Erwischt

Erwischt, Titelbild, Rezension
Kevin Hearne

"Erwischt" ist ein weiterer Teil der Chroniken um den eisernen Druiden. Aber zusätzlich zum etwas kürzer als in den vorangegangenen Bänden geratenen Plot hat der Autor noch einen kleinen Bonus für die deutsche Ausgabe eingepackt.  Im Anhang findet sich noch die in den USA gesondert veröffentlichte Novelle “Zwei Raben und eine Krähe”, die zwischen dem vierten und fünften Roman spielt. Es ist nicht  unbedingt notwendig, die Geschichte vor „Erwischt“ zu lesen, da der Autor ausreichend auf die im Kern vorher erzählten Ereignisse in seinen anschließend publizierten Veröffentlichungen eingeht.

Immerhin sind sechs Jahre seit dem letzten Roman vergangen. Für den Druiden oder die Götter nur ein Wimpernschlag, für einzelne Figuren doch eine längere Zeit. Atticus steckt weiterhin in der Ausbildung von Granuaile und hat sich zusammen mit ihr und seinem Wolfshund Oberon auf einer Farm im Navajo Reservat versteckt, wobei insbesondere die nordischen Götter ihn relativ schnell entdeckt und wie der Titel suggeriert in erster Linie beobachtet haben.  Als Morrigan ihn besucht und zu den nordischen Göttern mit einem Angebot einlädt, das er natürlich nicht ablehnen kann,  teilt sich der Plot auf.

Die eigentliche Handlung bis zum hektischen Ende tritt in den Hintergrund.  Das Dinner ist bizarr, das gegenseitige „Wiegen“ angesichts der bisherigen Konflikte insbesondere für einen Gott wie Thor viel zu leicht und die Idee mit dem weiteren Aggressor zu stark konstruiert.

Auf der persönlichen Ebene ist es aber vor allem Morrigan, die deutlich menschlicher, weniger berechnend, natürlich sexuell aggressiv den Druiden nicht nur heilt, sondern ihn ein wenig um den Finger wickelt. Die Dialoge sind von unterhaltsam kindisch lustig bis tiefgründig ernst sehr abwechslungsreich geschrieben worden und zeigen überdeutlich, dass die Geschichte um den eisernen letzten Druiden inklusiv der Ausbildung einer weiteren Druidin funktioniert, wenn sich Kevin Hearne auf seine Figuren konzentriert und nicht immer mit absolutistischen Begriffen um sich schmeißt und alles ins Überdimensionale extrapoliert. 

Es ist bezeichnend, dass in dieser Novelle das Rezept des Unsterblichkeitstees „verraten“ wird. Eine interessante Lektüre, die als E book einzeln gekauft werden kann, wenn jemand sich allerdings ein wenig verwirrend in Kurzform dieser Serie nähern möchte.

Der fünfte Roman „Trapped“ spielt insgesamt zwölf Jahre nach dem vierten Teil. Dieser Zeitraum ist wichtig, weil der eiserne Druide die Ausbildung seiner Schülerin abgeschlossen hat. Normalerweise sollten Druiden dann in die Welt ziehen und in Einklang mit der Natur leben. Nicht nur in der zwischengeschobenen Kurzgeschichte hat sich Atticus immer wieder bemüht, Granuaile als seine Schülerin und nicht als potentielle Freundin geschweige denn Geliebte zu sehen.  Dabei erwischt sich Granuaile wieder als die reifere Figur. Der Leser kann mit Einschränkungen verstehen, dass Atticus nicht immer nur gute Erfahrungen mit Frauen gemacht hat und das es für einen langlebenden Mann schwer ist, immer wieder seine Geliebte zu verlieren, aber hier werden zu sehr die Klischees bemüht und vor allem erscheint Atticus wieder als unreifer Knabe, der sich bei einer derartig attraktiven Frau fast in die imaginäre Hose macht, während er in der Novelle danach, die handlungstechnisch allerdings früher spielt, sogar mit der mächtigen und ambitionierten Morrigan eine Affäre beginnt. Mit nur wenigen Bemerkungen hinsichtlich seiner emotionalen Kurzsichtigkeit setzt ihn Granuaile fast gänzlich schachmatt.

Mit der Verschiebung des Fokus auf Granuaile gewinnt die emotionale Ebene an Tiefe. Die letzten Romane haben sich in dieser Hinsicht trotz des immer wieder seine weisen Sprüche aufsaugenden Oberon eher statisch entwickelt.  Allerdings bremst der Autor diese Romanze zumindest im vorliegenden Roman schnell wieder aus. Dabei haben vor allem weibliche Leser wahrscheinlich über die letzten vier Romane immer wieder darauf gewartet, dass Atticus die Richtige findet und vielleicht endlich ein weniger glücklicher wird.

Negativ ist weiterhin, dass Hearne immer wieder auf dem schmalen Grat zwischen seinen Protagonisten, der Konfrontation mit immer mächtiger und bizarrer werdenden Göttern und schließlich seinen belehrend geschriebenen Passagen bedenklich ins Wanken gerät. Auch hier verliert der Plot vor allem in einem starken Kontrast zu der lebhafteren und besser konzipierten Novelle im Anhang und einem deutlich kürzeren Umfang nach den ersten Seiten an Fahrt, um dann während des hektisch, aber nicht originellen Endes nur bedingt die roten Fäden abzuschließen. In dieser Hinsicht ist „Erwischt“ wahrscheinlich sogar das  schlechteste Buch, denn wie schon im letzten Buch endet der Plot nicht in einer Art Feuerwerk, sondern wieder setzen sich die Charaktere ums symbolische Feuer und ihnen wird eine teilweise mystische Geschichte erzählt, die sie akzeptieren müssen. Anstatt die bisherigen Strukturen aufzubrechen und inhaltlich neue Wege zu gehen, verweigert sich Hearne und wiederholt mit zu wenigen Variationen die Ansätze, die leider vor allem den zweiten bis vierten Teil der Serie so stereotyp und schematisch erscheinen lassen.

Wenn der Autor dann den Plot vorwärtstreibt, dann macht er es positiv mit einem nicht immer subtilen, aber interessanten warmherzigen Humor. Wie bei Neil Gaiman bietet die Idee, dass die verschiedenen Götter in der Gegenwart durchaus eine Rolle spielen können und die Menschen nur denken, dass sie alles im Griff haben, sehr viel Potential. Die mystischen oder märchenhaften Figuren werden nur ein wenig verfremdet, was zu einer Reihe von sehr unterhaltsamen Szenen führt. Auch die Bedrohung wirkt anfänglich überzeugender, auch wenn es wieder aus der Vergangenheit des Druiden- dieses Mal gar nicht so weit her – sich auf die Gegenwart auswirkt.  Aber wer die Serie als Ganzes kennt, wird auch erkennen, dass sich die angesprochenen Muster verfestigt haben und das der Autor an keiner Stelle wahrscheinlich auch aufgrund des kommerziellen Erfolges auch ihnen ausbrechen möchte, so dass leider „Erwischt“ wie der Vorgängerband eher distanziert, mechanisch daherkommt, obwohl er über so viel nicht genutztes Potential verfügt, dass es Fans der Serie auch traurig stimmen kann.      

  • Taschenbuch: 410 Seiten
  • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1 (29. Oktober 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3608961356
  • ISBN-13: 978-3608961355
  • Originaltitel: Trapped
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