Der Lebensautomat

Dean R. Koontz, Der Lebensautomat, Rezension, Thomas Harbach
Dean R. Koontz

Im Original besser “The Flesh in the Furnace” genannt gehört der zusammen mit dem verfilmten “Demon Seed” in der Bastei SF Reihe veröffentlichte Roman „Der Lebens- Automat“ zu den wenigen reinrassigen Science Fiction Romanen. In den späten achtziger und frühen neunziger Jahren hat Koontz unter anderem mit „Watchers“ oder „Strangers“ auch immer wieder im Gewand eines Horror Romans auf Science Fiction Themen zurück gegriffen, aber die beiden in den siebziger Jahren publizierten kurzweilig zu lesenden Abenteuer sind per Definition reine SF.

Ohne den Hintergrund weiter zu erläutern wirft Koontz den Leser zusammen mit den allerdings im Vergleich zum deutlich ambitionierter gestalteten „Demon Seed“ eher eindimensional gezeichneten Figuren gleich in ein ungewöhnliches Szenario. Es handelt sich um eine Welt, in der ein Mann lebendige Puppen für die entsprechenden, teilweise ganze Nächte andauernden Shows gestalten und durch die Maschine erzeugen kann. Nach den Veranstaltungen kann es passieren, dass diese Puppen umgehend wieder „eingestampft“, getötet und recycelt werden. Zwar bietet Koontz dem Leser unterschiedliche Perspektiven an, aber während die „Mächtigen“, die „Schöpfer“ nicht selten ambivalent und vor allem wenig nachhaltig entwickelt erscheinen, sind es die Puppen, die in ihrer Hilflosigkeit anrührend und ansprechend zu gleich sind.  Die grundlegende Handlung ist dabei sehr stringent entwickelt und die Idee der Revolution der Puppen gegen ihre Herren nicht unbedingt neu. Auch wenn der Ablauf der Ereignisse vom Amerikaner sehr interessant und absichtlich surrealistisch verfremdend beschrieben worden ist, kann der aufmerksame Leser klar erkennen, dass Koontz sich nicht nur in einem Science Fiction Gewand an Goldings „Herr der Fliegen“ oder vergleichbaren evolutionären Werken orientiert, sondern Ideen der Pulp Science Fiction mehr oder minder direkt in die Zukunft überträgt.  Erst mit der zweiten Ebene – die Puppen brauchen für den Aufstand gegen ihren Herrn die Hilfe des eher dummen August bzw. seines Helfers – wird das Buch sehr viel interessanter. Koontz beschreibt, wie sie aus einer im Grunde guten, aber einengenden Situation in einer Art Vorhölle kommen.   Den Leser konnte das im Vergleich zu den Puppen vielleicht ahnen. Im Grunde müssen sie unter schwierigen Verhältnissen – die fehlende Intelligenz des Helfers wird durch dessen erhebliches Misstrauen aufgewogen -  noch einmal die Revolution starten. Das interessante am vorliegenden Band ist, dass auch diese Revolution selbst einem nahtlosen Gelingen nicht zur abschließenden Befreiung der Puppen führen wird. Ohne nihilistisch zu sein dreht Koontz wie in „Demon Seed“ oder „Strangers“ die Spirale weiter, wobei die Auseinandersetzung mit einem „Gegner“ – so es das unbekannte Phänomen in seinem UFO Band „STrangers“ oder die eifersüchtige Maschine mit Vatergefühle in „Demon Seed“ – durch verschiedene Hindernisse aufgebrochen und die Spannungskurve gestärkt wird.

Am Ende geht der Autor allerdings ambivalent vor. Er weigert sich, Lösungen anzubieten. Aus Sicht der Puppen ist verständlich, dass sie das ewige Leben im Kreislauf zwischen Geburt und Tod auf der Bühne, durchbrechen wollen. Ihre Welt ist nur den Sensationen dieser Theaterstücke untergeordnet. Ein sozialkritischer Aspekt, den Koontz im Vergleich zu Sheckley mit „Das zehnte Opfer“ oder   später Bachmann in dem  verfilmten „Menschenjagd“ sehr viel weniger intensiv oder kritisch angegangen ist.  Diese Ignoranz wichtiger Hintergründe lässt das Buch trivialer erscheinen als es ein zwanzig Jahre später schreibender Koontz gemacht hätte. Auf der anderen Seite aber wirkt diese rohe Energie nach und der Amerikaner packt unwahrscheinlich viele Ideen, kleine Seitenhiebe und schließlich auch einen faszinierend fremdartigen und doch irgendwie aus den griechischen Tragödien bekannten Hintergrund in eine auch heute noch vor allem in der deutschen Übersetzung ein wenig  steif wirkende, unterhaltsame Geschichte, die eine Wiederentdeckung mehr als wert ist.   

Originalausgabe erschienen 1972 unter dem Titel The Flesh in the Furnace,

deutsche Ausgabe erstmals 1973

Bastei Verlag, 157 Seiten

ISBN 3-404-00160-5

Übersetzung ins Deutsche von Bodo Baumann.