The Fire People

Ray Cummings

Im Vergleich zu H.G. Wells und Edgar Burroughs ist Ray Cummings nicht kleines Science Fiction heute nahezu vergessen. Der 1887 geborene Cummings gehört ohne Frage zu den amerikanischen Vätern der Pulp Science Fiction, der von 1914 bis 1919 als persönlicher Assistent von Thomas Edison gearbeitet und technische Studien verfasst hat. 1922 sorgte er für Aufmerksamkeit mit seinem Roman „The girl in the Golden Atom“, die Zusammenfassung zweier Novellen. Im Laufe seiner Karriere hat Cummings mehr als 750 Romane und Kurzgeschichten geschrieben, bevor er während der vierziger Jahre unter anderem für „Timely Comics“ – dem Vorläufer von Marvel – unter anderem sein Mädchen aus dem goldenen Atom in eine „Captain America“ Geschichte integrierte. Er verfasste weiterhin Comics für „Namor, den Submariner“ und „The Human Torch“. 1957 starb Cummings in Mount Vernon.  

 

„The Fire People“ erschien ursprünglich 1922 in Magazinform, bevor der Roman 1933 als Taschenbuch nachgedruckt worden ist. In dieser Zeit hat Ray Cummings auch die Vorgeschichte mit der von den Frauen durchgeführten Revolution auf dem Merkur niedergeschrieben, die als „Light Country“ Trilogie bestehend aus  „Tama of the Light Country“; „Tama, Princess of Mercury“ und Aerita of the Light Country ebenfalls in Romanform zusammengefasst worden ist.

 

„The Fire people“ beginnt in offensichtlicher Anlehnung an H.G. Wells „Kampf der Welten“ mit der Invasion in diesem Fall der USA. Was erst als Meteoriten erscheint, entpuppt sich als fremde Raumschiffe, die mit ihren Lichtstrahlen einen engen Radius um die wenigen Landepunkte gegen die überforderte amerikanische Armee verteidigen. Im Vergleich zu Wells Invasoren attackieren die Fremden nur die sie angreifenden Truppen und machen keine Anstalten, selbst amerikanisches Land zu erobern. Ray Cummings beschreibt diese Invasion aus der Perspektive des Ich- Erzählers und Reporters, während dessen Bekannter Alan als Sohn eines in Harvard lehrenden Wissenschaftlers auf der Heimreise über einer kleinen Insel abstürzt. Als er sich ans Ufer rettet, begegnet er einem weiteren der hell leuchtenden Meteoriten. Ihm entsteigt eine wunderschöne Frau Miela mit Engelsflügeln, deren Mission es ist, die Erde vor dem aggressiven Merkurianer Tao zu warnen, der auf dem Merkur mit einer kleinen Gruppe gegen den herrschenden, altersschwachen König geputscht hat. 

 

In einer der beiden den Roman im Hintergrund dominierenden Liebesgeschichten verlieben sich Alan und Miela und heiraten. Auf dem Merkur werden den Frauen nach der Hochzeit die Flügel abgeschnitten. Interessanterweise verfügen die Männer über keine Flügel und Ray Cummings gibt evolutionstechnisch auch keine überzeugende Erklärung ab. Wie in der schon angesprochenen „Light Country“ Trilogie erläutert, haben die Frauen auf dem Merkur lange für das Recht gekämpft, nach der Hochzeit ihre Flügel behalten zu dürfen. Cummings bewegt sich bei Mielas Beschreibung sehr nahe am Klischee der Engel, verzichtet aber bis auf einen sittsamen Kuss auf weitere Intimitäten. Miela überredet Alan, mit ihr auf den Merkur zu fliegen und von dort die weitere Invasion der Erde durch Taos bislang nur Spähtruppen zu bekämpfen. Bei seiner Rückkehr auf den Merkur bringt Tao einen weiteren Erdenmenschen – Mercer – mit, den Alan ebenfalls kennt. In zwei lange Zeit parallel laufenden Handlungen beschreibt Ray Cummings teilweise ausgesprochen exotisch und farbenfroh die Abenteuer der beiden Erdenmenschen mit ihren jeweiligen merkurianischen Partnerinnen. 

 

Der Auftakt ist wie schon angesprochen an H.G. Wells angelehnt. Die einschlagenden Meteoriten, die ausbrechende Panik, das überforderte Militär und die zentrierte Beobachterperspektive folgen dem Werk des Briten relativ genau, ohne das Ray Cummings in seinen Beschreibungen zu sehr abkupfert. Mit der Landung Mielas gibt die Handlung. Sie wird phantastischer und vielschichtiger. Auf dem Merkur selbst fühlt sich der Leser an eine Mischung Edgar Rice Burroughs und dem zukünftigen Flash Gordon erinnert. Vielleicht haben Cummings in dieser Hinsicht extrem farbenprächtige Romane auch Alex Raymond beeinflusst.   

Der Planet selbst ist in verschiedene Zonen unterteilt, deren Grundlage der Lichteinfall der nahe stehenden Sonne ist. Je weniger Licht eine Zone erhält, um so  mehr sammeln sich die obskuren staatsfeindlichen Subjekte. Nicht umsonst findet die finale Schlacht zwischen Alan und Tao in der dunklen Stadt statt. Die Kultur auf den Merkur teilt sich in zwei im Grunde auch soziale Schichten. Die Wissenschaftler, die ihre Erfindungen verkaufen und 

Dadurch auch monetär im Grunde die einflussreichste Elite noch vor dem eigentlichen König bilden. Das Volk an sich selbst auf einer eher primitiven Existenzstufe, die den fernöstlichen Kulturen des Mittelalters entspricht. Wie schon angesprochen verfügen die Frauen über Flügel und können dank der geringen Schwerkraft des Merkurs problemlos fliegen, sogar schwere Lasten tragen. Die Männer als dominierende Hälfte dieser Kultur sind an den Boden gebunden und schneiden ihren Frauen nach der Hochzeit die Flügel ab. Interessanterweise scheint es sich nicht um lebenswichtige Organe zu handeln, denn die Medizin befindet sich auf dem Stand des 19. Jahrhunderts. Dank der wissenschaftlichen Forschung verfügen die Merkurleute nicht nur über Raumschiffe, sondern verschiedene Arten von Strahlenwaffen, die teilweise den Flugabwehrgeschützen der Weltkriege ähnlich fest auf den die Städte umgebenden Mauern montiert sind. Folgerichtig sind die verschiedenen militärischen Auseinandersetzungen zwischen Alan und Tao eine Mischung aus direkten Zweikämpfen und dem entsprechend dem Mut teilweise ein wenig zu sehr heroisierter Helden bzw. zu eindimensional schlecht gezeichneter Schurken. Dazwischen überträgt Ray Cummings auf eine fast bizarre Art und Weise Taktiken des Ersten Weltkriegs auf den Merkur. Die Frauen schleppen mit ihren Flügeln tragbare Bomben über die Städte der Feinde und werfen sie sehr gezielt und hohen Opfern an. Am Ende räuchert Alan die letzte Bastion des Feindes mit brennenden Schwefel aus, der Unschuldige wie Schuldige tötet. Nicht umsonst ziehen die Protagonisten den Vergleich zu den Toten eines plötzlichen Vulkanausbruches, dessen giftige Gase ihnen keine Überlebenschance gelassen haben. Ohne ins Detail zu gehen sind die verschiedenen Auseinandersetzungen dramatisch überzeugend beschrieben worden. Sie stehen unter dem fast klassisch zu nennenden Freiheitskampf einer Handvoll Rebellen gegen das bislang im Hintergrund operierende totalitäre System unter Taos Führung. Nicht umsonst wird Alan kurzzeitig zum König des Merkurs, um das Volk von dessen Herrschaft zu befreien und vorsichtig im zweiten Schritt an eine demokratische Herrschaft im Sinne der USA heranzuführen. 

Wie schon angesprochen dominieren zwei Liebesgeschichte. Ray Cummings balanciert vor allem aus heutiger Sicht immer am Rande des Kitsches entlang. Erstaunlich ist, dass sich die beiden Merkurfrauen willig ihren irdischen Männern unterordnen, nachdem sie 

Vorher voller stolz ihre Freiheit erkämpft haben. Zumindest lassen ihnen die irdischen Männer ihre Flügel. Die Frauen sind aber abgerundeter charakterisiert. Während die Männer manchmal sehr an den Klischees ihres Berufes - Sohn und Reporter - entlang definiert worden sind, wirkt insbesondere Miela als Tochter aus guten, gehobenen Hause mit sehr viel Liebe zum überzeugenden Detail gezeichnet. Es ist schade, dass die Frauen wie schon angesprochen im Verlaufe der weiteren Ereignisse ihr Licht zu sehr unter den Scheffel der Männer stellen, wobei sie zu Beginn des Feldzugs gegen Tao Allans einzige „Soldaten“ darstellen. 

„The Fire People“ ist insbesondere in der englischen Originalausgabe ein ausgesprochen geradlinig geschriebener Roman, der wechselweise von der distanzierten sachlichen Erzählweise eines Reporters genauso getrieben wird wie von gut geschriebenen, überwiegend humorlosen Dialogen. Die Hintergrundbeschreibungen des Merkurs sind überwiegend phantastisch, auf nähere Erläuterungen insbesondere hinsichtlich der Raumtechnik verzichtet der Autor, während die Todesstrahlen zumindest rudimentär erläutert werden.     

Für einen mehr als neunzig Jahre alten Roman liest sich die Geschichte unterhaltsam, trotz mancher etwas inzwischen bekannter Aspekte originell sowie bis auf die zu sehr an H.G. Wells angelehnte erste Invasionswelle unverbraucht  und macht neugierig auf den Befreiungskampf der Engelfrauen, die in der „Light Country“ Trilogie beschrieben worden ist.   

Ray Cummings, "The Fire People", 181 Seiten,

Roman, Softcover,

Kindle-Verlag 1922