Kaiserkrieger IX "Schwere Gezeiten"

Atlantis Verlag, Schwere Gezeiten, Dirk van den Boom, Rezension, Titelbild
Dirk van den Boom

Das Titelbild vom neunten Band suggeriert schon einen wichtigen Teil der Handlung. Dirk van den Boom ist endlich im Herzogland angekommen. Im Gegensatz zu „Fitzcarraldo“ alias Klaus Kinski wird kein Schiff über einen Berg, sondern ein U- Boot eine Pyramide hinab gezogen. Das Ergebnis ist genauso beeindruckend. Diese Szene ist einer der Höhepunkte des vor allem durch seine politischen Intrigen vorangetriebenen Plots.  Auch das Ende mit der massenhaften Hinrichtung von adligen Mayas im Zuge eines Putsches ist konsequent und zeigt, dass die Zeiten härter werden.  Mit den zahlreichen Toten folgt Dirk van den Boom auf der einen Seite George R.R. Martin und „Game of Thrones“, in deren Verlauf im Grunde jeder Mensch ersetzbar ist und nicht selten sympathische Charaktere sterben müssen. Warum allerdings ein Friedensgipfel in Kombination mit einer Hochzeit herhalten muss, erschließt sich dem Leser nicht. Für den Autoren wäre es konsequent, den Roman mit diesem falschen Höhepunkt enden zu lassen. Wer aber nicht nur George R.R. Martins Reihe kennt, wird zu wenig überrascht. Vielleicht hätte der Autor die Ereignisse voneinander trennen sollen. Das Schockerlebnis wäre effektiver und nachhaltiger gewesen. So bleiben aber zumindest inhaltlich ein blutiger Höhepunkt des ganzen Romans und eine Verlagerung zu aus der ersten Miniserie bekannten Figuren hin zurück.  Konsequent wird sich aber die Balance mehr der deutsch römischen Expedition wieder hinwenden. Sehr faszinierend ist bislang gewesen, dass in Lateinamerika mit den japanischen Zeitreisenden im Allgemeinen und einzelnen, individuellen Charakteren im Besonderen eine gänzlich andere Art der Machtübernahme stattgefunden hat. Noch stärker die die Männer der Saarbrücken ist das japanische U- Boot unabhängig von seiner Lage auf der Spitze einer Maya Pyramide und seiner Kanone keine Allzweckwaffe. Technisch sehr auf den Dieselkraftstoff angewiesen und in einer Region, in welcher wichtige Bodenschätze so gut wie gar nicht vorhanden sind, müssen die Japaner taktisch clever und mit entsprechender Brutalität vor allem eine Kultur bändigen, die entwicklungstechnisch den Römern vielleicht in nichts nachsteht, die aber von ihren sozialen Strukturen eher auf einzelne Stämme und eine gewisse Individualität setzen, während das Rom der „Saarbrücken“ Mannschaft seinen Höhepunkt der Macht schon überschritten hat und mit Bystanz als zweiter Hauptstadt sogar zu zerfallen beginnt.

Nicht zuletzt aufgrund seiner politischen beruflichen Erfahrung arbeitet Dirk van den Boom diese konträren Ansätze sehr gut heraus.  Das Imperium vom Mutal wächst nicht zuletzt dank der Waffen der Japaner weiter.  Auf der anderen Seite legen die kleineren freien Mayastädte ihre Auseinandersetzungen zur Seite und vereinigen sich mit der mächtigen Gruppe um Teotihuacan, um den Götterboten und ihren Wunderwaffen Einhalt zu gebieten.  Die Japaner hat inzwischen die Nachricht erreicht, dass an der Küste Fremde anscheinend nicht nur aus Rom kommend, sondern bestehend aus weiteren Zeitreisenden eingetroffen sind. Ihre Schiffe sind eine Mischung aus „moderner“ Technik und schwerer Bewaffnung. Sie könnten die Schwächen der Japaner ausgleichen. So beschließt man, dass U- Boot wieder flott zu machen, es vorsichtig mit der Hilfe des britischen Ingenieurs von seiner Pyramide zu befreien, über achtzig Kilometer  auf Holzrollen zum nächsten Fluss zu transportieren und gegen die Flotte einzusetzen. Dazu muss das U- Boot aber erst einmal funktionieren. Wie eingangs erwähnt ist der Transport des U- Bootes einer der Höhepunkte des Buches. Ohne ihn zu sehr in die Länge zu ziehen und vor allem zu melodramatisch das Geschehen zu beschreiben, gelingt es Dirk van den Booms sehr lebendigen Charakteren vielleicht fast zu schnell, alle Probleme zu lösen. Am Wasser angekommen stellt sich allerdings die Frage, ob erstens die Torpedos wirklich gegen diese „relativ“  kleinen Schiffe mit wenig Tiefgang eingesetzt werden können. Das Bordgeschütz musste als Statussymbol zurück gelassen werden. Auf der anderen Seite machen die die angelandeten Männer der „Saarbrücken“ sehr viel mehr Gedanken über die Abwehr eines Angriffs mit einem U- Boot. Da die Saarbrücken vor dem Ersten Weltkrieg aus ihrer Zeit gerissen worden ist,  wirkt deren Abwehrtaktik sehr progressiv, wenn auch effektiv. Immer am Rande der historischen Glaubwürdigkeit versuchen sie pragmatisch Waffen gegen das U- Boot zu entwickeln, dessen Gefährlichkeit sie auf der anderen Seite angesichts historisch nicht vorhandener Kenntnisse – die U- Bootwaffe entwickelte sich erst im Laufe des Ersten Weltkriegs deutlich weiter und meistens hatten die U- Boote noch keine Torpedos, sondern vor allem aufzusetzende Haftminen -  nicht kennen können. Dirk van den Boom wirft als Schriftsteller ein wenig opportunistisch mit Kriegsgeschichte um sich, ohne im letzten Abschnitt des Buches den inhaltlich entscheidenden Schritt zu gehen. Aber diese sich in die Länge ziehenden theoretischen Gedankenmodelle sind in diesem vorliegenden Band positiv gesprochen relativ selten, so dass die eigentliche Handlung im Mittelpunkt steht und der Leser das  Gefühl hat, Dirk van den Boom möchte nach dem letzten eher aufgeblähten Roman deutlich vorankommen.

Zu den Stärken der ganzen Reihe wie auch in der „Stirling“ Trilogie um die durch die Zeit gefallene Insel Nantucket gehört der Verzicht auf die Klischees einer grenzenlosen wie überlegenen Technik. Die Mannschaft der „Saarbrücken“ hat sich vielleicht besser in ihrer Epoche assimiliert und schneller versucht, ihr technisches Wissen positiv einzusetzen. In beiden Spannungsbögen sind die Resourcen und vor allem auch die waffentechnische Überlegenheit begrenzt. Selbst ein Nachrüsten ist nicht immer hilflos, wie der brutale Überfall auf eine Handvoll Abgesandter der römisch- deutschen Expedition in einem Dorf an der Küste zeigt. Der Einsatz der Bordwaffen ist nur von kurzer Wirkung in die zahlenmäßig erdrückende Übermacht kann die Männer überwältigen.  Es ist nicht das erste Mal, dass die Primitiven als Sieger das Schlachtfeld verlassen, aber dieses Mal haben die Ankömmlinge von Beginn an ein schlechtes Gefühl, so dass die nachstehenden sehr blutigen Kriegsszenen mit zerfetzten Körpern und doch einem ungebrochenen Willen noch eindrucksvoller erscheinen.

„Schwere Gezeiten“ bezieht sich rückblickend auf die drei wichtigsten politischen Gruppen. Auch in Hinblick auf die Zeitreisenden führt Dirk van den Boom fast im Off anscheinend einen weiteren durch die Zeit gefallenen Mann ein, der aufgrund seines Abreisedatums vielleicht sogar noch einen Tick mehr weiß als die Crew der „Saarbrücken“ oder die Japaner. Der Plot selbst ist deutlich stringenter trotz oder gerade wegen der auch sehr gut alternierenden, am Ende teilweise ausgesprochen effektiv zusammenlaufenden Handlungsbögen. Die Müdigkeit einiger bislang publizierter Teile hat der Autor aus seinen Knochen geschüttelt und präsentiert mit dem vorliegenden Band den bislang besten Roman des zweiten Teilzyklus.  

 

  

 

 Atlantis Verlag
Titelbild: Timo Kümmel
A5 Paperback,
ca. 330 Seiten
ISBN 978-3-86402-239-5.