Timothy Zahn
Der 1990 im Original veröffentlichte Roman „Warhorse“ aus der Feder Timothy Zahns zeigt dessen Stärken wie teilweise Schwächen sehr viel deutlicher als die differenzierter zu betrachtenden Military Science Fiction Arbeiten. Auch wenn die deutschen wie amerikanischen Klappentexte militärische Elemente betonen, erscheint der komplette Roman irgendwo zwischen klassischer Frontiergeschichte – wobei die „Fortbewegungsmittel“ domestiziert werden müssen – und politischer Gleichmacherei angesiedelt, der unter anderem auch Zahns „Cobra“ Serie eindimensionaler erschienen ließ als sie in Wirklichkeit ist.
Die Menschheit steht erst am Beginn der Eroberung des Alls. Wie es sich für Timothy Zahns Romane gehört, sind die Menschen eher aggressiv bis arrogant. Ihre Technikorientierung ist für den Leser noch nachvollziehbar. Während die Menschen in vielen anderen seiner Bücher entweder auf herausfordernde Planeten oder kriegerische Aliens getroffen sind, geht „Warhorse“ einen überraschend anderen Weg. Die Menschen treffen nicht nur auf eine pazifistisch eingestellte Rasse, sondern auf Fremde, welche das All im Grunde auf eine ökologische Art und Weise erschlossen haben. Gleich im Auftaktkapitel wird der Leser mit den „Hilfsmitteln“ der Fremden konfrontiert. Um es vorweg zu nehmen, der außen stehende Betrachter muss Timothy Zahns Prämissen akzeptieren oder nicht. Trotz aller Fragwürdigkeiten und fehlenden Erklärungen ist „Warhorse“ eine interessante Lektüre, wenn man die Idee von gigantischen im All lebenden und sich dort fortbewegenden „Pferden“ – um die tausend Meter lang – akzeptiert, die als Zugmaschinen die Raumschiffe mittels Sprüngen überlichtschnell durch die Galaxis transportieren können. So absurd diese Idee auch sein mag, der Autor präsentiert sie mit dem notwendigen Ernst und entwickelt den entsprechenden Hintergrund im Verlaufe des Buches allerdings in Kombination mit den noch unglaublicher erscheinenden gigantischen Haien als Feinde dieser Pferde weiter. Bislang haben die Menschen eher als „Kunden“ agiert. Sie zahlen für den Transport ihrer Schiffe durch die Unendlichkeit des Alls, einen näheren Kontakt zu den Fremden und über ihre angeblich bis zur Selbstvernichtung pazifistische Charakter haben sie nicht. Ganz bewusst geht Timothy Zahn mit den Informationen spärlich um. Es geht ihm erst einmal darum, die wichtigsten menschlichen Protagonisten nicht nur in entsprechende taktische Positionen zu schieben, sondern in Kombination mit dem rasanten Auftaktkapitel zwischenmenschliches Konfliktpotential sowohl auf der persönlichen wie auch hierarchischen Ebene zu heben. Das wirkt im Verlaufe der Handlung teilweise ein wenig zu stereotyp. Neben der von Timothy Zahn gerne verwandten zeitweiligen Amtsenthebung des Kommandanten greift der Autor auf die Täuschung willfähriger Handlanger durch die Fälschung von elementaren Informationen zurück. Zwei im Grunde charakterlich nicht vereinbarende Offiziere müssen nicht nur gemeinsam auf eine wichtige Mission gehen, sondern im Verlaufe der sehr unterschiedlichen Abenteuer über ihre jeweiligen Schatten springen, um zu überleben. Löst man sich von den teilweise ein wenig stereotypen Klischees, die sich wie ein sehr roter Faden durch Zahns Gesamtwerk ziehen, sind es die weiteren Prämissen, welche das Buch auch heute noch lesenswert wie diskussionswürdig erscheinen lassen. Sie heben den Roman auch aus Timothy Zahns teilweise sehr hastig herunter geschriebenen Military SF Geschichten heraus.
Da wäre zum einen die Idee einer absolut pazifistisch eingestellten außerirdischen Rasse: die Tampies. Ohne allzu tief in ihre sozialen wie politischen Strukturen einzudringen, versucht Timothy Zahn das Portrait einer fremden Rasse zu zeichnen, dessen rudimentäre Strukturen dem Leser vertraut sein müssen. Um unnötigerweise für Spannung zu sorgen, schickt Zahn mit dem stellvertretenden Kommandanten einen Tampie - Hasser an Bord des Raumschiffes. Angeblich haben die Fremden seine Eltern von einer plötzlich von den Außerirdischen Jahre nach der Besiedelung der Menschen beanspruchten Kolonie mittels Elitetruppen vertrieben. Diese Fakten sind angeblich aufgrund ihrer politischen Brisanz von den Verantwortlichen geheim gehalten worden. Nur benötigt der Roman weniger dieser sich rückblickend als falsch erwiesenen Informationen genauso wenig wie die Menschen/ Tampiekonflikte, die nicht selten auf Missverständnissen basieren. Timothy Zahn verwechselt auch einmal zu oft Pazifismus mit Unentschlossenheit. So bleibt die unbestimmte Frage, wie die Tampie überhaupt die Sterne erobern konnte. Auch wenn die sozialen Strukturen auf beiden Seiten zu oberflächlich ausgearbeitet erscheinen, gelingt es Zahn mit einer Mission, die nur in enger Zusammenarbeit erfolgreich sein kann, Spannung zu erzeugen. Stilistisch und inhaltlich folgt der Autor erstaunlicherweise Alfred Elton van Vogt und seinem Episodenroman „Die Expedition der Space Beagle“, der indirekten Vorlage zu Ridley Scotts „Alien“. Auf einer derartige Begegnung verzichtet der Autor, aber die einzelnen Episoden bauen nicht nur geschickt aufeinander auf, die Herausforderungen während der Reise werden immer größer und der unfreiwillige Zusammenhalt zwischen Menschen und Tampie ist fürs Überleben elementar.
Viel interessanter sind die so genannten Raumpferde, der Schlüssel zur instellaren Raumfahrt. Es handelt sich um walähnliche Geschöpfe, die durchaus eine Länge von einem Kilometer erreichen können. Sie ziehen die Raumschiffe durch ein Labyrinth von Wurmlöchern. Ohne diese verblüffende biologische Komponente ist interstellare Raumfahrt gänzlich unmöglich. Die Tampie nutzen diese Raumpferde seit vielen Jahren und hüten sie wie ihren Augapfel. Die Menschen dürfen zusammen mit den Außerirdischen fliegen, sie dürfen aber keine eigenen Raumpferde besitzen. So wird der Roman mit einem interstellaren Pferdediebstahl eröffnet. Dazwischen schleichen sich aber auch immer wieder „unwahrscheinlich“ erscheinende Sequenzen ein. So wissen die Tampie nicht, wie sich die Raumpferde vermehren. Das hat zur Folge, dass sie selbst beim Kalben eines Raumpferdes überrascht werden. Auf der anderen Seite können sie die Pferde mit interdimensionalen Lichtschranken in ihrem Zaum halten, wo die Pferde in erster Linie von Meteoriten leben, deren Ausscheidungen die Menschen gründlich nach nutzbaren Erzen untersuchen wollen. Auch die Feinde der Raumpferde in Form von gigantischen haiähnlichen Wesen finden in erster Linie die Menschen. Während die Tampie paralysiert auf die bislang ihnen unbekannte Gefahr reagieren, sind es die Menschen im Allgemeinen und die Besatzung des Forschungsschiffes „Amity“ im Besonderen, welche zum Wohle der intergalaktischen Ausdehnung den Feind bekämpfen, aber gleichzeitig bemüht sich, eigene Raumpferde zu annektieren und vom Joch der Tampie unabhängiger zu werden. Der Roman funktionier wie angesprochen in erster Linie, wenn der Leser diese interessanten, aber auch faszinierend überzogenen Prämissen akzeptiert. Insbesondere das Unwissen der Tampie erscheint nicht wirklich plausibel, gibt aber dem Autoren mehrfach die Möglichkeit, die verschiedenen Vorkommnisse ausführlicher zu beleuchten. Da sich der Leser auf Augenhöhe der teilweise überfordert erscheinenden Besatzung des Forschungsschiffes befindet, ist diese erzähltechnische Vorgehensweise nicht nur interessant, sondern rückt den Betrachter enger an das Geschehen heran.
Im Vergleich zu seinen anderen teilweise zu militärischen angehauchten Romanen wie „coolen“ Typen ist „Kriegspferd“ deutlich ambitionierter und plottechnischer auch interessanter aufgebaut. Die Spannung zieht das Buch in erster Linie aus den Herausforderungen des Alls, während die Spannungen/ Beziehungen zwischen den Spezies bzw. innerhalb der menschlichen Crew teilweise zu wenig konsequent extrapoliert erscheinen. Die menschlichen Besatzungsmitglieder - überwiegend militärische Freiwillige - wirken wie in einigen anderen Arbeiten Timothy Zahns ein wenig zu eindimensional und zu sehr zielgesteuert, aber insbesondere im Vergleich zu den manchmal eher durchschnittlichen Romanen wie „Jagd auf Icarus“ verdient „Kriegspferd“ eine längst überfällige Neuauflage in der Science Fiction Reihe des Heyne- Verlages.
Timothy Zahn, "Kriegspferd",
Roman, Softcover, 368 Seiten,
erschienen im Heyne-Verlag, 1995
ISBN:9-7834-5305-8521
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