
Der dritte Band der Chronik des eisernen Druiden unterscheidet sich auch qualitativ deutlicher von den ersten beiden, in vielerlei Hinsicht Zufrieden stellenderen Romanen
der Serie. Ein Reiz des ersten Buches war der Konflikt zwischen der amerikanischen Mittelklasserealität und dem letzten lebenden Druiden inklusiv eines sprechenden Hundes sowie einem Werwolf als Anwalt. Atticus musste sich in seinem Laden mit alltäglichen Problemen herumschlagen und vor allem vor der Öffentlichkeit seine zahlreichen Geheimnisse wahren. Das ist bei zornigen Göttern oder Hexen nicht unbedingt leicht. Aus dieser Konfrontation entwickelte sich ein gewisser positiver Humor, der mit seiner Mischung aus doppeldeutigen Dialogen und Slapstickszenen erfrischend anders erschien. Im Folgeband wirkte das Rezept schon aufgebraucht, alle die Figuren konnten die zahlreichen Schwächen in der Handlung überdecken, während der Autor zu viel zu hektisch, zu wenig eine innere Spannung aufbauen und vor allem teilweise kontraproduktiv in den laufenden Plot einbaute.
Bedenkt man zusätzlich, dass die ganze Serie bislang über acht Romane konzipiert worden ist, dann bedeutet „Gehämmert“ hoffentlich nur ein Zwischentief, zumal das Potential ausreichend vorhanden ist, um aus den verschiedenen mystischen Elementen eine stringente Handlung zu konzipieren. Warum der Autor auf so viele unterschiedliche Mythen zurückgegriffen hat und der Versuch, Douglas Adams subversivem Humor zu erreichen, so kläglich scheiterte, bleibt wahrscheinlich ein Geheimnis der Lektorin. Beginnt man mit der schwächsten und wahrscheinlich provokant gemeinten Szene des Buches. In einer Kneipe begegnet Atticus auf seiner Angriffsflucht JESUS. Eine Gruppe jüdischer Rabbiner stürmt den Raum und will Atticus stellen. JESUS greift ein, wird aber von den aggressiven Männern nicht erkannt. JESUS stellt ihren Glauben und vor allem ihre Interpretation der Bibel in Frage. Er wird mit einem Messer verletzt, erleidet natürlich keine Wunde und zeigt seine göttliche Macht. Die Szene wirkt im ganzen Buch deplatziert, zumal Atticus ja selbst keinen echten Bezug zum Christentum hat und seine Druidenbrüder durch die fortschreitende Christianisierung ihren Einfluss verloren haben. Selbst die Dialoge wirken in dieser Szene künstlich und gestelzt. Auf der anderen Seite gibt es einige Hinweise auf Neil Gaiman. Die sind deutlich lustiger, aber im Kontext des ganzen Buches auch sinnfreier. Neil Gaiman hat in seinen letzten Arbeiten beginnend mit dem großen Vorbild dieser Serie „American Gods“ die Verbindung von Legenden mit der Realität deutlich effektiver und vor allem dreidimensionaler hinbekommen. Vielleicht sind es diese Verweise auf die Popkultur, die einige Szenen des Buches retten. Was aber in den ersten beiden Romanen deutlich effektiver gewirkt hat, wirkt an einigen Stellen auch stark bemüht und zieht den Leser auch wieder aus der Handlung heraus.
Das Hauptproblem ist allerdings der eigentliche Plot. Anfänglich stiehlt er den nordischen Göttern einen goldenen Apfel. Bei der Mission tötet er die drei Nornen und versteckt ihre Körper. Ein gigantisches Eichhörnchen, das Atticus als Reittier benutzt hat, wird dabei auch getötet. Das alleine sollte den Zorn der Götter vor allem der nordischen Götter auf sich lenken. Seine irdische Identität ist nicht mehr sicher und Atticus muss seinen Laden und vor allem kurzfristig auch Oberon aufgeben, den er bei einer besonderen Witwe zurücklässt. Er gibt dem Drängen seines Anwalts/ Werwolfs Leif Halgarsons nach, Thor zusammen mit einem Team von Antihelden zu töten. Thor soll angeblich nicht der edle Held sein, zu dem ihm die Comics machen. Wahrscheinlich war die Grundidee des Romans, eine Parodie auf die Kriegsfilme wie „The Dirty Dozen“ oder Tarantinos „The inglorious Bastards“ zu schreiben. Dazu passt, das die fünf Mitglieder des Angriffsteams ihre jeweilige Geschichte erzählen und damit auch dem Leser unter allen Umständen beweisen wollen, was für ein Schuft Thor in Wirklichkeit ist. Keine der Geschichten wirkt wirklich überzeugend. Sie sollen einen Auftragsmord rechtfertigen. Der Handlungsfluss wird durch diese fünf weinerlichen Episoden nicht nur unterbrochen, sie geben insbesondere Atticus den Anstrich von Authentizität und unterminieren nicht sein Heldenbild. Diese Ambivalenz ist für eine Serie gefährlich. Bislang hat Atticus in erster Linie zum Schutz seiner Existenz und seiner Mitmenschen reagiert. Wenn er attackiert hat, dann nur auf eine selbstironische an Schelmenstreiche erinnernde Art und Weise. Das ist im vorliegenden Band nicht mehr der Fall. Damit aber der Rest des Plots funktionieren kann, muss der Autor die Figur des Thors umbauen. Dabei geht es weniger um die Comicinkarnation, welche viele Facetten dieser ambivalenten mystischen Figur zu positiv darstellt, sondern auch um die Bezüge auf die Legenden. Thor ist ein aggressiver Jüngling mit einem immer wieder aufbrodelnden Temperament, aber auch ausgesprochener Tapferkeit und vor allem Loyalität Odin und Asgards gegenüber. Ihn zu einem Schurken zu machen, funktioniert nicht. Eine Art Trickbetrüger, der sich hinter anderen Wesen versteckt, entspricht nicht seiner Art. In der nordischen Götterwelt gibt es in dieser Hinsicht unbekanntere, aber effektivere Götter, die der Autor hätte nehmen können. Nur leider funktioniert Thor in der cineastischen Gegenwart wahrscheinlich am Besten, so dass die „Realität“ so gebogen und die Figur so umgeschrieben werden muss, das es passt. Dazu minimiert man Thors Charakter und versucht gleichzeitig die potentiellen Helden zu erhöhen. Selbst wenn diese freie Assoziation funktioniert hätte, besteht beim vorliegenden Roman ein weiteres Problem. Er baut keine echte Spannung auf. Während im Nachwort von einem dramatischen mit viel Herzblut geschriebenen Showdown „gesprochen“ wird, fehlt den eigentlichen Kampfszenen eine innere Dynamik, eine Originalität und wie schon mehrfach angesprochen eine Dreidimensionalität, welche als Gegengewicht zur sich zu langsam, zu phlegmatisch entwickelnden Handlung genommen werden könnte. Wie es sich für derartig einfache gestaltete Geschichten gehört, muss der Leser entweder von den einzelnen Protagonisten, der Umgebung oder schließlich der finalen Auseinandersetzung gefesselt werden. Keine dieser Komponenten funktioniert wirklich gut.
Schlimm ist, das dabei Potential einfach verschenkt wird. Die wachsende Beziehung zwischen Atticus und Granuaile wäre ein klassisches Gegengewicht. Anstatt sich ihrer Ausbildung oder den ersten Erfahrungen zu widmen oder Rebecca vielleicht während der ersten Tage in ihrem übernommenen Laden mit exzentrischen Kunden verzweifeln zu lassen, fegt der Autor durch diese emotionalen, den in zwei umfangreichen Büchern aufgebauten Hintergrund negierenden Passagen ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn er im Gegenzug während der Mission entsprechende Szenen eingebaut hätte, wäre diese Oberflächlichkeit vielleicht noch zu verschmerzen, aber in der vorliegenden Konstellation wirkt die Vorgehensweise leider sehr lustlos.
„Gehämmert“ wirkt zusammenfassend insbesondere im Vergleich zu den ersten beiden Büchern deutlich sprunghafter und weniger nachhaltig geplant. Vielleicht liegt es an dem nicht überzeugenden Plot, in dem der Autor zu viele Komponenten zu Recht biegen muss, anstatt wie in den ersten Abenteuern des eisernen Druiden vorhandene Mythen in ihrer Komplexität einfach in eine gänzlich andere Atmosphäre zu übertragen. Der Reiz dieser Urban Fantasy Geschichten besteht ja auch aus der Tatsache, dass die Realität mit den Legenden konfrontiert wird. Auf der anderen Seite gibt es wenige Bücher, die ein Kommandounternehmen in das Herz Asgards beschreiben, in dessen Verlauf mit Thor einer der wichtigsten Götter getötet werden soll. Vielleicht ist „Gehämmert“ auch nur der überambitionierte Versuch, die Chroniken des eisernen Druiden in eine neue spannendere Richtung zu lenken. Bitter ist, das mit dem Auftreten des schmerzhaft vermissten Oberon im Schlusskapitel der Esprit, die pointierten Dialogen und vor allem die Konfrontation zwischen Mythen – ein nicht mehr Alkohol trinkender Geist ? – und der Realität so überzeugend, so spritzig und vor allem schmunzelnd beschrieben worden ist, wie es sich der Leser über den ganzen Roman hinweg immer wieder gewünscht hätte. „Gehämmert“ ist leider das bislang schwächste Buch dieser Serie.
Aus dem Englischen von Alexander Wagner und
Friedrich Mader (Orig.: Hammered, The Iron Druid Chronicles 3)
1. Aufl. 2015, 366 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-93933-0Klett Cotta