Mein Freund vom anderen Stern

Jak Lang

Im Zuge seiner Veröffentlichung der gesammelten Ausgaben der Hauszeitschrift „Die Welt von Morgen“ des Gebrüder Weiß Verlags hat Dieter von Reeken unter anderem auch die Titelbilder utopischen Hardcover und Taschenbücher des Verlages in seiner abgedruckt. Zwischen bekannten Namen wie Hans Dominik, Robert A. Heinlein oder Edmond Hamilton steht mit Jak Lang ein heute vergessener Autor, der in seiner kurzen, tragisch beendeten Karriere nur zwei Romane geschrieben hat: „Mein Freund vom anderen Stern“ (1959 im Gebrüder Weiß Verlag erschienen) und „Freiheit für Henry“, ein  Jahr später erschienen. 

Da es in den gängigen Nachschlagewerke keine Informationen über den Autoren gab und das Buch antiquarisch zu utopischen Preisen selten zu erwerben ist, begann Dieter von Reeken mit der Idee zu spielen, dieses von einem Jugendlichen geschriebene Buch nicht nur für jugendliche nachzudrucken.

Dieter von Reeken hat ein ausführliches Nachwort geschrieben und mit Hilfe der Familie Jakob Jak Langs einiges an seltenem Material zusammengetragen. Gleichzeitig rückt er die Publikationsgeschichte des Buches zu Recht, das zuerst als gebundene Ausgabe im Gebrüder Weis Verlag erschienen ist und erst ein Jahr später in der populären Jugendzeitschrift „Rasselbande“ zwischen dem 13. Februar und dem 30. April 1960 nachgedruckt worden ist. Jakob Lang erlernte nach der Schule den Beruf des Schriftsetzers beim den Münchner Merkur publizierenden Verlag. Nebenbei schrieb er einige kleinere Artikel unter anderem auch für die „Rasselbande“. Bei seinem mit 14 Jahren vollendeten ersten Roman „Mein Freund vom anderen Stern“ kombinierte der 1943 geborene Jak Lang einige populäre Themen mit einer pazifistischen utopischen Geschichte. Jak Lang war anscheinend ein Fan von Karl May – sein Hund ist nach Kara Ben Nemsis Rappen „Rih“ benannt worden – und hat aktiv utopische Literatur gelesen. So zitiert er sogar aus einem der in den fünfziger Jahren publizierten Romane.   

Vom Honorar seines Erstlings kaufte sich Jak Lang seine erste eigene Schreibmaschine. Das Manuskript von „Mein Freund vom anderen Stern“ war noch mit der Hand geschrieben, von einer Verwandten abgetippt und dann von einem Redakteur des Münchner Merkurs an den Gebrüder Weiß Verlag vermittelt worden.

Der Verlag wies auf seinem Klappentext darauf hin, dass dieses „Jugendbuch mit der wohl durchdachten Handlung, Erstlingswerk eines Vierzehnjährigen“ von dem Wirklichkeitssinn unserer Jugend zeugt“ (Zitat).  Die Angst vor dem Atomkrieg, dem Ende der Menschen ist fest in diese Geschichte eingebrannt. Der Gebrüder Weiß Verlag zusammen mit der über eine größere Auflage verfügende „Rasselbande“ schlachteten das Bild des jüngsten Schriftstellers Deutschland mächtig aus. Das Buch ist sowohl in Italien als auch den Niederlanden illustriert erschienen.

Die Medien wurden auf Jak Lang aufmerksam. Er wurde unter anderem in ein Hamburger Fernsehstudio eingeladen, wo er zusammen mit Volker Lechtenbrink – damals ein aufstrebender Schauspieler und später die markante Stimme der „Perry Rhodan“ Hörbücher – sein Buch in der „Aktuellen Schaubude“ präsentierte. Bei einer Umfrage der „Rasselbande“ war Jak Lang eine der der wichtigsten Jugendlichen des vergangenen Jahres und reiste drei Wochen mit anderen Gewinnern durch die USA. Volker Lechtenbrink nahm auch an der Reise teil.

Jak Lang wechselte schließlich die Seiten und wurde vom Schriftsetzer zum Redakteur der Dachauer Nachrichten. Er heiratete seine Jugendliebe und erkrankte zwei Jahre später an Multiple Sklerose. Die Krankheit macht ihn zu einem Pflegefall. Mit knapp über fünfzig Jahren ist Jakob Lang gestorben.

 

Heute noch liest sich „Mein Freund vom anderen Stern“ – in der niederländischen Ausgabe wurde der Merkur direkt im Titel genannt – relativ flüssig. Der jugendliche irdische Titelheld Jak lebt mit seinen Eltern idyllisch in einem Waldhaus.  Sein Vater ist Förster. Neben dem angesprochenen Hund verfügt die Familie auch über mehrere Pferde. Sie stammt also nicht aus der reinen Arbeiterschicht.  Auf seinen Spaziergängen sieht Jak ein seltsames Phänomen und findet schließlich eine Art „Stein“. Erst später wird ihm Red Etug – alle außerirdischen Namen sind Anagramme, der geistige Anführer auf dem Merkur wird simpel als Der Heilige rückwärts betitelt – die Bedeutung dieses Steins als fast allmächtiges technisches Gerät erläutern.

So kann das Gerät die Schwerkraft aufheben, wie der Physiklehrer bei einem für die Schüler inzwischen zur Routine gewordenen Experiment entsetzt feststellen muss. In der Nacht besucht Red Etug seinen Freund und erläutert ihm, das er von dem Stern Merkur kommt. Diese astronomische Fehler – der Merkur ist ja ein Planet und kein Stern – ist vom Verlag damals nicht korrigiert worden. Auch der Nachdruck in der „Rasselbande“ weist weiterhin diesen Fehler auf. Im Laufe des Buches erfährt der Leser noch ein wenig über das Leben auf dem paradiesischen Merkur, das allen Naturwissenschaften widerspricht und diese Science Fiction Geschichte in den Bereich des gelebten Traums versetzt.

In der ersten Hälfte des Buches beschreibt Jak Lang die Freundschaft zwischen zwei Jugendlichen gleichen Alters – bei Red Etug wird das Alter nicht genau definiert - , die gemeinsame Abenteuer erleben. Der Ton wird erst in der zweiten Hälfte des Buches dunkler. Red Etug zeigt ihm das Astrophon, mit denen der Besitzer im Grunde alles machen kann. Es sind Vorläufer vom Handy oder eine Kombination aus Strahlwaffe/ Betäubungspistole. Selbst Feuer können gelöscht werden. Dank des Astrophones können sich Red Etug und Jak Lang auch gleich verständen… der Universalübersetzer ist mit inbegriffen, auch wenn die Merkurwesen die Erde und damit die auch die Menschen seit einer nicht näher bestimmten Zeit beobachten und die Geschehnisse mit Sorge verfolgen.

In der zweiten Hälfte des Buches offenbart Red Etug seinen Plan hinsichtlich des großen „Unters“. Jak ist nur einer von sieben Jungen mit ihren Hunden. Red Etug hat „Freiwillige“ aus allen Kontinenten ausgesucht. Einige der Rekrutierungen konnte Jak Lang mit verfolgen.  Ein Chinese, ein Australier, ein Araber, ein Russe, ein Junge aus Lateinamerika und mit dem Boy von der Ranch auch ein Amerikaner.   Dazu Jak Lang als Europäer bzw. Deutscher. In einzelnen Episoden sind Jak Lang – seine Eltern sind zu Verwandten gefahren und haben den vierzehnjährigen Jungen alleine in der Försterei zurückgelassen ! – und Red Etug immer rechtzeitig zur Stelle, um ihre neuen Kameraden vor der Rekrutierung aus gefährlichen Situationen zu retten. Wie es sich für Jungen am Vorabend der Pubertät gehört, bleiben Mädchen außen vor und Frauen tauchen nur in Person von Verkäuferinnen oder eben der eigenen liebevollen Mutter auf.

Die politischen Spannungen auf der Erde sind größer geworden und es droht ein Atomkrieg, den Red Etug durch die Jungen verhindern will. Aber Jak Lang hat die Geschichte komplexer angelegt. Die Erwachsenen sollen nicht nur lernen, dass ihre Waffen gegenüber der Merkur Technik wertlos sind, sie sollen auch eine ewige Erinnerung an die fremde macht vor Augen behalten.

In der Zusammenfassung wird deutlich, das Jak Lang sich bei seiner Geschichte auch ein wenig an „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ und anderen Science Fiction Filmen.  In dem angesprochenen Film wird die Menschheit vor ihrer eigenen Vernichtung durch die Landung einer fliegenden Untertasse in Washington gewarnt. Um ihre Macht zu unterstreichen, demonstriert Klaatu seine Macht auf eine markante, einzigartige und humanistische Art und Weise. Auch Red Etug zusammen mit seinen Freunden demonstriert den Menschen, über welche Macht die Wesen auf dem Merkur verfügen. Allerdings konzentriert sich Jak Lang auf einen besonderen Ost- West Konflikt. Die Welt wird an der deutsch-deutschen Grenze und gegen eine eher überschaubare Anzahl von Atomraketen gerettet.

Die Kultur auf dem Merkur ist pazifistisch orientiert und selbst der Glaube – Red Etug erwähnt ja mehrmals den Heiligen – ist konfliktfrei. Wie in verschiedenen Science Fiction Filmen beobachten die Fremden das Verhalten der Menschen. Der Zweite Weltkrieg wird nur rudimentär erwähnt, aber Jak Lang erwähnt, das sein Vater im Krieg gekämpft hat. Daher verwundert die Wesen vom Merkur das Verhalten der Menschen, ist aber auch keine grundlegende Überraschung. Jak Lang drückt den Wunsch aller Kinder auf der Erde aus, in Freiheit und Frieden aufwachsen zu können. So hat der russische Junge am meisten Sorge, das seine Angelausrüstung nach dem Besuch Red Etugs und dem Probeflug verloren geht-  Generell sind alle Kinder nicht überrascht. Fliegende Untertassen waren in den fünfziger Jahren in der Presse, aber wie später bei „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ ist es eher die Vorfreude auf die Besucher als blanke Angst, welche die bis auf ganz wenige, dann eindimensional gezeichnete Erwachsene  jugendlichen Helden auszeichnet.

In technischer Hinsicht bleibt Jak Lang – dem Alter geschuldet – ausgesprochen ambivalent. Er setzt Begriffe aus der Science Fiction eher unauffällig ein. So will natürlich der Rancherjunge wissen, was eine fliegende Untertasse antreibt: Benzin, Rohöl oder Atomkraft. Es sind Ultrastrahlen in der Luft, welche Jak Lang anschließend mit Sonnenstrahlen verwechselt. Die Untertasse ist auf jeden Fall sehr schnell.

Das Astrophon bzw. das Vio – alle Jungen haben zumindest ein Vio – ist die angesprochene Allzweckwaffe, deren Hintergrund nicht erläutert wird. Sie kann alles. In der Form der Beschreibung ist es eine Art Mittler zwischen den klopigen Strahlwaffen der Pulpgeschichten und dem Phaser bzw.  Kommunikator, welche Jahre später auf einem anderen Kontinent „Raumschiff Enterprise“ so populär machen sollte.

Die Menschen verfügen zwar über Autos – wieder ein Privileg von Jak Langs Familie – und teilweise Telefone, aber hinsichtlich der Atomwaffen bleibt Jak Lang sehr vage. Auch der sich aus einem Missverständnis heraus entwickelnde Konflikt wird ausgesprochen vage beschrieben. Amerikaner und Russen stehen sich gegenüber. Bei den Jugendlichen hat der Boy von der Ranch dagegen kein Probleme, mit einem Russen Seite an Seite die offensichtlich von den Aggressoren aus dem Osten abgeschossenen Raketen abzufangen.

„Mein Freund von einem anderen Stern“ ist für einen Vierzehnjährigen ein ausgesprochen reifes Buch. Auch in den von Dieter von Reeken erwähnten anderen Artikel für die Rasselbande bzw. der Home Story über Jak Lang zeigt sich der junge Mann als intelligent, entschlossen, geerdet und vor allem durch seine Lehre als Schriftsetzer auch schon im harten Leben angekommen. Seine Geschichte ist auf der einen Seite eine klassische Boy´s Story mit dem Wunsch, neue oder bessere andere Freunde kennenzulernen. Ob auf anderen Kontinenten oder einem anderen Stern (Planeten) spielt keine Rolle.   In politischer Hinsicht drückt Jak Lang die Angst einer ganzen Generation aus, die aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs mühsam sich wieder eine eigene Existenz aufgebaut haben. Und dabei einen Freund an ihrer Seite gebrauchen könnte.

In liebevoller Kleinarbeit hat Dieter von Reeken diese zeitlose, vielleicht ein wenig emotional naive Geschichte um viele Informationen zum Autor und der Publikationsgeschichte ergänzt und eine weitere Lücke in der deutschen Science Fiction Nachkriegsgeschichte geschlossen.    

 

Mein Freund vom anderen Stern: Eine utopische Erzählung für die Jugend : Neuausgabe der Erstausgabe 1959 in neuer deutsche...

Jak Lang: Mein Freund vom anderen Stern. Eine utopische Erzählung für die Jugend. Neuausgabe der 1959 erschienenen Erstausgabe. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Dieter von Reeken. Paperback, 141 S., 22 Abb., 17,50 Euro, ISBN 978-3-945807-81-1