
“Standhaft” ist der insgesamt zehnte der im „Die verlorene Flotte“ Universum bzw. vierte Roman hinsichtlich des Ablegers. Inzwischen hat sich beim Autor Jack Campbell allerdings auch eine gewisse Routine eingeschlichen, so dass der Leser nicht immer von jeder Entwicklung nachhaltig überrascht wird und die Weiterentwicklung einiger wichtiger Nebenfiguren im wahrsten Sinne des Wortes schleift. Im Mittelpunkt dieses Buches steht der Besuch der alten Erde. Während Campbell insbesondere hinsichtlich der allerdings auch bekannten Muster folgenden Odyssee der verlorenen Flotte unter einem gerade erweckten Kommandanten alte militärische Tugenden in eine unruhige Zeit übertragen konnte, fällt es dem Autor sichtlich schwer, der Erde ein exotisches und gleichzeitig politisch vertrautes Flair zu schenken.
Gearys Auftrag ist es, zwei wichtige außerirdische Repräsentanten zur Erde zu bringen. Ein Großteil dieser Reise wird eher beiläufig abgehandelt. Bevor sie allerdings wieder zu ihrem Stützpunkt zurückfliegen, fehlen zwei seiner Offiziere. Die Suche nach den Vermissten führt Geary zu einigen Brennpunkten, die Jack Campbell eher mechanisch und oberflächlich abhandelt. Ohne Frage verzichtet der Autor zu Lasten eines grundsätzlichen Spannungsaufbaus und vor allem zu Gunsten kurzzeitiger Actionszenen auf das sorgfältige Szenario, das er sich in den ersten sechs originären Bänden der „verlorenen Flotte“ aufgebaut hat. Der Anschlag des Attentäters genau wie das Eingreifen der Space Marines kann der Leser noch verkraften. Aber wenn dann über die Kürzungen der Budgets in Friedenszeiten diskutiert wird, geht die Authentizität der Serie fast gänzlich verloren. Stattdessen hat man das Gefühl, als versuche Campbell mit der gegenwärtigen amerikanischen Regierung abzurechnen und die militärischen Anstrengungen in unsicheren und politisch ambivalenten Zeiten unbegründet in den Himmel zu loben. Da Campbells Erde ein wenig an das alte Rom erinnert, ist diese Vorgehensweise nicht einmal unüblich, sie führt aber im Grunde ins Nichts. Schon in den letzten Romanen des anfänglichen Sechsteiler war das Gefühl verstärkt vorhanden, dass es um persönliche Eitelkeiten ging und nicht um den Schutz der Menschen vor in diesem Fall außerirdischen Gefahren. Es ist interessant, dass Campbell diesen Faktor im Grunde eher sporadisch und dann nicht nachhaltig genug einsetzt. Wie die Gegenwart zeigt, sind die politischen wie militärischen Interessen von den Grundbedürfnissen der ihnen anvertrauten Menschen verschieben, aber sollte der Autor wirklich dieser Idee folgen, dann fehlt das Aha- Erlebnis, der „Durchbruch“. Zu sehr bleibt einiges angedeutet und zu wenig extrapoliert. Kaum ist diese Handlungsebene „abgeschlossen“ und der Autor hat sich entschlossen, laufende Ereignisse eher abrupt zusammenzufassen als nachhaltig zu erläutern, liegt der Fokus wieder auf den militärischen Aktionen. Die Übergänge wirken sehr abrupt und nicht immer ausreichend geglättet. Auch Versuche Krieg als letztes Mittel der Auseinandersetzung zu charakterisieren, gehen im Geschehen verloren. Auf der einen Seite wird ein Waisenhaus besucht, auf der anderen Seite die Gefahr von den verschiedenen außerirdischen Rassen ausgehend überbetont, während die Serie in erster Linie von den Ränkespielen zwischen den einzelnen politischen Gruppierungen lebte. In Campbells Universum ist der Mensch immer noch sein eigener größter Feind. Wenn am Ende die Spur zum Mond Europa führt, auf dem kein Mensch landen darf, wird Geary auf der einen Seite in ein moralischer Dilemma gebracht, was auf der anderen Seite zumindest in der Praxis eher Theorie ist. Sein Schiff und seine Besatzung für zwei verschwundene Mitglieder zu opfern, sollte kein Thema sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Jack Campbell wie in letzter Zeit öfter mit den ungewöhnlich offenen Enden auf der einen Seite eine Erwartungshaltung im Leser erweckt, die er umgehend im folgenden Roman unterminiert. Dabei stellt sich insbesondere hinsichtlich des Mondes Europa ein weiteres interessantes Thema vor. Eine Welt, die anscheinend durch einen von Menschen erzeugten Virus jeglicher Technik beraubt worden ist. Und um dieses Virus unter Kontrolle zu halten, ist die Quarantäne ausgesprochen worden. Gegen Ende wird wieder ein neuer Gegner etabliert, der anscheinend nur auf Geary und seine Leute wartet.
Positiv im ganzen Roman ist, dass Jack Campbell sich wieder auf die Grundfesten der Serie konzentriert und Geary wieder mehr in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Wie schon angedeutet wirkt der Papierkampf vor allem für einen alten Recken eher humorvoll und parodistisch, aber durch den gemeinsamen Aufenthalt auf der Erde wird Gearys Beziehung zu seiner leidgeprüften Frau auch außerhalb der militärischen Hierarchien ein wenig lockerer und vor allem menschlicher beschrieben. Ohne Gesichtsverlust dient diese Vermenschlichung des bisher unfehlbaren Kommandanten dazu, das Szenario zumindest kurzzeitig humaner erscheinen zu lassen. Campbell nimmt sich auch positiv Zeit, die Nebenfiguren ein wenig dreidimensionaler und nicht nur ausschließlich funktionell zu charakterisieren. Unabhängig von dieser Tatsache vertraut Jack Campbell aber auch bekannten Handlungsmustern. Es spielt keine Rolle, welcher Herausforderung er begegnet. Immer wieder hilft ihm das Querdenken. Natürlich hat er quasi Jahrhunderte verschlafen und natürlich hat sich die Menschheit nicht zu ihrem Besten weiterentwickelt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass nur Geary immer alleine die richtige Antwort hat, ist sehr gering. Zusätzlich verfällt der Autor in ein schon in der Vergangenheit wenig variiertes Muster, das spätestens mit den letzten Abenteuern ermüdend erscheint. Alleine die Idee, dass er aufgrund seiner neuen Mission auf sein in „Ehren“ ergrautes Raumschiff verzichten und an Bord eines anderen Kriegsschiffes wechseln muss, unterscheidet den Roman von den letzten Abenteuern der Serie. Viel Zeit für Sentimentalitäten hat der Autor allerdings nicht.
„Standfest“ zeigt zusammenfassend die Stärken und Schwächen dieser inzwischen zu stark aufgesplitterten Serie. Der Fokus liegt wie es sich für Military SF anscheinend gehört auf den Schultern eines im Grunde überdimensionalen Helden, der an fast allen Orten zu gleich zu sein scheint, an denen etwas passiert. Zu den Schwächen gehört, dass Jack Campbell immer wieder kleinere, nicht einmal uninteressante, aber niemals wirklich originelle Szenarien entwirft und extrapoliert, während er sie selten zufriedenstellend abschließen kann. Es scheint, als wenn die nächste Idee den laufenden Plot zur Seite drückt. Ebenfalls frustrierend ist sein Hang zu Cliffhanger, die den Käufer seiner Bücher gegenüber unfair sind. Auch wenn die Romane Bestandteil einer Serie sind, gehört es sich den Käufern der Bücher gegenüber, wenigstens den Handlungsteil zufriedenstellend abzuschließen und vielleicht Hinweise auf das nächste folgende Buch zu platzieren. Stattdessen wird der Leser förmlich aufgefordert, die Fortsetzung zu kaufen, um das Ende des laufenden Handlungsbogens zu erfahren. Ebenfalls enttäuschend ist, dass Campbell offensichtlich alle roten Fäden schon seit einigen Romanen nicht mehr vorantreiben möchte, sondern sich lieber in Wiederholungen und vor allem weiterhin Diskussionen um Gearys Schläferzeit verzettelt. Inzwischen sollte es kein Misstrauen seiner Person gegenüber geben. Darum fühlt es sich so an, als wenn Campbell nur Seiten füllen wollte. Ebenfalls auffällig ist der teilweise belehrende Ton, in dem Campbell nur nicht Situationen aus den vorangegangenen Romanen eher sinnfrei wiederholt, sondern vor allem nachträglich noch einmal Motivationen für Handlungen abfragt, die inzwischen wie im richtigen Leben nicht mehr zu ändern sind. Alleine die Auseinandersetzungen im All werden wieder mit militärischer Präzision im Vergleich zu einigen anderen Military SF Serien überzeugend beschrieben. Zusammengefasst zeigt „Standfest“ leider überdeutlich die Ermüdungserscheinungen der Serie und der Autor Jack Campbell sollte sich überlegen, den Plot in andere Richtung deutlich kompakter und vor allem wieder rasanter zu entwickeln sowie seine Leser als erwachsene Menschen ohne Gedächtnisverlust zu behandeln.
- Taschenbuch: 528 Seiten
- Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch); Auflage: Aufl. 2015 (16. April 2015)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3404207963
- ISBN-13: 978-3404207961
- Originaltitel: The Lost Fleet: Steadfast