Artemis Fowl 8- das magische Tor

Eoin Colfer

Nach acht Romanen ist Schluss. Der irische Schriftsteller Eoin Colfer beendet seine Serie um den jugendlichen Meisterdieb, um das Genie Artemis Fowl. Der vorliegende wahrscheinlich letzte Roman "Das magische Tour" - im Original heißt es sehr viel melodramatischer, aber nicht unpassend "The last Guardian" - ist ein Ende und ein Anfang zu gleich. Auf den letzten "Metern" verblüfft Colfer seine treuen Leser, in dem er Artemis Fowl sich nicht zum ersten Mal in der Serie opfern lässt, sondern in dem dieses Opfer zum Wohle des überirdischen menschlichen und des unterirdischen Sagenvolkes auch kurzzeitig angenommen wird. Wer den stringenten Roman aufmerksam gelesen hat, wird wissen, dass der körperliche "Tod" nicht mehr das Ende der Existenz darstellen muss.

Colfer hat diese Idee zu oft aufgegriffen, ein wenig variiert und schließlich auf eher mystische Weise perfektioniert, als das er damit sein Publikum wirklich schockieren kann. Natürlich hat es für Fowl, den geläuterten Fowl der letzten Romane keine entsprechende Alternative gegeben, aber trotz des melancholischen Abschiedsgedanken wirkt das Ende des Buches ein wenig zu stark konstruiert. Der Anfang ist dagegen brillant und gehört ohne Frage zu den besten Passagen der ganzen Serie. Da wäre zum einen die abschließende Untersuchung Fowls nach dem "Atlantis Komplex" aus dem vorangegangenen Abenteuer.

Mit pointierten Dialogen und nicht zu übersehenden Seitenhieben der Psychiatergilde gegenüber dominiert Artemis Fowl den nach kurzer Zeit nicht nur überforderten, sondern geschickt in die Ecke gedrängten Professor. Das dieser Professor ein Gnom ist, hat nichts zu sagen. Opal Kobai erhebt zumindest in der direkten Konfrontation mit Artemis Fowl zum dritten Mal ihr Haupt. Das Original befindet sich in einem Hochsicherheitsgefängnis unter der Erde. Ihre treu dummen Gehilfen entführen eine Elfe und drohen sie bei nicht rechtzeitiger Freilassung zu ermorden.

Aber diesem Punkt wird der Plot kompliziert. Sollte sich der Plan nicht erfüllen und Kobai quasi "explodieren", während die Elfe ermordet wird, droht eine Art atomare Katastrophe, welche die unterirdische Stadt zerstören und alle Bewohner töten könnte. Fowl erweist sich zumindest auf den ersten Blick als kühner "Rechner". Er lässt Kobai in die Reaktorschächte stecken, die momentan zur Energieerzeugung nicht benötigt werden. So soll die Kraft einer Explosion nach innen gedrückt und die Zerstörung unter Kontrolle gehalten werden. Es stellt sich nur die Frage, ob Kobai diese Ziele wirklich verfolgt hat. Sollte sie Fowls Vorhersehung durchschaut haben, könnte die Explosion deutlich fatalere Folgen haben. Diese Passage ist auf der einen Seite sehr intensiv und spannend geschrieben worden. Die Zwischenschnitte zu den unberechenbaren, aber vielleicht zu komisch beschriebenen Entführern und den Entscheidungen Fowls und Holly funktionieren gut. Sie haben ausreichend Erfahrungen mit Kobai, um die Folgen zu ahnen.

Alleine wird diese Sequenz zu abrupt, zu hastig aufgelöst. Der Mittelteil ist ein Bogenschlag zu Fowls Familie. Anscheinend ist deren Haus in Irland der Ausgang zu einem gigantischen magischen Tor, das von Kobai geöffnet ebenfalls das menschliche Leben vernichten könnte. Fowl muss also als Retter der Menschen und der Sagenfiguren die Verantwortung auf seine Schultern laden. Colfer hat die Ermüdungserscheinungen der letzten Fowl Bände abgelegt. Der subtile Humor über die schon angesprochen sehr pointierten und sich in der deutsche Übersetzung ebenfalls sehr gut lesenden Dialoge hinaus unterhält nicht nur gut, er ist auch passend. Dazu gesellen sich eine Reihe von kleineren, aber nicht auf sich aufmerksamen machenden Slapstickhumoreinlagen.

Wenn Fowls Erwachsener Leibwächter/ Freund sich durch die unterirdischen Gänge des Elfenvolkes quälen muss und dabei die Bewohner der Städte wider Willen erschrickt, kann man dank verschiedener Varianten sehr viel aus diesem Szenario machen. Die Actionszenen sind überdreht und natürlich unrealistisch, aber Colfer macht nicht den Fehler, sie gegen Ende der Romane zu konzentrieren. Im Vergleich zu anderen Artemis Fowl Bänden wirkt "Das magische Tor" deutlich besser strukturiert, die einzelnen Höhepunkte sehr gut gesetzt.

Die größte Überraschung ist weniger das inzwischen auch emotional gereifte Verhältnis zu Holly - kein Vergleich zu den ersten Romanen, in denen Holly ein wenig affektiert arrogant und Fowl zu intellektuell übermächtig erschienen ist. Sie begegnen sich nicht nur auf Augenhöhe, sondern ergänzen sich. Zwar muss Fowl beim ersten Angriff wieder einen im Grunde widersinnigen, gefährlichen und fragwürdigen Plan mit wirklich ungeahnten Folgen für die Umwelt aus dem Ärmel schicken, später agieren die beiden Freunde allerdings auf Augenhöhe und ergänzen sich sehr gut. Colfer steht Holly sehr viel mehr Freiheiten zu, die sie als eigenständige Figur auch nutzen kann. Wer gedacht hat, dass ein geläuterter Artemis Fowl ein langweiliger Charakter ist, wird in "Das magische Tor" eines Besseren belehrt. Während er zu Beginn in bekannter Manier mit dem Gnom verbal und intellektuell spielt, zeigt er im wichtigen Mittelteil erwachsene Züge. Er ist nicht weniger schlau oder raffiniert, er beginnt seine Handlungen und deren Folgen aber zu hinterfragen.

Das er jetzt als irdischer Held eher in eine gängige Rolle gedrängt und das absichtlich anfänglich kolportierte Anti- Harry- Potter Image abzulegen beginnt, ist nur konsequent. Als einsamer Überverbrecher ohne wirkliche Gegner auf Augenhöhe hätte diese Buchreihe nicht ihre Faszination behalten können. Opal Kobai bemüht sich zu sehr, ihre Persönlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen und zu wenig als Antagonist, als potentielle Weltherrscherin zu überzeugen. Hier wird der schmale Grad zwischen Präsenz und Parodie mehrmals in die falsche Richtung überschritten.

Vielleicht wirkt die Idee, ein magisches Tor zu verteidigen angesichts der Zeitreisethematik oder des komplexen Atlantis Themas ein wenig zu bodenständig, aber die Rückkehr zu den Wurzeln des Fowls mit Hinweisen auf die Jahrhunderte langen magischen Verbindungen ist ein irisches Thema, das Colfer souverän beherrscht. Aber leider weicht Colfer auch von diesen Ideen ab. Neben den Zombies und der übernatürlichen Besessenheit wirkt der weltweite Energieausfall, diese erzwungene Rückkehr zu den Wurzeln nicht aus B- oder C- Thrillern, sondern viel schlimmer als eine Art Ideenleihe aus John Carpenters nicht besonders beliebten „Escape from L.A.“, in dem ein zynisch verbitterter Snake der Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren eigenen Superwaffen den Saft abdreht. Colfer macht daraus ohne Rücksicht auf die Folgen für eine global ausgerichtete Weltwirtschaft eine Art Idyll, eine Variation grünes Gedankengutes, das weltfremd und vor allem Fowlfremd erscheint. Vor allem, weil die Welt nicht so bleibt.

Diese Exzesse minderten auch schon das Losevergnügen während der Zeitreisegeschichte. Auf der einen Seite will Colfer an seiner Figur arbeiten, auf der anderen Seite – siehe Atlantiskomplex, die Zeitreise und diese Welt ohne Technik – darf nichts nachhaltig den Kosmos erschüttern. An dieser Ambivalenz scheitert der Mittelteil des vorliegenden Romans. Zusammengefasst ist „Das magische Tor“ ein zufriedenstellender Abschluss der „Artemis Fowl“ Serie, der alle Türen und magischen Tore zu Fortsetzungen offen lässt.

Insbesondere das Verhältnis zwischen Holly und Fowl wird auf eine rein freundschaftliche Basis zurückgeführt und verharrt auf diesem Stand über das Ende des Buches hinaus. Das wird einige Stammleser und Romantiker frustrieren, ist aber angesichts Colfers semirealistischen Ansatz konsequent. Zumindest schließt der Autor den vor über zehn Jahren angefangenen Kreis und führt gereifte Figuren an den Anfang zurück. Als eigenständiger Roman wechseln sich sehr gute und schwächere, stellenweise zu hektisch niedergeschriebene und nicht ganz durchdachte Szenen leider zu häufig ab. Während der Auftakt und das Ende überzeugend sind, wirkt der Mittelteil nur auf der emotionalen Ebene wirklich ansprechend.

Stellenweise hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als sei der Abschluss für Colfer wichtiger als der Weg dahin. Eine Verbesserung gegenüber den ganz schwachen vierten und fünften Bänden der Serie ist „Das magische Tor“ auf jeden Fall und Opal Kobai zumindest phasenweise eine Gegnerin, mit der zu rechnen ist.

  • Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
  • Verlag: List Hardcover (8. März 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3471350969
  • ISBN-13: 978-3471350966
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre
  • Originaltitel: Artemis Fowl - The last Guardian
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