PR Neo 46- Am Rand des Abgrunds

Verena Themsen

Verena Themsens Neo Roman „Am Rand des Abgrundes“ ist der vorletzte von Perry Rhodan handelnde Roman des laufenden Minzykluses. Ohne die Handlung sehr viel weiter voranzutreiben, versuchen Frank Borsch und die Autorin die einzelnen roten Fäden ein wenig zu ordnen. Herausgekommen ist ein trotz Verena Themsens angenehm zu lesendem Stil nicht nur ein langweiliger, sondern vor allem ein fragwürdiger Roman, der überzogen Aspekte der näheren Vergangenheit und Gegenwart - trotz des brisanten Themas Folter von Gefangenen eine enttäuschend primitive Umsetzung -  mit einem exotischen Hintergrund - Hela Ariela - sowie dem verzweifelten Versuch, die simple Prämisse - das Löschen der irdischen Koordinaten - mit Leben zu erfüllen, zu kombinieren.

An Bord der TIA´IR trifft Rhodan im Sonnensystem Hela Ariela ein, das als eine Art Transitionsknotenpunkt dient. Alle Schiffe müssen auf dem Weg von der plötzlich Öden Insel genannten Sternformation nach Thantur Lok mittels ortskundiger Lotsen den Sprung wagen. Dabei stehen ihnen dunkle Materie und Asteroidenfelder - beides während des Sprunges anscheinend ambivalent einzusetzende Handlungsbausteine - sowie als geistreiche Fehlplanung Piraten im Weg. Um abzufliegen müssen die Schiffe zu einem Konvoi bestehend aus einhundertsiebenundsiebzig Einheiten zusammengestellt werden. Nur bei genau dieser Zahl kann ein Konvoi starten, ohne dass Verena Themsen eine überzeugende Begründung für diesen Fakt nachreichen kann. Es liest sich gut und schindet zusätzlich einige Zeilen. Interessanter ist, dass die Lotsen nicht nur Arkonidenabkömmlinge sind, die sich vor Jahrtausenden von dem Hauptstamm abgespalten haben, sondern sich im Leerraum nur wohlfühlen. Dazu bewohnen sie ein Habitat auf der Innenseite eines ausgehöhlten Asteroiden. In Personalunion als weitere Seitenschinderei sind diese Leerraumarkoniden nicht nur Loten, sondern auch Zöllner. Angesichts der Ausbreitung des Imperiums und der unzähligen Raumschiffe, welche das Imperium in seinem Zustand erhalten, erscheint es fragwürdig, dass die Loten nur in einem derartig kleinen Habitat leben und zweitens die Kontrolle über diese Absplitterung im Vergleich zu den Naat derartig locker ist.  

Der plottechnische Hammer ist aber, dass nicht nur die fehlende Registrierung der Yacht - welch eine Überraschung -, sondern ein Rauschgiftpäckchen hinter einer der Verkleidungen die Aufmerksamkeit der Lotsen/ Zöllner auf sie lenkt. Bedenkt man, welche Mühen sich Atlan, Rhodan und Co. Bislang gegeben, mittels Tarnexistenzen und falschen Papieren so weit vorzudringen, erscheint diese Prämisse nicht nur wackelig, sondern verzweifelt an den Haaren herbeigezogen. Zumal das große Imperium durch die verschiedenen Vorgänge inzwischen die Unstimmigkeiten - das Verschwinden eines Prototypes, der seltsam verlaufene Konflikt zwischen den Topsider/ Naats - aufmerksamer analysiert. Atlans hanebüchene Erklärung, dass sie als Schatzjäger die Yacht gefunden haben, wird akzeptiert. Sie bekommen sogar die Erlaubnis, sich dem nächsten Konvoi anzuschließen. Vorher müssen sie allerdings an einer exzentrischen religiösen Zeremonie teilnehmen. 

Ab jetzt wird es für die Antihelden allerdings einfach. Im Inneren der Station trifft Atlan aus dem Nichts heraus auf eine Informantin, die sich in die verschiedenen Datenbanken gehackt hat, um die Identität von Atlan da Gonozal zu recherchieren. Dieser soll von zehntausend Jahren im Kindbett verstorben sein. Das ist zwar ein interessanter, provokanter Aspekt, kommt aber an dieser Stelle des laufenden Zyklus zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Die Basis der Arkoniden ist von Atlan da Gonozal befehligt worden. Als hat die Informantin sind in supergeheime Datenbanken gehackt, die absichtlich mit falschen Informationen hinsichtlich von Atlans wahrer (?) Identität überlagert worden sind. Also hat ein falscher Atlan quasi Karriere gemacht? Und wen interessiert es? Auf der einen Seite spielt Frank Borsch mit Informationen der inzwischen zumindest in der Theorie zu den Akten gelegten Hauptserie, auf der anderen Seite hat er mit diesem geheimnisvollen Atlan eine Figur integriert, welcher der Leser in der beschriebenen Funktion akzeptieren kann. Da „Neo“ sich mehr und mehr von der Erstauflage abzukoppeln sucht, muss Atlan nicht mehr der Kristallprinz sein und ein Austausch im Kindbett „spielt“ nicht die Rolle und beinhaltet nicht den beabsichtigten Schockeffekt. Dazu ist die Figur auf der einen Seite zu ambivalent geheimnisvoll beschrieben, auf der anderen Seite aber im Vergleich zum Original auch sehr eindimensional. Vielleicht soll in Bezug auf die schwelenden Konflikt mit dem unsterblichen Crest noch Salz ausgestreut werden. Es bleibt abzuwarten, ob und in weit Frank Borsch diese Soap Opera auflösen kann und wird.     

Dafür erhält Rhodan eine Art Erleuchtung. Die Reisenden haben Opfergaben darzureichen, damit sie die Reise über dem Abgrund unter einer Art göttlichem Schutz vollziehen können. Das Allerheiligste ist ein Dunkelfeld, wobei die telepathische tastende Stimme Rhodans Alter Ego durchschaut und ihm ein wenig ironisch den Segen für seine verzweifelte Mission gibt. Warum die Löschung der Erddaten für diese „Stimme“, der Rhodan während seines Isinglass Aufenthaltes begegnet ist, von Bedeutung ist, darüber schweigt das Manuskript. Zum wiederholten Mal innerhalb dieser Miniserie erhält Rhodan Hilfe auf einer ansonsten schon vor einigen Taschenheften verzweifelten Mission. Interessanterweise werden dabei Hilfsmittel wie die Tarnseide eingeführt und dann wieder in den Hintergrund gedrängt. Wahrscheinlich brauch Rhodan nicht einmal nach Arkon vorstoßen, denn das große Imperium kommt in Gestalt des Regenten am Ende des vorliegenden Roman quasi bei ihm an. So sehr sich die Autorin auch bemüht, der Kultur der Lotsen Tiefen zu geben, das Volk wirkt aus exotischen Versatzstücken zusammengesetzt, die jeglichem bisherigen Aufbau des arkonidischen Imperiums widersprechen und anscheinend von dieser Flanke kommend keine größere militärischen Aktien zulassen. Man bedenke nur, wie viele Konvois nacheinander abfliegen müssten, damit in Grüppchen von 177 Schiffen die üblichen tausende von Einheiten der Scheer´schen Kampfflotten transportiert werden. War diese Handlungsebene schon dem Zufall untergeordnet, zeigt die Parallelebene, wie unmotiviert und sich widersprechend „Neo“ aufgebaut ist.

Schon seit einigen Taschenheften jammert der anfänglich nach dem Erhalt des Zellaktivators arrogante und interessanterweise dominante Crest nach der verschwundenen Thora, die ihm eine geheimnisvolle um Hilfe bittende Botschaft hat zukommen lassen. Jetzt wollen drei unithische Schatzsucher - in der Erstauflage haben die schließlich in Band 99 Crest ermordet - Atlans Raumyacht stehlen. Crest lässt sie an Bord und schon interessieren sie sich für dessen Zellaktivator. In wie weit Frank Borsch Crests plötzliche Persönlichkeitswandlung zu verantworten hat, ist nicht zu beurteilen, aber wie er hier handelt und das er wie Thora mit einem ominösen Hilfsangebot an die Menschheit aus der „Handlung“ verschwindet, das entspricht nicht dem Bild, das sich der Leser bislang von ihm machen konnte. Damit wird einer der wenigen positiven Aspekte der „Neo“ Serie verschenkt. Die Idee, dass sowohl Atlan als auch Crest Geheimnisse vor dem im Grunde naiven Rhodan haben, ist ohne Frage ausbaufähig. Dazu müssen Expose-  und die jeweiligen Taschenheftautoren aber auch bereit sein, den entsprechend nächsten Schritt zu gehen und sich nicht wie in diesem Langweiler immer wieder im Kreise zu drehen. Vollkommen überraschend ist, dass Rhodan von Crest Informationen im Kampf gegen den kurze Zeit später im System auftauchenden Regenten versprochen worden sind. Von einer direkten Auseinandersetzung mit dem Regenten war bislang nicht Rede, es ging nur um die Löschung von Daten. Anscheinend erinnert sich Frank Borsch nicht mehr an den Anfang des Zyklus und die Idee, einer Hydra das Haupt abzuschlagen, damit man gegen die zahlreichen nachwachsenden Köpfe kämpfen kann, wirkt aus der Erstauflage wenig überzeugend übernommen.  

Aber es kommt noch schlimmer.  Sergh da Treffon will immer noch sein Raumschiff wiederhaben, sich an den Naats rächen und die Position der Erde erfahren. Drei Dinge auf einmal. Also lässt er die gefangenen 330 Terraner auf einer Bioforschungsstation der Aras foltern. In erster Linie hat da Trefon anscheinend Künstler gefangen genommen, was zumindest für einige selbstironische Szenen gut gewesen wäre. Mit Mahesh Helder Skelter hat er gerade einen indischen Baetboxer in der Mangel, der von einem der heimischen Tiere absorbiert wird. Anschließend werden dessen Gedanken als telepathische Impressionen auf die Gedächtnis da Treffons ab. Warum diese Methode erfolgreicher sein soll als die wahrscheinlich zahlreichen Wahrheitsdrogen oder Methoden der Aras, wird nicht weiter erörtert. Natürlich kann sich Seklter in erster Linie an Ghetto Impressionen sowie dessen Auftritte in New York erinnert. Das beeindruckt den Regenten weniger, man hat ja noch einige Terraner an der Hand. Wie schon angesprochen wirkt diese Vorgehensweise lächerlich und das Schicksal der Unschuldigen entehrend. Anstatt zumindest den Bogen zur Gegenwart zu schlagen und nachhaltig aufzuzeigen, dass Folter oder Gehirnwäsche auch in der Zukunft opportune Mittel sind, verrennen sich Verena Themsen und Frank Borsch in einer eher bizarren und unwahrscheinlich erscheinenden Idee, die durch die pathetisch kitschige Zeichnung der Terraner und die abschreckende Primitivität/ Dummheit der Arkoniden als Antagonisten noch verschlimmert wird. Aber in jeder dummen Idee steckt bei Rhodan der Keim der Hoffnung. Den Terranern gelingt auf eine derartig unglaubliche wie unglaubwürdige Art und Weise schließlich die Flucht, dass der Leser nur den Kopf schütteln kann. Wozu Inder alles fähig sind. Viel schlimmer ist, dass weder Frank Borsch noch Verena Themsen irgendwelche Recherche für diesen Roman unternommen haben. Die Arkoniden hätten mit einfachen Aufzeichnungsgeräten alle relevanten Informationen erhalten können. Niemand der Terraner kommt auf den Gefangen, innerhalb der Gruppenzellen (!!!) zu schweigen. Das wirkt schon von irdischer Seite peinlich und unglaubwürdig. Aber der ganze Aufbau dieses Plotteils zeigt, mit welch heißer Nadel dieser ganze Minizyklus konzipiert und anscheinend beim Exposeschreiben umgebaut  und wie schwach die Details von im Grunde ansonsten routinierte bis gute Arbeiten vorlegenden Autoren herausgearbeitet worden sind. Bislang Verena Themsen mit großen Abstand schwächster Beitrag zu „Perry Rhodan“ und konzeptionell einer der schlechtesten Roman mindestens dieser Miniserie.          

 

 

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Taschenheft, 161 Seiten

Erschienen Juni 2013 

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