Das Komitee

Neal Asher

Neal Asher ist als Autor alter, vielleicht auch routinierter, aber nicht ruhiger oder unpolitischer gewesen. In diesen Aspekten unterscheidet sich die mit „Das Komitee“ beginnende Trilogie nicht von seinen bisherigen, in fernster Zukunft spielenden „Polity“ Romanen. Vielleicht kann man den vorliegenden in näherer, aber politisch doch abstrakter Zukunft spielenden Band als Startpunkt für die eigentliche Serie sehen, denn hintergrundtechnisch unterscheidet sich nur wenig von seinen späteren Actionabenteuern. Hier liegen eine Stärke und gleichzeitig auch eine Schwäche des Buches, denn der Leser erwartet von einem sich wandelnden und vor allem auch weiterentwickelnden Neal Asher mit einer neuen Serie deutlich mehr als es der vorliegende Roman zum Ausdruck bringen will. Nicht selten insbesondere im ersten Drittel des sehr hektisch, aber nicht unbedingt temporeich erzählten Plots scheint sich der Autor selbst über die Schultern zu schauen, ob er den Weg weitergehen möchte oder nicht.

Der Auftakt ist klassisch, um nicht von klischeehaft zu sprechen.  Von H.G. Wells über Heinleins Frühwerk bis zu den verschiedenen Pulpgeschichten wird ein Mann aus seiner „Zeit“ gerissen, um wie ein Phoenix aus der Asche empor zu steigen. Diese einfachen Ideen, die Ashers Romane auszeichnen, verziert er mit einer verwirrend bizarren Zukunft. In seinen martialischen Kriegsabenteuern funktioniert das ohne Frage besser als in dieser eher einfachen Geschichte, die aufgrund ihrer politisch fragwürdigen schwarzweiß Zeichnung seine grundlegenden Schwächen deutlich offenbart. In der ersten Hälfte erzählt Asher die Vorgeschichte Alan Sauls, der wegen seiner politischen Einstellung in einer überbevölkerten Welt zum Tode verurteilt worden ist. Kurz vor seiner standartisierten Hinrichtung erwacht Saul ohne Gedächtnis, flüchtet spektakulär und findet sich plötzlich mit einer künstlichen Intelligenz namens Janus in seinem Hirn in mehrfacher Hinsicht auf der Straße wieder.  Während sein Protagonist quasi von einer Art imaginären Thron buchstäblich in der Gosse landet, zeigen die ersten Absätze eines jeden Kapitels den Aufstieg des „Komitees“ auf, das die Erde schließlich unterdrückt und die Problematik einer unglaublichen Überbevölkerung von mehr als 18 Milliarden Menschen zu lösen sucht.  Aus dieser Tyrannei einer Oligarchie wird später – leider nicht im vorliegenden Band – eine Gruppe von Schurken, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt, eine Art Überheld  mit dem Beinamen „Besitzer von Welten“ und ein offener Cliffhanger, der angesichts der vergangenen Seiten eher frustriert als unterhält.  Beginnt der Leser mit der Gruppe von Schurken. In seiner eindimensionalen Zeichnung dieser Oligarchien begeht Neal Asher erstaunlich viele Fehler. Sie sind erstens zu eindimensional und in ihrem Handeln eingeschränkter als mancher James Bond Antagonist. Der Autor verzichtet darauf, ihnen vor allem in der wichtigen Anfangsphase des Romans ein oder mehrere Gesichter zu geben. Die Zeiten, in denen der Leser zufrieden nickend einen Schurken einfach nur als Schurken anerkannt hat, weil er „böse“ sein muss, sind vorbei. Viel schlimmer ist, dass Neal Asher dabei beginnt, die Phrasen zu dreschen, mit denen die Boulevardmedien auch heutige politische Entwicklungen eindimensional und oberflächlich zu kommentieren suchen. Erst verschmelzen die „Politiker“ – ein Begriff, den Asher eher mit Abscheu verwendet -  die einzelnen Nationen zu einer einzigen Mischmaschblase, bevor sie die Rechte des Individuums auslöschen, die einzelnen Menschen überwachen und kontrollieren. Schnell gibt es die entsprechenden Eingreifkräfte und den Gedanken der Massentötung, um dem Rest der Menschheit ein Überleben in einer Art künstlich eingefrorenen Wohlstandssozialismus zu ermöglichen.  Mit seinem allwissenden und arroganten Ton in den Einführungsabschnitten eines jeden Kapitels unterbricht der Autor den Lesefluss seines ansonsten solide geschriebenen Romans. Der Leser kann seine Floskeln nicht unbedingt einordnen, denn wo ist der Unterschied zur Gegenwart, wenn kleine Skandale schnell große Katastrophen aus der Presse vertreiben? Wenn B- Promis wichtiger sind als tragische Schicksale unbekannter, damit auch nicht unbedingt gleichzeitig unbedeutender Menschen? Und wie  erfolgt eigentliche eine Zensur in seiner zumindest in der Theorie in die Zukunft extrapolierten Technik mit unzähligen intelligenten Hackern? Paranoid, depressiv, brutal, dunkel, kalt sind alles Facetten dieser Zukunftswelt, vor deren Hintergrund man eine gute Geschichte erzählen kann. Aber wie der eigentliche Plot wirkt dieser Hintergrund enttäuschend offensichtlich konstruiert und vor allem eindimensional entwickelt. Es lässt sich trefflich argumentieren, dass ein Autor in seinen Büchern ohne Frage das Recht hat, ein politisches Statement abzugeben. Dabei spielt es auf den ersten Blick keine Rolle, welche ggfs. Auch politisch extreme Richtung der Autor einnimmt. Das Recht auf Meinungsbildung muss ihm zugestanden werden. In dieser Hinsicht gehört Asher zu den erzkonservativen – höflich gesprochen – Autoren. Zum Problem wird diese Art von Statement nur in einem Fall. Wenn der Autor einen Helden etabliert, der gegen das Unrechtsregime vorgehen soll und muss, der Autor aber nicht unbedingt hinter dieser opportunistischen Revolution steht. Und das scheint bei „Das Komitee“ der Fall zu sein. An einigen Stellen hat der Leser das Gefühl, als kämpfe sein Alan Saul zu einem Kämpfer gegen Windmühlen und den grundlegenden Handlungsstrang deswegen auch zu grau und durchschnittlich.  Interessant ist auch, dass Asher das Komitee auf einen MANN reduziert und damit den Konflikt wieder personalisiert. Auch diese Wendung wirkt zu wenig nachhaltig vorbereitet, widerspricht zum Teil auch den einleitenden Worten in verschiedenen Kapiteln und hinterlässt zu viele Fragezeichen, die in den folgenden beiden Romanen unbedingt beantwortet werden müssen.

Sehr viel interessanter ist eine zweite Handlungsebene, die auf den ersten Blick absichtlich nicht in die laufende Handlung eingebaut zu sein scheint.  Auf dem Anatares befindet sich eine Marsbasis. Das Komitee verlässt diese Basis und überlässt die Mannschaft ihrem Schicksal. Ihre Untergebenen erhalten entsprechende Instruktionen, die angesichts des stetig brutaler werdenden Kampfes um das Überleben und einhergehend damit auch die Kontrolle über die Basis wie ein Hohn erscheinen. Es ist interessant, dass der große Kampf Sauls gegen das Komitee sich im Kleinen in dieser Nebenhandlung sehr viel intensiver, actionreicher und vor allem frei von politischer Propaganda besser entfalten kann.  Neal Asher versucht sich in diesen Szenen neutral zu halten und orientiert sich eher an Robert A. Heinlein in Kombination mit Paul McAuley. Das wirkt wie ein Widerspruch, aber in dem der Autor seine Figuren von der Last des Komitees quasi befreit agierend wirkt auch eher weniger überambitioniert. Zu sehr ist die Grundmotivation erkennbar, im Gewand eines Thrillers ein politisches Manifest zu schreiben und zu wenig nachhaltig sind im vorliegenden ersten, die ganze Trilogie ohne Frage nicht unbedingt vertretenden Buch die einzelnen Positionen herausgearbeitet.

Der Schritt aus den Tiefen des Alls fällt Neal Asher sehr schwer. In der vorliegenden Form wird „Das Komitee“ seine Stammleser zumindest verblüffen, nicht unbedingt enttäuschen. Den größten Vorwurf, den er sich allerdings machen muss, ist die fehlende Originalität bei der Konzeption des Plots in Kombination mit seinem sprunghaft hektischen, ohne Frage auch unorthodoxen, aber inzwischen auch abgenutzten Stil. Zu einem neuen Neal Asher hätte auch eine neue Erzählerstimme gehört. Aber wie vieles an diesem Buch ist auch das noch Stückwerk und muss unbedingt im Mittelteil der Serie verbessert werden. 

    

  • Verlag : Bastei Entertainment
  • ISBN: 9783838754000
  • E-Buch Text: 480 Seiten
  • Sprache: Deutsch