Bislang haben die Herausgeber der Perry Rhodan Planetenromane Bücher unterschiedlicher Autoren nur zu einem Doppelband zusammengefasst, wenn diese Arbeiten thematisch zusammenpassten. Bei W.K. Giesas „Hyperzone Weißer Zwerg“ handelt es sich um den dritten Band der Abenteuer des exzentrischen Genies Tyll Leyden. Die ersten beiden Geschichten sind schon als Doppelband im Zaubermond Verlag veröffentlicht worden. Was lag aber näher, dieses finale Abenteuer mit dem einzigen veröffentlichten Perry Rhodan Planetenroman Kurt Brands „Schatzkammer der Sterne“ zu kombinieren.
Wie Rainer Nagel in seinen beiden Nachwörtern deutlich macht, ist Kurt Brand ja W.K. Giesas literarischer Ziehvater gewesen. Und wer die beiden Taschenbücher hintereinander liest, wird in diesem besten Tyll Leyden Abenteuer den Kurt Brand erkennen, der in der Frühzeit der Serie aus seinen eigenständigen Romanen übernommen ein exotisches Flair mit nicht unbedingt funktionierenden, aber immer faszinierenden Ideen wie ein Ideenfeuerwerk vor allem auch mit Ausrufezeichen entzündet hat. „Schatzkammer der Sterne“ ist nicht nur sehr früh im Rahmen der Perry Rhodan Planetenabenteuer erschienen, es ist auch eine Geschichte, die ganz früh in der Serie spielt und eine Idee der Abenteuer um die Mausbiber und ihren Planeten Tramp weiterführt.
Beide Bücher präsentieren vor allem durch ihre innere Dynamik eine auch heute noch faszinierende Lektüre. Mit „Hyperzone Weißer Zwerg“ hat Giesa die ideale Balance zwischen seinem außergewöhnlichen Protagonisten und einem sehr stringent erzählten, vielleicht am Ende auch ein wenig zu sehr auf den Faktor Zufall setzenden Abenteuergarn gefunden. Kontinuierlich steigert der Autor nach einem humorvollen Auftakt und einem Running Gag in Form von Wetten um einen seltenen Wein natürlich nur in Holzfässern serviert das Tempo.
Bei der Analyse der Sternenkartenfotos aus dem untergegangenen Planetarium der Oldtimer auf dem Planeten Impos – eine Idee, die aus der Erstauflage übernommen und auch in den ersten Taschenbüchern extrapoliert worden ist - fällt Tyll Leyden auf, dass es anscheinend eine sternenlose Zone mit einem Durchmesser von 15 Lichtjahren nicht direkt, aber in der Nähe des Zentrums der Milchstraße gibt.
Auf seine besondere Art kann Tyll Leyden seinen Vorgesetzten indirekt ein entsprechendes Raumschiff aus dem Kreuz leiern. Es handelt sich um den Explorer EX- 2115, unter dessen Kommandanten Thomas Herzog Leyden zum Leidwesen der anderen Besatzungsmitglieder einige Mission aus seiner Sicht auch sehr erfolgreich absolviert hat.
Um die Gefährlichkeit dieses Sektors zu demonstrieren, werden auf einer Parallelhandlung einige Raumschiffe der Posbis durch eine unbekannte Macht mit nicht zu ortenden Raumschiffen zerstört.
Mit dem Eintreffen in dem fremden Sonnensystem beginnen die Probleme. Wie erwähnt treibt Giesa die Handlung sehr rasant voran. Immer wieder hat er zusätzlich ein Auge auf die nicht erkundete Geschichte der Perry Rhodan Menschheit und entwickelt sogar wie in den Pulpgeschichten eine Art Superzivilisation, die sich im Verborgen entwickelt hat. Leyden dient dabei mehr und mehr als Mittler zum Leser. Stellvertretend erläutert er den anderen Bordmitgliedern entweder auf eine sehr direkte wie drastische Art und Weise, was er plant. Oder er geht direkt über Los.
Vielleicht dominiert Leyden noch mehr als in den ersten beiden Taschenbüchern die Handlung bis zum Hang der Übertreibung. Sein theoretisches Wissen ist so umfangreich, dass er die Maschinen des abstürzenden Explorers in den Bereich von 150 Prozent gegen den Rat schlag des Chefingenieurs hochfährt und damit durchkommt.
An einer anderen Stelle entwickelt er quasi aus dem Nichts heraus einen entsprechenden Plan, mit dem sich eine Roboterintelligenz mit mehr als 40.000 Existenzjahren selbst blockiert oder erkennt ein Schlumpfloch im Hyperraum. Für sich alleine gestellt ist jede dieser Schwierigkeiten eine perfekte Herausforderung, um Leydens Fähigkeiten zu demonstrieren, nur wirkt diese Häufigkeit auch manchmal ein wenig ermüdend.
Die Exzentrik beginnend mit der Wettleidenschaft über die 45 Minuten strickte Frühstückspause auch ohne etwas Essbares bis hin zu den Provokationen gleicht diese fast erdrückende Dynamik sehr gut aus. Zusammengefasst vor allem weil der Plot deutlich besser ausbalanciert ist und das Ende auch zufriedenstellend und nicht hektisch/ abrupt erscheint, ist „Hyperzone Weißer Zwerg“ eine perfekte Synthese aus Giesa/ Brand exzentrischen Ideen und einer geradlinigen, die Geheimnisse des Kosmos untersuchenden Perry Rhodan Handlung.
Rainer Nagel fasst es in seinem Nachwort zu „Schatzkammer der Sterne“ perfekt zusammen. Kurt Brand hat immer wieder den Begriff des Sternendschungels benutzt und fairerweise wirken viele seiner Bücher nicht negativ gemeint wie moderne Abenteuergeschichten, in denen alles größer, aggressiver, farbenprächtiger ist. Auch durch seinen ungewöhnlichen Stil und seinen Hang zu Ausrufezeichen ist er zu seinen Lebzeiten prägnant und heute sogar lobenswert ausgeschert und nicht mit dem Strom mitgeschwommen.
„Schatzkammer der Sterne“ spielt handlungstechnisch im Jahre 1990. Im Rahmen der Perry Rhodan Planetenromane handelt es sich um das dritte veröffentlichte Taschenbuch, das mit Tramp und vor allem dem Mausbiber Gucky, aber auch den Mutanten Fellmer Lloyd oder Gucky liebgewordene Tradition präsentiert. Es ist auch eines der Abenteuer, in deren Verlauf Perry Rhodan, Reginald Bull und die Mutanten aufbrechen, um eine Idee aus der Erstauflage zu verfolgen.
Es geht um die Roboter mit den organischen Gehirnen auf Tramp, welche die starken Hassimpulse ausstrahlen. Es gibt Hinweise auf einen Radiostern. Eine Expedition an Bord der INVEST II wird ausgerüstet und viele wichtige Protagonisten der Serie nehmen in der angesprochenen Manier teil.
Sie finden schließlich einen Planeten mit einer exakten Kugelform. Interessant ist, dass Kurt Brand der Theorie Paul Alfred Müllers folgend eine phantastische Hohlwelt entwickelt, aus welcher die bekannten Hassimpulse kommen. Dass Wanderer als halbierter Planet ja auch schon Fragen aufgeworfen hat, wird nicht weiter von Kurt Brand erläutert.
Innerhalb dieser Hohlwelt treffen sie auf die Nokturner, eine dieser zahllosen Rassen der Perry Rhodan Planetenromane, die kurze Auftritte haben und dann wieder aus der Serie herausgeschrieben werden müssen. Dieses Element verbindet vor allem auch indirekt das voranstehende Tyll Leyden Abenteuer mit Kurt Brands Geschichte, da auch Giesas von den Akoniden stammende Volk sich zu einer technologisch gefährlichen Superzivilisation entwickelt hat, die nur im „Schatten“ des weißen Zwerges ihr Dasein fristen darf. Die Nokturner können in ihrer Hohlwelt nicht nur Zeit/ Raum als zu allumfassende Begriffe manipulieren, die können auch Taschenuniversen erzeugen.
Die Idee mit den Gehirnen in den Robotern wird relativiert durch die Hassstrahlung, welche ja ein markantes Zeichen in der Erstauflage ist. Aus dieser Prämisse macht Kurt Brand mit der auf der einen Seite vielschichtigen, auf der anderen Seite aber auch so klassischen Kultur ausgesprochen viel. Anstatt die Klischees aufzunehmen und zu extrapolieren, geht Kurt Brand einen etwas anderen Weg, in dem diese Verpflanzung nur als Auslöser nimmt, um diese Welt vorzustellen.
Im Grunde entwirft Kurt Brand eine Kultur voller Widersprüche, die er mit vielen kleinen archaisch erscheinenden Details ausschmückt. Eine Priesterkultur; dann sogenannte Lichtforscher und den ambivalenten Zeitstrahl als Waffe. Interessant ist, dass auf der einen Seite die Kultur in der Hohlwelt so modern erscheint, sie auf der anderen Seite aber auf undurchdringliche Verließe angewiesen sind.
Zu den stärksten Szenen gehört die Begegnung mit einer kleinen Gruppe Nokturner, die nicht mehr im ewigen Dunkel des Hohlkörpers leben wollen und in ihrer Oase eine Kerze angezündet haben. Unabhängig von den Hassimpulsen ist ihre Welt friedlich. Mit einem obligatorischen Rückblick erweitert Kurt Brand das Szenario, wobei der Weg zu diesem ungewöhnlichen Planeten durch eine Bedrohung von außen kein Novum in der Serie ist. Aber wie der Autor dieses Zwiebelmodell aufbaut und trotzdem im Gegensatz zu vielen anderen Rückblicken das Tempo hochhält, ist ein typischer Kurt Brand.
Interessant ist, dass diese unglaubliche Welt wieder an der Dummheit der Priester scheitert. Auch das ist ein klassisches Motiv, aber weniger aus der Perry Rhodan Serie denn mancher Abenteuerliteratur. Mit dieser Idee nimmt Kurt Brand seine Schöpfung pragmatisch wieder aus der Serie heraus und erwägt nicht nur in den Charakteren, sondern auch dem Leser entsprechende Wehmut. W.K. Giesa geht in seinem Buch einen etwas anderen Weg, aber das Grundergebnis ist das Gleiche. Eine phantastische Schöpfung muss wieder verschwinden.
Unabhängig vom klassischen Kurt Brand Fehler, dass Gucky nur ein Telepath und kein Hypno ist, hat er die Figuren sehr gut im Griff. Vor allem Nebenfiguren wie Fellmer Lloyd und John Marshall erwachen zu einem individuellen Leben. Aus heutiger Sicht muss sich der Leser im Klaren sein, dass der Roman nicht nur chronologisch früh in der Serie spielt, sondern auch der Stil noch ein wenig roher unabhängig von den Eigenheiten Kurt Brands ist. Reginald Bull ist der unbeherrschte Dynamiker, was prompt zu einer Anklage als Ketzer und entsprechenden Verurteilung führt. Selbst Perry Rhodan kann ihn nicht stoppen.
Auch wenn der Großadministrator an der Expedition teilnimmt, macht Kurt Brand nicht den Fehler, ihn alles entscheiden zu lassen. Es ist ein erstaunliches Teamwork in Gange, wobei jeder seine teilweise von Kurt Brand gegen die Serien Mythologie verstärkten Kräfte einsetzt.
„Schatzkammer der Sterne“ ist ebenso wie „Hyperzone Weißer Zwerg“ ein spannendes Abenteuer aus der eher wilderen Zeit der Perry Rhodan Serie. Kurt Brand und W.K. Giesa sind geborene Erzähler, die nicht selten den Mut zur Lücke nutzen und einfach frei von der Leber weg fabulieren. Deswegen wirken sie auch so überzeugend und lebendig.