Cotton Reloaded 19- Unter Verdacht

Alexander Lohmann

Alexander Lohmanns "Unter Verdacht" - "Cotton Reloaded 19" - beginnt für routinierte Serienleser sehr unglücklich. Cottons Kollegen versammeln sich am Grab des FBI Agenten und trauern um ihn. Nicht eine Sekunde glaubt der außenstehende Betrachter, dass Cotton wirklich im Dienst gestorben ist. Mit dieser angeblichen Schockszene beginnend springt die Handlung einige Tage in die Vergangenheit. Das Aufgeben der chronologischen Struktur tut dem ansonsten geradlinigen, aber rückblickend auch ein wenig zu kompliziert konstruierten Plot sehr gut. Einen Kritikpunkt muss sich Alexander Lohmann allerdings von Beginn an gefallen lassen. Geht man davon aus, dass trotz der abgeschlossenen Fälle das "Cotton Reloaded" Universum in sich abgeschlossen sein sollte, dann funktioniert die Argumentation der Antagonisten hinsichtlich der monetären Situation überhaupt nicht. Alleine in den ersten zehn "Cotton Reloaded" haben die Agenten von Mr. High mehrere Aktionen von semireaktionären weißen erzkonservativen Gruppen gegen die bestehende demokratische Ordnung verhindert. Egal wie schwer der Autor argumentiert, dass rechte Gefahrenpotential in der Homeland Paranoia ist in der "Cotton" Serie deutlich stärker aktiv als in der Realität. Unabhängig von der schwachen Gedankenkette und der ebenfalls bekannten Idee, durch gesetzeswidrige Aktionen die entsprechenden politischen Reaktionen zu provozieren, würde sich der legislative Moloch hinsichtlich der potentiellen Gefahrenobjektes weiterhin nach innen wenden und nicht unbedingt nach außen weitere Mittel freigeben. Und bedenkt man, über welche Milliarden man spricht und wie "überschaubar" die von Mr. Hugh geführte Abteilung in Wirklichkeit ist, erscheint die Idee noch verrückter. Nach mehr als zwanzig Heften ist die Aufgabe dieser Spezialabteilung innerhalb des FBIs immer noch ambivalent. Wo greifen sie ein, wenn die normale Polizei überfordert ist - nachvollziehbar - oder anscheinend CIA oder FBI nicht ermitteln können - nicht verständlich? Die Bandbreite der Fälle von "normaler" Massenmörderermittlung bis zu politischen Umstürzen, in die insbesondere Jeremiah Cotton mehrfach nur hineingestolpert ist, erscheint zu weich skizziert und noch ambivalenter von Roman zu Roman dargestellt.

Vor einem Imbisslokal explodiert eine Bombe. Der Fahrer des Wagens ist der Journalist Edward Archer, der Jeremiah Cotton kurz vor seinem Tod einen Tip hinsichtlich korrupter Regierungsbehörde und geheimen Agenten gegeben hat. Cotton fürchtet um die Anonymität des G- Teams. Zusammen mit Decker beginnt er zu ermitteln, aber alle Spuren für zu ihm zurück, bis Mr. High nichts anderes übrig bleibt, als Jeremiah Cotton zu beurlauben.

Wie die ersten Paranoia Romane der "Cotton Reloaded" Serie, aber deutlich besser strukturiert, gelingt es Alexander Lohmann, eine gewisse Erwartungshaltung aufzubauen. Das alles und jeder überwacht wird ist genauso sicher wie ein elektronischer Datendiebstahl relativ simpel funktioniert. Bei der Konzeption des Romans macht der Autor aber Fehler. Selbst wenn der Leser keine Sekunde glaubt, dass erstens Cotton im Einsatz verstorben ist und zweitens er ein Verräter sein könnte, besteht kein Grund, diese Spannungsschraube durch den Einbruch eines der Handlanger der Täter in Cottons Wohnung für den Leser objektiv aufzulösen. Spätestens ab diesem Augenblick weiß der Leser im Gegensatz zu den durch die Seriengesetze nicht abänderlichen Vermutungen, dass Cotton benutzt und vielleicht auch in mancher Hinsicht missbraucht worden ist. Das sich Cotton niemals seine Post anschaut und so selten in der Wohnung ist, dass der Einbrecher, Identitätsdieb ihm immer zu vor kommt, erscheint wenig plausibel. Auch das auf die Spur kommen der Täter erscheint fast zu simpel, wie sich Cotton mit seiner unautorisierten und unorthodoxen Aktion in lebensgefährliche Schwierigkeiten bringt und die Hilfstruppen ebenfalls leider nicht zum ersten Mal trotz oder gerade wegen ihrer technischen Möglichkeiten den Einsatzort spärlich vor untersuchen und deswegen aufgehalten werden.

In Hinblick auf die Antagonisten macht Alexander Lohmann nicht den Fehler, sie zu dreidimensional zu zeichnen, sondern definiert sie alleine durch ihre Handlungen. Immer wenn die Grenze zu "James Bond" artigen umfangreichen Erklärungen überschritten wird, folgt eine Actionszene, was dem gesamten Roman gut tut. Zu den Höhepunkten gehört, dass der Autor exotische Szenen von New York beleuchtet und zumindest während der Konfrontation im U- Boot eine überdurchschnittliche Dramatik insbesondere im Vergleich zu den letzten Abenteuern aufbaut. Hinsichtlich der Ermittlungen des Journalisten müssen die Daten möglichst lange unerreichbar bleiben, damit Cotton, Decker und Mr. High nicht ahnen, dass nicht das G- Team gemeint ist. 

Zusammenfassend ist die Grundidee, unter dem Verdacht zu stehen, ein Verräter zu sein weder originell noch übergreifend betrachtet nuanciert umgesetzt worden. Die Stärken des Romans liegen eher in den kleinen Details und werden durch die Souveränität unterstrichen, mit der Alexander Lohmann das knisternde Nichtverhältnis zwischen Decker und Cotton auch nach einigen Enttäuschungen im Verlauf der Serie wieder in "geordnete" Bahnen lenkt. Zusammengefasst ein solider, kurzweilig unterhaltender Titel der "Cotton Reloaded" Reihe, der die Idee der reaktionären, mit der Politik  nicht zufriedenen inneramerikanischen Kräfte auf eine andere Ebene hievt und in diesem Punkt unabhängig von den angesprochenen Argumentationsschwächen sich wohltuend von den Vorgängern abhebt.   

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1311 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 94 Seiten
  • Verlag: Bastei Entertainment (10. April 2014)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00J2B2G1O
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