„Meran“ ist der letzte Band der „Daxxel“ Trilogie. Die bisherigen Verkäufe haben nicht den Erwartungen des Autoren entsprochen. Dabei verfügt die Serie insbesondere im Vergleich zu den deutlich erfolgreicheren „Tentakel“ Romanen über mehr Potential. Nicht nur aufgrund seiner hauptberuflichen Tätigkeit ist Dirk van den Boom ein Autor, der die Unterschiede zwischen den Rassen stellvertretend für die Vorurteile und Konflikte zwischen den Menschen in einfache, aber überzeugende Bilder fassen kann. Mit „Meran“ kehrt der Saarländer zu den Wurzeln zurück, die er im Auftaktband der Serie „Eobal“ gelegt hat. Hinzu kommen die anfänglich interessanten Gerichtsszenen auf der abgeschotteten und isolierten Welt „Meran“, die den amerikanischen Filmen und Fernsehserien folgend viel versprechen. Ohne die ganzen Sitten und Gebräuche zu kennen versucht sich Casimir Daxxel im Prozess gegen seine alte meranische Flamme, die aus dem Auftaktband der Serie stammend auch die Vormundschaft für einen Meraner angetreten hat, der ursprünglich Daxxel anvertraut worden ist. Am ersten Prozesstag es erst für seine Freundin schlimmer machend scheint Daxxel sehr gut gesteuert von Dirk van den Boom über einen improvisierten Plan zu verfügen. Dabei steht Daxxel auch zwischen zwei Frauen zu stehen. Anstatt aber diesen Handlungsbogen konsequent und vielleicht originell zu Ende zu führen, greift Dirk van den Boom zu literarischen Kniffen und Tricks. Diese implizieren, dass der Autor gegen Ende keine Luft mehr hatte, originelle Wege zu gehen. Die Auflösung ist in sich logisch und gibt ihm die Möglichkeit, eine weitere Facette der meranischen Kultur aufzudecken, aber sie befriedigt nicht und hinterlässt vor allem angesichts der interessanten Szenen inklusiv der Verhaftung Daxxels einen süßsauren Beigeschmack. Es ist schade, dass Dirk van den Boom im strukturtechnisch am besten aufgebauten Roman dieser kurzlebedigen Serie das Potential verschenkt.
Vorher funktioniert sein Roman auf einer hintergründigen wie auch auf einer für den Autoren so typischen Ebene solide. Die typische Ebene sind die Anspielungen auf Echsensex – Meraner stehen anscheinend auf die harte Gangart – und die in erster Linie hormongesteuerten Aktionen Daxxels. Seine Leibwächterin, Vertraute und platonisch ihn anhimmelnde und wieder auf die Erde zurückholende Freundin Josefine Zant wird nicht nur auf eine, sondern mehrere harte Proben gestellt. Als Charakter bleibt sie erstaunlich blass. Dirk van den Boom bemüht sich, das Gefühlschaos auf beiden Seiten bis zur geplanten Hochzeit – bestimmt nicht aus Liebe, sondern höchstens aus Notwendigkeit gepaart mit Neugierde – emotional ansprechend zu beschreiben, aber die Zeichnung von dreidimensionalen Protagonisten gehört auch nicht in diesem Werk zu seinen besonderen Markenzeichen. Da wirkt manche Floskel eher selbstironisch kindisch und Sex scheint sich auf dem Niveau von Comicheften übertrieben abzuspielen. Vieles wird den Lesern seiner „Tentakelserie“ vertraut vorkommen. Schade ist, dass während die „Tentakels“ Military Science Fiction mit Parodieanspielungen auf unzählige schlechte Invasionsgeschichten gewesen ist, der Hintergrund der „Daxxel“ Romane deutlich aktueller und damit auch realistischer erscheint. Nicht zum ersten Mal in diesen drei gut zusammenhängenden Geschichten geht es um die Art und Weise, wie Mensch sich einer ihm fremden Kultur nähern kann. Im Vergleich zu der gegenwärtigen Kommunikation vor allem in der Entwicklungshilfe treffen mit der von Menschen dominierten Achse und dem meranischen Reich zwei Kulturen aufeinander, die wirtschaftlich sich auf Augenhöhe bewegen. Das wird dem Leser gegen Ende der Geschichte deutlich gemacht. Natürlich könnten die beiden mächtigen staatspolitischen Gebilde unterschiedlicher demokratischer Ausrichtung von einer engeren Kooperation profitieren, wichtig ist aber, dass sie nicht notwendig erscheint und obligatorisch ist. Bislang haben sich die Meraner von den Menschen isoliert und ihre Welt bis auf einen gelangweilten Botschafter, mit dem niemand spricht, auch abgeschottet. Aufgrund des Prozesses und einigen Exkursen in der meranischen Rechtskultur wird Daxxel zusammen mit seiner Leibwächterin eingeladen, nach Meran zu reisen und im Prozess gegen seine ehemalige und wahrscheinlich neue Flamme als Helfer beizuwohnen. Die Meraner erscheinen wie eine Mischung aus den Kulturen des Orients mit einer Machoeinstellung, einer in der Öffentlichkeit, aber nicht nach innen gezeigten Abneigung gegen Frauen und ihren Rechten, Gefälligkeitsposten und einer patriarchalischen egozentrischen, aber auch bauernschlauen Einstellung den Fremden gegenüber. Alle Versuche, die Meraner auszuspionieren, sind bislang gescheitert. Daxxel will auch nicht für seine Regierung spionieren, sondern der Freundin helfen. Dazu muss er quasi aus dem engen Rahmen heraus agieren, den ihn die meranischen Gesetze bieten und gleichzeitig seine Gegenspieler provozieren, denn Leser als auch Protagonist, es geht um viel mehr als nur die Anklage wegen eines schwer zu beweisenden Mordes.
Dem Leser wird das - sich nicht immer auf Augenhöhe mit Daxxel bewegend - in den Zwischenkapiteln bewiesen. Mit diesen subjektiven Perspektiven baut Dirk van den Boom auf der einen Seite unnötige Brücken und unterminiert den kriminaltechnischen Spannungsaufbau, auf der anderen Seite gewährt der Autor weitere Einblicke in die fremdartige, sich aber auch aus klar erkennbaren Versatzstücken zusammensetzende Kultur der Meraner. Der Vorteil ist, das ganze Konfliktpotential inklusive den Verstrickungen auf höchsten politischen Ebenen inklusiv potentiell inzestuöser Beziehungen wird breiter dargestellt und wirkt dadurch auch authentischer. Das Daxxel pragmatisch die fremde Kultur akzeptiert und nicht ändern will, ist eine weitere Stärke des Romans. Am Rande des Slapsticks, aber doch auch überzeugend wirken die Beziehungen zwischen Daxxel und seiner ehemaligen Flamme/ zukünftigen Frau. Es sind Ablenkungen im Vergleich zum eigentlichen Kriminalplot und dem möglichen zukünftigen Machteinfluss von Daxxels ehemaligen Mündel auf die ganze meranische Kultur, aber sie lockern den Handlungsbogen gegen Ende in einer für Dirk van den Boom typischen Manier auf.
Zusammengefasst kann „Meran“ wie die ersten beiden Bände der Trilogie sein ganzes Potential nicht heben. Dirk van den Booms diplomatische Erfahrungen sind überdeutlich spürbar und positiv zeigt er auf, wie schwierig es in Gegenwart und Zukunft sein kann, einen einfachen roten Faden als Zugang zu einer fremden bis unverständlichen Kultur zu knüpfen. Hinzu kommt, dass seine Protagonisten vielleicht auch wegen manchem Klischee zugänglich und sympathisch erscheinen, während der Handlungsverlauf nach einem sehr guten Auftakt bis hin zu den juristischen Winkelzügeln anschließend leider zu simpel und vor allem zu stark aus dem Abseits heraus konstruiert buchstäblich versandet und abschließend nicht ganz zufriedenstellt.
Atlantis Verlag
Titelbild: Tony Andreas Rudolph
A5 Paperback, ca. 240 Seiten, ISBN 978-3-86402-282-1