschung aller seinen zwölf Jahre „verschwundenen“ Mentor wieder trifft, der nicht nur sich nach dessen Plänen erkundigt, sondern den Sturz des Regenten befürwortet. Pranav Ketar ist als Goldener schon in verschiedenen „Neo“ Romanen aufgetreten und hat dabei im Grunde beide Seiten strategisch „bespielt“. Neben seiner Funktion als Sektengründer.

Bislang wollte da Treffon die Erde finden und sich an den Menschen für die durch die Naats erlittene Schmach rächen. Die Möglichkeit, dass der Regent durch einen „Doppelgänger“ – hier spielt die zweite Handlungsebene eine wichtige Rolle – ersetzt worden ist, soll da Treffon unter der Beeinflussung seiner Gespielin zu einem Umstürzler machen. Alleine sich den Naats zu versichern, dürfte für dieses waghalsige Vorhaben nicht ausreichen, da weder Frank Borsch noch Robert Corvus überzeugend da Treffons Position in der verschachtelten arkonidischen Hierarchie erläutern und sich hinsichtlich weiterer subversiver Elemente in ein ambivalenten Schweigen hüllen. Vor allem nehmen Frank Borsch und seine Mitstreiter diese Miniserie jegliche Spannung. Das Ausgangselement war es, dass Perry Rhodan aufbricht, um die Position der Erde aus den Archiven zu löschen. Da Treffon dagegen hatte nach der Niederlage ein großes Interesse daran, dieses Volk zu finden. Ein klassisches, vielleicht auch ein wenig klischeehaftes Wettrennen um einen Datenvorsprung, wobei insbesondere Frank Borsch hier schon oberflächlich und leichtfertig vorgegangen ist. Das zweimalige Auftreten der Menschen in einem abgrenzbaren Sektor der Galaxis hätte eine intensivere und schnell erfolgreich versprechende Suche auslösen müssen. Statt dessen versucht sich Da Treffon plötzlich selbst an der Machtergreifung. Selbst wenn der Leser diese Wandlung noch akzeptiert, ist die Vorgehensweise von Robert Corvus ausgesprochen langweilig nieder geschrieben worden. Natürlich tut sich da Treffon anfänglich schwer, aber mit seiner Passivität kommt er zu schnell und letzt endlich zu leicht zum vorläufigen Erfolg. Viel schlimmer ist, dass zum wiederholten Male die Naats als dumme, verbohrte und leicht zu manipulierende Außerirdische dargestellt werden. Bislang haben sie sich eher „widerwillig“ den Befehlen der Arkoniden untergeordnet, die ihre Kultur mit Verachtung gestraft haben. Jetzt darf einer der Unterdrücker sogar bei ihren Ritualen mitmachen. Mit den derartig feige dargestellten Naats ist wirklich kein Blumentopf zu gewinnen. Aber das spielt auch keine Rolle, da Pranav Ketar aus dem Boden auftaucht und entsprechende Anweisungen verteilt. Robert Corvus kennt sich auch anscheinend zu wenig mit den Besonderheiten der Naats Kultur aus und bewegt sich auf einem äußerst brüchigen Gebiet. Da Treffon hat die ehemaligen Sieger manipuliert, wobei zumindest die Dialoge/ Argumente solide nieder geschrieben worden sind. Das aber da Treffon als Sieger der Sieger – warum denn, er hat nur einen von vielen Wettbewerben gewonnen – deklariert wird und quasi die diktatorische Herrschaft über alle Naats übernehmen kann, erscheint Wunschdenken.

 

Mit der zweiten Handlungsebene setzt Robert Corvus nicht nur auf einen langen Rückblick, der in der Tradition der Erstauflage in erster Linie verbal erzählt wird, sondern versucht aus den Ecken und Kanten der letzten „Neo“ Romane etwas Neues, Wegweisendes zu bauen. Während in der Erstauflage insbesondere das Sonnensystem mit dem Erben des Universums Perry Rhodan im Mittelpunkt von verschiedenen Übermächten oder Superintelligenzen gestanden hat, scheint Frank Borsch den Fokus mehr auf das Arkonsystem zu legen und versucht dieses oligarchische System mit einem Regenten an der Spitze in seiner Jahrtausende umfassenden Geschichte zu unterminieren. Auf den ersten Blick wirkt aber der Einstieg des Regenten in die Plotebene zweifelhaft. Er ist auf der verzweifelten Suche nach den Plänen der „Geheimwaffe“, mit welcher die Maahks das erste Mal vertrieben werden konnten. Auf der anderen Seite erfahren die Leser, dass der anscheinend einmalig für die Arkoniden gebaute Weltenspalter von den Orghs aus Rache dupliziert worden ist. Mit einem oder vor allem mehreren Weltenspaltern ließe sich viel anfangen. Aber wie viele andere Spielzeuge dieser „Neo“  Serie sind sie erst einmal verschwunden und werden im richtigen Moment aus der Versenkung geholt. Daher wirkt dieser Hinweis wie einige andere Exkursionen nicht nur dieses Romans wenig Ziel führend, sondern bauschen eine wenig konstruktive Handlung deutlich auf. Mit Danurion als Hof Parfürmeur wird eine weitere exzentrische Figur eingeführt, die vielleicht unabsichtlich ein wenig an Patrick Süßkinds Monster aus „Das Parfüm“ erinnert. Danurion ist ein Teil des Rückblicks, den der Xisrape Charron und seiner Ex- Geliebten Ihin da Achran berichtet. Dabei geht es nicht nur um die Suche nach der Welt des ewigen Lebens, auf welche der spätere Regent Herak da Masgar seinen Vorgänger schickt. Gemeinsam erreichen sie einen Halbplaneten ohne Atmosphäre, der über eine aus Turmbauten bestehende Stadt verfügt. Erst nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf den Xisrapen – mit Gift ! – richt Danurion, dass Herak da Masgar kein Arkonide ist. Bedenkt man, dass der Regent seinen Vertrauten Danurion immer um sich hat und das dieser mit seiner perfekten Nase im Grunde eine Art Spürhund sein könnte, kommt diese Erkenntnis reichlich spät. Rückblickend wiederholen sich auch „Fehler“ im Neo Universum. So kann Herak da Masgar quasi den Regenten auf der Halbwelt bei einer direkten Konfrontation ausschalten. Warum da Masgar allerdings seinem Opfer noch erläutern muss, dass es die Unsterblichkeit wirklich gäbe und er ihn dann nicht tötet, ist eines der Rätsel dieses Romans. Auch wird der Servoautomatik da Masgar anerkennen, der Vorgänger erscheint nicht autorisiert. Viel schlimmer ist, dass da Masgar mit einem fremdartigen länglichen Raumschiff den Turm der Medostation beschießt, um seinen Vorgänger zu eliminieren, während sich Danurion alleine aufgrund der Äußerung des Wunsches, den Halbplaneten zu verlassen, mittels Torbogentransmitter absetzen kann.

Natürlich verarbeitet Robert Corvus viele bisher bekannte Informationen zu einer auf den ersten Blick packenden, auf den zweiten Blick allerdings dünnen Handlung. Warum hat da Masgar den Regenten überhaupt auf diese Welt gelockt? Er hätte ihn schon mehrfach vorher ausschalten können. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen: die Arkoniden müssen ihn als neuen Regenten anerkennen. Ohne Leiche ein schwieriges Unterfangen. Als Erklärung könnte noch dienen, dass die Raumschiffe des Regenten von einem weiteren geheimnisvollen Raumschiff angegriffen und zerschnitten worden sind. Das macht da Masgar aber nicht automatisch zum Nachfolger des Regenten. Akzeptiert der Leser selbst diese Komplizierung der Tatsachen, dass bleiben eine Reihe von Fragen offen. War das angreifende Raumschiff von da Masgar bestellt oder handelt es sich um eine Zufallsbegegnung? Warum musste der Schurke in James Bond Manier dem Regenten die Unsterblichkeit erläutern und sein Geheimnis einem Todgeweihten gegenüber offen? Klar, eine cineastisch effektive Szene, deren innere Logik schwer zu akzeptieren ist. Viel schlimmer ist der Hinweis, dass es natürlich um mehr als das Arkon Imperium geht und das ein guter Herrscher getötet werden muss. Wie oft geht es in „Neo“ um mehr? Wie viele ominöse Hinweise muss der Leser noch erdulden. Frank Borsch ist leider kein Robert Feldhoff, der bei seinen Zyklen nicht nur wert auf die Details gelegt hat, sondern vor allem auch die Fähigkeit besaß, einzelne „kleine“ Abschnitte entsprechend abzuschließen, bevor das Bild auf das „große Ganze“ freigegeben worden ist. Frank Borsch hat inzwischen so viele Nebenschauplätze aufgebaut, das „Neo“ als Serie nur noch verschachtelt und unnötig kompliziert erscheint. Hinweise über Hinweise. Figuren wie Gucky oder Ernst Ellert tauchen je nach Bedarf auf oder verschwinden wieder. Natürlich ist es interessant, mehr über fremde Kulturen zu erfahren, die vor allem in der Erstauflage übergangen worden sind und Robert Corvus gibt sich in einem lesbaren Stil sehr viel Mühe, den Naats gerecht zu werden, aber das brüchige Gebilde darf nicht hinterfragt werden und mit diesem Roman weigert sich Frank Borsch, dem Leser nur den Hauch eine Antwort zu geben. Statt die Position der Erde zu löschen, hat man jetzt einen falschen Regenten von unbestimmter Herkunft oder ambivalenter Regierungskompetenz; einen brüskierten Admiral auf der Suche nach politischer Macht und einen Rhodan, der seit Beginn des Zykluses sich dümmlich verhalten hat und trotzdem irgendwie sein Ziel- das Arkonsystem – zumindest gestreift hat.      

Pabel Taschenbuch,

160 Seiten, Dezember 2013

Kategorie: