
Mit „Eine neue Erde“ beginnt laut Klappentext eine „neue Ära“. Auf der Rückseite steht, dass es sich um den dritten Roman der Miniserie „Protektorat Erde“ handelt, in der Innenseite, dass die Handlungsebene „Epetrans“ bis zum „Neo“ 72 ging und nicht wie in der Realität bis zur Nummer 74. Das Chaos zieht sich eigentlich durch den ganzen Roman durch. Zeiten sind in „Neo“ relativ und der Leser beginnt sich zu fragen, wo Perry Rhodan und seine Mannen die ganze Zeit auf dem Rückflug von Arkon zur Erde geblieben sind. Das sie nicht den richtigen Kurs gesteuert haben, ist nachvollziehbar. Das sie aber je nach Zeitangabe des Romans vom Befehl Arkons ausgehend mehr Zeit als eine einfache Rückreise gebraucht haben, um die Erde zu erreichen, sie zu besetzen, mit dem Bau eigener Bauten wie dem Gefängnis in Irland oder neben der ehemaligen Hauptstadt Terranias mit einem Kelch zu beginnt, erscheint selbst angesichts der Ausdehnung des arkonidischen Imperiums und der diesen Angaben folgenden Unregierbarkeit aufgrund der Entfernungen, die Flotten benötigen, unwahrscheinlich, dass Rhodan so spät erst ankommt. Viel spannender und logischer wäre es gewesen, wenn diese Grenzpatrouille die Erde gleichzeitig mit Rhodans Gastspiel auf Arkon entdeckt und besetzt hätte. Dann wären die Daten unterwegs nach Arkon, während Rhodan fleißig Epetrans auslöscht. Auf die Imperatrice hätte der Plot gut verzichten können und eine Entdeckung des Wega Systems hätte aufgrund der geringen vorhandenen Truppenstärke erst nach einer Befriedigung der Erde erfolgen können. Das wäre in sich logischer gewesen, aber Frank Borsch liebt es ja kompliziert.
Fest steht, Rhodan ist zur Erde aufgebrochen, als die Kurtisane Theta zur neuen Herrscherin der Arkonidenreiches Imperatrice Emthon V. geworden ist. In der Zwischenzeit muss sie ja in der Theorie auch die elyssischen Welten besucht haben, da sie sich ja Imperatrice und nicht Regentin nennt. Während des Rhodan Heimflugs ist die Erde von einer kleinen, eher antiquierten Einheit der Arkoniden besetzt und zum Protektorat ernannt worden. Die Zerstörung der Daten im Epetrans Archiv war also sinnlos. Hinzu kommt, dass die Arkoniden im Vorfeld der Invasion auch das Wegasystem in unmittelbarer Nähe der Erde untersucht haben und als einer der zahllosen kryptischen Vorgriffe auf weitere Erklärungen aufgrund des ausdrücklichen Befehls der Imperatrice ignoriert worden ist.
Die kleine Grenzpatrouille besetzt die Erde, schlägt den Widerstand der 2000 Naats nieder und zerstört dabei Terrania. Der Stardust Tower wurde nur leicht beschädigt. Während Administrator Adams mit den Besatzern kooperiert, fliehen die fünf übergelaufenen Naat Kreuzer. Die Arkoniden herrschen auf der Erde mit einer Doppelspitze. Ungewöhnlich in den bisherigen Strukturen, da selbst der Naat Planet nur einen arkonidischen Verwalter erhalten hat. Aber mit dieser für die Menschen auf den zweiten Blick „guten“ Lösung wird zumindest der Handlungsfaden am Leben erhalten. Der Reekha Chetzkel ist ein Militarist der alten Schule. Er hat sich seinen Körper umoperieren lassen und erscheint als Schlage mit Raubtiergebiss und Schuppenhaut. Der bepelzte mit einem 2 Meter langen Schwanz versehene Hominide inklusiv Fledermauskopf Satrak ist für die zivilen Bedürfnisse zuständig. Es ist erstaunlich, dass die sehr kleine arkonidische Grenzpatrouille zwei derartig unterschiedliche, aber auch charismatische Kolonialregenten im Gepäck mit geführt hat. Von Arkon oder anderen Welten konnten sie in der vergangenen, an Rhodans Reise gemessen relativen Zeit kaum kommen. Der erste Konflikt zwischen den beiden Männer findet an der Explosionsstelle der AETRON statt. Reekha empört sich, dass der Angriff der Menschen erfolgreich gewesen ist. Seine Position steht in einem krassen Widerspruch zu den bisherigen Ereignissen der „Neo“ Serie. Bedenkt der Leser im Vergleich zu Frank Borsch, was alles im Arkonsystem von technologisch primitiv ausgerüsteten Rebellen zerstört worden ist – alleine der Ring um den Planeten sei hier genannt – erscheint dessen Empörung vor allem angesichts einer aggressiv erobernden Rasse wie den Arkoniden kindisch. Hier versucht der Autor einen Sturm im Wasserglas zu entfachen und im Grunde nur die Seiten zu füllen.
Da „Eine neue Erde“ im Grunde nur über zwei Handlungsebenen verfügt, ist klar erkennbar, dass diese am Ende des Romans zusammengefasst werden. Pery Rhodan, Bull und der neue Superroboter Tai´Targ, der absurder weise die Arkoniden verehrt und jetzt offensichtlich ohne weitere Erklärungen in „Deus Ex Machina“ Manier natürlich um Rhodan eine Minichance zu geben gegen sie handelt, landen heimlich auf der Erde, während sich ihr Raumschiff auf die Suche nach der verschwundenen Erdenflotten macht.
Auf der Erde kümmert sich Eric Manoli um den im Koma liegenden Senior- Perry, der plötzlich erwacht. Am Ende des Romans löst Frank Borsch nicht nur das Geheimnis um diesen Rhodanos, er „vernichtet“ anscheinend diese Figur auch wieder. Hier liegt vielleicht eine weitere Schwäche nicht nur dieses Romans, sondern der ganzen Handlungsebene. Die Figur ist schlicht und ergreifend überflüssig. Erst einmal wird wieder auf die Idee einer Zeitreise zurückgegriffen, um Rhodan natürlich wieder kryptisch über zukünftige Ereignisse zu informieren. In der Erstauflage hat das meistens die Superintelligenz „ES“ gemacht, in „Neo“ haben die Leser auch och Erst Ellert zur Verfügung. Rhodanos ist anscheinend ein weiterer Duplo, der über eine körpereigene Superwaffe in David Cronenberg Manier verfügend im Grunde sich aus allen schwierigen Situationen rettet. Die spätere Begegnung der beiden Rhodans offenbart, dass das Original die Gegenwart verändern muss, um diese Variation der Zukunft zu verhindern. Wieder wird wie beim Epetrans Archiv auf verschiedene Variablen zurück gegriffen, wieder wird vor ES gewarnt und wieder wird es im Verlaufe der gedehnten Handlung einen Knotenpunkt geben, der Rhodan die Arbeit erleichtert. Anstatt die interessanten, wenn auch chronologisch dummdreist integrierte Idee einer besetzten Erde weiter auszuarbeiten und bodenständig zu entwickeln – der Leser darf nicht vergessen, dass Atlan im Arkonsystem immer noch rebelliert und sein Sieg auf einen Schlag die „Befreiung“ der Erde bedeuten könnte – versucht sich Frank Borsch wieder an einer Art Überbau, der möglichst viele Ideen der alten Rhodan Serie auf den Kopf stellen als überzeugend nutzen soll.
Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt, den Frank Borsch bislang übersehen hat. Rhodan soll im Mittelpunkt vieler zukünftiger kosmischer Ereignisse stehen, die Figur in der vorliegenden Inkarnation ist es allerdings nicht wert. Auch hier kommt Rhodan bei der Befreiung der Gefangenen trotz Superroboter zu spät. Auch hier muss Rhodan unter Selbstopferung Rhodanos gerettet werden. Auch hier wird wieder umständlich ihm eine Botschaft gebracht, die er eher zögerlich akzeptiert und noch schwieriger umsetzt. Immer wieder muss diesem „Neo“ Rhodan stellvertretend für den Leser erklärt werden, welchen Weg er gehen soll. K.H. Scheer hat auf diese Vorgriffe verzichtet und seinen Rhodan agieren lassen. Die Spannung entwickelte sich aus den Missionen heraus. Zwar waren auch bei seinem Team und ihm Schwierigkeiten intrigiert und manche Wendung wirkte unglaubwürdig, aber der Leser hatte zumindest das Gefühl, die Handlung entwickele sich auf Augenhöhe. Dieses Hin- und Herspringen – der Cliffhangar bedarf sehr vielen und vor allem überzeugenden Erklärungen – mit einer phlegmatisch verlaufenden Handlung hilft nicht, „Neo“ spannend oder auch nur interessant zu machen.
Am Ende der Lektüre weiß der Leser auch, warum die Arkoniden zwar Anführer brauchen. Während Chetzkel den harten Hund spielt, hätte der sich in letzter Sekunde rettende Satrak mit ein wenig mehr inneren Schwung Rhodanos besser festsetzen können. Die Sicherheitsmaßnahmen sind unabhängig von der körpereigenen Superwaffe, die am Ende des Romans auf den Original Rhodan übergeht, ein Witz und die Flucht Rhodanos erscheint unglaubwürdig. Vor allem kommt ein bisschen schlechter Geschmack auf. Das Gefängnis liegt in Irland und einige der Rebellen fühlen sich der Tradition der „IRA“ verpflichtet. Ob man wirklich eine Terrororganisation in einem Zusammenhang mit einem fiktiven Freiheitskampf nennen muss, sollte jeder selbst wissen. Aber nach seinen verbalen Entgleisungen im Perry Rhodan Roman „2500“ hinsichtlich der Entbehrlichkeit von Soldaten die zweite Entgleisung von Frank Borsch. Vielleicht hätte man eher das Gefängnis nach Schottland verlegen und die „Braveheart“ Tradition beschwören sollen. Hoffentlich führt der Weg nicht nach Arkon zurück. Das wäre angesichts der vielen Taschenhefte, die dort schon gespielt haben, ein Rückschritt für die Serie. Die Idee, dass Perry Rhodan nicht triumphierend zurück kehrt, sondern eine besetzte Erde vorfindet, ist nicht nur das Spiegelbild der Erstauflage. Viel mehr ist das einem anderen Heftroman Helden auch passiert: Ren Dhark.
Ein weiteres kontinuierliches Problem der Serie ist nicht nur die Doppelung von Ideen- siehe die Duplos -, sondern das anscheinend überraschende Auftreten von zu lange verschwundenen Charakteren am Ende eines Romans, um die Leser zum Weiterkaufen zu animieren. „Eine neue Erde“ hätte ein innerer Neustart nach dem schwachen „Arkon“ Blödsinn sein Können. Selbst die Ironie, dass alles vergebens gewesen ist, hätte „Neo“ gut zu Gesicht gestanden. Herausgekommen ist, dass Frank Borsch nicht in der Lage ist, einen Plot stringent und vor allem ohne sinnlos nach Versatzstücken der alten Serie zu greifen, erzählen kann und der vorliegende Roman unübersichtlich und leider auch wieder sehr langweilig ist.
Pabel Verlag, Taschenheft, 160 Seiten
Erschienen 01. August