Das Rätsel des Silbermonds

Hubert Horstmann

 

Der Apex Verlag hat in seiner Reihe von Kosmologien- Science Fiction aus der DDR den zweiten Roman Hubert Horstmanns neu als Taschenbuch, aber auch E Book aufgelegt.  Auch das erste 1966 veröffentlichte Buch „Die Stimme der Unendlichkeit“ liegt im Apex Verlag vor. 1971 folgte der schon angesprochene Roman „Das Rätsel des Silbermonds“, Vierzig Jahre später als Erstveröffentlichung das historische Werk „Christian Franz Paullini“.  Seit 1972 hat sich Hubert Horstmann auf sekundärliterarische Werke konzentriert. Zwischen 1958 und 1963 studierte er Philosophie und Mathematik, in den achtziger Jahre hatte er eine Professur für Philosophie an der Akademie der Wissenschaften der DDR inne.

In mehrfacher Hinsicht ragt der 1971 veröffentlichte Roman „Das Rätsel des Silbermonds“ aus der üblich utopisch technischen Literatur der DDR  positiv heraus.  Es ist nicht nur die Begegnung mit einer gänzlich fremden Kultur – wobei deren Verhaltensweise für die Besatzungsmitglieder an Bord des Raumschiffs relativ leicht zu erkennen ist -, sondern auch die Zusammensetzung der Crew; der internationale Hintergrund der agierenden Protagonisten und eine Konzentration auf die zwischenmenschlichen Spannungen während der Mission, welche das Buch in vielen Punkten erden.

Ausgangsbasis ist die erste Mission der Menschheit zum Saturnmond Titan. Wie der Klappentext ausführlich beschreibt, wird  der Titan als Silbermond bezeichnet. Die Oberfläche ist eine Wüste aus Amoniakschnee und Methanseen mit einer Oberflächentemperatur von minus 180 Grad. Es ist die erste Reise außerhalb des Asteroidengürtels für die Menschheit, während die inneren Planeten anscheinend gut erkundet worden sind. Der Expedition steht wegen der Position des Saturns und seiner Monde zur Erde nur ein kleines Zeitfenster zur Verfügung, so dass die vier Männer und die französische Ärztin/ Psychologin ein eng getaktetes Programm  absolvieren müssen.

Schon bei der Landung des Beiboots gibt es die ersten Schwierigkeiten. Anscheinend hat ein Sturm die Landeboje fortgeweht, während sich die zwei köpfige Crew mit der nicht genehmigten Erkundung der nahegelegenen berge beschäftigte. Es ist nicht die letzte Abweichung vom auf der Erde minutiös geplanten Vorgehens. Aufgrund der langen Laufzeiten von Funknachrichten ist die Crew sowieso bis auf absolute Notfälle auf sich alleine gestellt.

Hubert Horstmann erzählt den Roman auf zwei Handlungsebenen. Im Vordergrund stehen die Ereignisse auf dem Titan, wobei der Klappentext aller Auflagen dieses Buches sehr weit voraus greifen und Teile des Plots aus dem letzten Drittel des Buches offenbaren. Der Leser muss selbst entscheiden, ob es dem sachlich geschriebenen Buch dadurch an einer klassischen Spannungskurve fehlt oder Zufälligkeiten zu Beginn der Landung schon im richtigen Kontext angesehen werden könnten.  Der Konjunktiv soll unterstreichen, dass der Autor an keiner Stelle abschließende Erklärungen anbietet.

Die Erkundung des Mondes mit einem sehr unterschiedlichen Vorgehen und daraus resultierend entsprechend Konflikten zwischen dem improvisierenden Geologen und dem statisch vorgehenden restlichen Team der kleinen Gruppe wird sehr ausführlich beschrieben. Hubert Horstmann versucht die naturwissenschaftlichen Hintergründe in die Handlung einfließen zu lassen, konzentriert sich aber ansonsten auf eine Reihe von klassischen Situationen wie der Konfrontation mit plötzlich auftauchen Erdspalten, welche die Maschinen verschlucken oder die Gefahr für die draußen operierenden Männer in einem unwirtlichen Klima. Das wird minutiös und durchaus spannend beschrieben.

Auf dieser Basis entwickelt Hubert Horstmann schließlich auch die Kontaktaufnahme der fremden Wesen mit den Menschen, die zwischendurch fast klischeehaft in einem unnötigen Ausbruch von Gewalt gipfelt. In dieser Sequenz hat Hubert Horstmann versucht, Spannung zu erzeugen, was unnötig ist. Es gibt ausreichend Missverständnisse zwischen den fremden Wesen und ihrem Lebensgrund sowie den Menschen, die auf den für ihr Raumschiff geeigneten Flächen landen, um Spannung zu erzeugen.

Während die Raumfahrer stoisch von Herausforderungen durch die Titan Atmosphäre und die bislang unerforschte Oberfläche ausgehen, besteht rückblickend immer wieder die Möglichkeit, das die Titanbewohner die Menschen mit friedlichen Mitteln von ihrer Mission und damit der Störung/ Zerstörung der natürlich Lebensräume abbringen wollten. Hubert Horstmann lässt in dieser Hinsicht einzelne Punkte offen und das relativ abrupte Ende impliziert die Möglichkeit, den Plot in einer weiteren Geschichte zu extrapolieren. Allerdings hat der Autor nach „Das Rätsel des Silbermonds“ keine Literatur im Allgemeinen und keine Science Fiction im Besonderen geschrieben.

Ungewöhnlich ist auch die Zusammensetzung der Crew. Spät in der Handlung macht Hubert Horstmann auch deutlich, dass die Astronauten  Science Fiction Literatur und damit auch die möglichen Begegnungen mit dem Unbekannten in literarisch spekulativer Form kennen. Allerdings greifen die Astronauten an keiner Stelle der Handlung direkt auf diesen Fundus zurück.  Zumindest Stanislaw Lems „Solaris“ war hinsichtlich der Idee, einer Kontaktaufnahme durch eine gänzlich unbekannte und komplett fremdartige Spezis Hubert Horstmann bekannt. Dazu gibt es einige kleinere  Ähnlichkeiten zwischen den beiden Büchern. Und trotz oder vielleicht auch wegen der literarischen Vorkenntnisse macht einer der Astronauten final alles falsch.

Bei der Zusammensetzung der internationalen Crew geht Hubert Horstmann klassische, vielleicht auch klischeehafte Wege. So lehnte der Kommandant ein Angebot der kapitalistischen NASA und ihrer besseren Bezahlung ab, weil er unbedingt an der Mars Expedition teilnehmen wollte. Später kam es zumindest zu einer Akzeptanz der westlichen Organisation, wobei sich der Autor hinsichtlich der grundlegenden Kommandostrukturen ein wenig im Hintergrund gehalten hat. Bis auf die immer wieder angesprochene französische Ärztin mit ihrer Mischung aus verhaltener erotischer Ausstrahlung auf die Crew – sie verhält sich natürlich weiterhin asexuell, auch wenn sie unter den vier Männern einen Favoriten hat, während sie ein anderes Crewmitglied immer wieder anbaggert  - bleiben die vier Männer politisch neutral.  Der Konflikt zwischen dem Kommunismus und dem Kapitalismus ist auf der Erde kein Thema mehr, wobei Hubert Horstmann offen lässt, welches System „gewonnen“ hat. Der Autor ignoriert dieses Thema genauso wie mögliche andere politische Themen. Konflikte zwischen den einzelnen Crewmitgliedern erwachsen ausschließlich aus ihren unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich des Ablaufs der Mission auf dem Titan. Einige Diskussionen entwickeln sich sehr spontan, bei anderen Themen ist der Konflikt im Grunde schon bei der originären Planung angelegt worden. Einzelne Crewmitglieder wollen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner Erfolg haben, während insbesondere der hitzköpfige Geologe einen großen Überblick haben möchte. Es ist erstaunlich, dass diese konträren Auffassungen nicht gleich zu Beginn beim Aussieben der Crew aufgefallen ist. Hubert Horstmann entwickelt diese zwischenmenschlichen Konflikte in einer entsprechenden Extremsituation allerdings sehr spannend und legt auch Wert darauf, seine erstaunlich dreidimensional entwickelten Persönlichkeiten mit den entsprechenden Hintergründen auszustatten.

Hinsichtlich der fremden Lebensform bewegt sich der Autor auf einem schmalen Grad. Sie ist komplett fremdartig in einer extremen Umgebung. Die Menschen sind ausschließlich auf Spekulationen angewiesen, eine echte Kommunikation kann in der Kürze der Zeit nicht stattfinden. Dabei handeln einige der Menschen nicht nur fahrlässig, sondern auch unlogisch. Es handelt sich um ausgebildete Astronauten, die auf Extremsituationen – bis auf die Begegnung mit fremden Lebewesen – ausgebildet worden sind. Warum sie sich trotz entsprechender Warnungen in diese Situation bringen und anschließend auch noch so naiv handeln, ist der Schwachpunkt des Buches. Vor allem, weil die Irrationalität von einem der Männer ausgeht, der bis dahin sehr ruhig, fast stoisch an den entsprechenden Protokollen festgehalten hat. Vielleicht sucht Hubert Horstmann in dieser Situation eine Art Kompromiss, um die oberflächliche Erwartungshaltung seiner Leser zu befriedigen, abschließend aber nicht zu sehr vom roten Faden abzuweichen.

Je mehr der Leser aus Sicht der Astronauten über die Fremden erfährt, je „menschlicher“ und in einem eingeschränkten Masse auch nachvollziehbarer werden ihre Handlungen. Sie verlieren an Faszination. Ein Fehler, den Stanislaw Lem in „Solaris“ nicht gemacht hat.

Es ist eine kleine Schwäche in einem grundsätzlich auch heute noch lesenswerten, für die Science Fiction der DDR in mehrfacher Hinsicht auch ungewöhnlichen Roman mit einem fundiert entwickelten wissenschaftlich technischen Hintergrund, den angesprochenen gut entwickelten internationalen Charakteren und einer stringenten Handlung mit nur wenigen klischeehaft wirkenden Szenen.    

DIE RÄTSEL DES SILBERMONDS: Kosmologien - Science Fiction aus der DDR, Band 3

  • Herausgeber ‏ :  Apex Verlag ‎ epubli; 1. Edition (28. Juni 2019)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 312 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3748567677
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3748567677