Mit “Killer Apps” liegt Peter Mennigens dritter Beitrag bei acht veröffentlichten “Cotton reloaded” Abenteuern vor. Wenn am Ende dieser stringenten, aber stark konstruierten Episode Cotton wieder für die eigenhändige Rettung der USA vor subversiven erzkonservativen inneramerikanischen Kräften gratuliert wird, fühlt sich der Leser unbehaglich an die ersten Abenteuer erinnert. Viele der Geschichten passen eher in die paranoide Welt von „The Americans“ oder „Homeland“, aber nicht in die „klassische“ FBI Welt des New Yorker Agenten. Viel schlimmer ist, dass Mennigens Stoff furchtbar konstruiert ist und die Grundidee in einer oberflächlichen Ausführung präsentiert wird.
Zu den wenigen Höhepunkten – auch diese Idee verwurstet der Autor schließlich- gehört das Treffen von Cotton und Decker in einem eleganten Restaurant mit französischer Küche. Beide sind von ihren jeweiligen Dates versetzt worden und beginnen sich bei reichlich Alkohol kennen zu lernen. Pointierte Dialoge reichern diese gut geschriebene Szene an. Leider ist sie auch die Bruchstelle im Kriminalfall. Der Titel sagt schon alles. Mehrere Massenmorde finden in New York statt. Die Polizei tappt im Dunkeln, die fest genommenen Killer alle ohne kriminelle Vergangenheit können sich an ihre Taten nicht erinnern. Nur ein einziger Mörder – ein dreizehnjähriger Junge, der seine Eltern erschossen hat – hat augenscheinlich nach der Tat Selbstmord begangen. Peter Mennigen kann keine Spannung aufbauen, da wie schon angesprochen der Titel seines Romans die Vorgehensweise des Täters/ der Täter verrät. Es sind Apps, die sich selbstständig auf die Smartphone laden und die Menschen Amok laufen lassen. Nicht jeden Menschen, anscheinend gibt es Störungen, wie Cotton an Decker feststellen kann. Kaum hat das obligatorische wissenschaftliche Hackergenie der Truppe ein entsprechendes Smartphone in der Hand, kann er erstens erkennen, dass es sich um eine Art neurologischen Transmitter handelt und zweitens alle Spuren auf eine einzige Firma hindeuten, deren Geschäftsführer gleichzeitig im amerikanischen Hinterland eine Art Trainingscamp für eine Söldnertruppe betreibt. Die Firma arbeitet seit Jahren an einer Steuerung von Maschinen durch Gedanken, wie es für Behinderte ohne Frage sinnvoll ist. Warum also nicht den anderen Weg gehen. Bei der Aktivierung des Apps unterzieht es den Benutzer einer Art Gehirnwäsche und pflanzt ihm wörtlich das vorprogrammierte Verlangen ein. Muss das potentielle Opfer auf das App starren oder reicht die Umgebung? Im Grunde spielt das keine Rolle, da hier die „Killer Apps“ nur stellvertretend für eine Reihe von Büchern und Filmen stehen, die eine vergleichbare Idee in allen Variationen allerdings ohne den pseudoreaktionär politischen Hintergrund durchgespielt haben.
Nun, während Cotton sich in die Truppe einschleichen kann, öffnet ihm der Zufall alle Tore. Die Kommandantin – die Tochter des Firmengründers – hat eine Schussverletzung erlitten und droht an Wundbrand zu sterben. Man will sie nicht ins Krankenhaus bringen. Aus einem unerfindlichen Grund soll auch nicht der Vater mit entsprechenden vertrauenswürdigen wie gekauften Spezialisten informiert werden. Cotton leistet erste Hilfe und bringt sie über Nacht in ein Krankenhaus, in dem die Ärzte alle die Klappe halten. Natürlich wird diese unglaubwürdige Prämisse von allen Beteiligten geglaubt. Als dann auch noch Jeremiah Cotton aus Dankbarkeit dem „Vater“ vorgestellt wird, erlebt er eine doppelte Überraschung. Peter Mennigen scheint weiterhin der Vorstellung zu erliegen, die „Cotton reloaded“ Serie ist ein legitimer Nachfolger von James Bond allerdings für Dumme. Warum sonst schleicht sich Cotton Undercover unter seinem richtigen Namen in die Organisation ein? Wer seid Jahren spezielle Aufträge des amerikanischen Militärs erhält und über derartige Verbindungen verfügt, wird direkt oder indirekt seine Identität überprüfen können. Vielleicht hätte ein Tarnname auch die Entdeckung nicht verhindern können, aber Mennigen geht noch einen Schritt weiter. Nicht etwa der Vater oder die Tochter erkennen dessen Identität, sondern die Schwester, die Cotton nackt in dessen Wohnung empfangen hat, bevor sie einen Tag während der geplatzten Verabredung diese ausgeräumt hat. Auf dem Computer fand man einige E- Mails an einen FBI Agenten namens Cotton !!! Entweder war es ein Dienstcomputer, dann hätte der Diebstahl mit derartig wichtigen Informationen gemeldet werden müssen oder Cotton hat seine Arbeit mit nach Hause genommen. Dann hätte er ein anderes Schicksal verdient als es ihm dieser Roman beschert. Kaum hat man diese Dummheit überstanden, kommt es zu plötzlich überstürzten Showdown in billigster James Bond Manier. Natürlich hat das FBI sich ein Hintertürchen offen gelassen, dass eine amerikanische Katastrophe verhindern wird. Ein stummer Alarm warnt die Behörden, welche das komplette Handytelefonnetz lahm legen, bis die Täter gefasst sind. Dazu muss dieser Alarm natürlich ausgelöst werden. Der Plan sah vor, dass es entweder Cotton selbst gemacht oder man auf die obligatorische Neugierde/ Dummheit der Täter gehofft hätte. Keine Frage, einer der beiden Fälle tritt ein. So unterhaltsam übertrieben die Actionszene inklusiv des moralisierenden Epilogs auch geschrieben sein mögen, sie runden einen ideentechnisch frustrierenden Roman ab. Da Peter Mennigen sich nicht intensiv mit seiner phantastischen Idee auseinandergesetzt hat. Eine Reihe von technischen Floskeln, eine Art Showdown und fertig ist eine weitere Umsturzgeschichte. Im Kampf gegen den Terror der Obrigkeit haben die FBI Agenten wirklich viel zu tun.
Verschenkt wird viel Potential bei der zweiten Handlungsebene. Die Idee einer Bande, die ganze Wohnungen ausraubt und den Opfern selbst das Nachthemd im Schlaf stiehlt, ist nicht schlecht. Das die New Yorker Polizei diese „harmlosen“, da keine Menschen tötenden Diebe eher als Ärgernis denn Kriminelle sieht, erscheint zu aufgesetzt. Wie es die Täter schaffen, selbst sperrige und wertlose Möbel aus den Wohnungen zu holen, wird allerdings verschwiegen. So verpufft diese bizarre, aber interessante Idee unter dem Ballast der wenig überzeugenden „Killer Apps“. Bislang eines der schwächsten „Cotton Reloaded“ Abenteuer.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 381 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 107 Seiten
- Verlag: Lübbe Digital; Auflage: Aufl. 2013 (9. Mai 2013)